Kompetenzbündelung, Transaktionsverbot, Verdachtseinziehung – ein Überblick.
Kurz und prägnant fasst der insgesamt knapp 144 Seiten lange Koalitionsvertrag von Union und SPD (Koalitionsvertrag 2025) die Zielsetzungen für die aktuelle Legislaturperiode im Bereich von Geldwäschebekämpfung und Zollfahndung auf etwa einer halben Seite zusammen (vgl. Rn. 1543ff., Koalitionsvertrag 2025).
Der folgende Beitrag nimmt die Zielsetzungen unter die Lupe, setzt sie in den Kontext bisheriger nationaler und laufender unionsweiter Vorhaben und beleuchtet die wahrscheinlichen Auswirkungen auf Marktteilnehmer.
Wir werden den Kampf gegen Geldwäsche und Finanzkriminalität entschieden bekämpfen. […]
Im Einklang mit dem Duktus des Gesamtdokuments richtet dieses Eingangsstatement den Blick nach vorn.
Bündelung der Kompetenzen beim Zoll statt Schaffung einer neuen Bundesoberbehörde
[…] Dazu werden wir die Kompetenzen des Bundes im Bereich der Finanzkriminalität bündeln. Im Hinblick auf die nächste Prüfung der Financial Action Task Force (FATF) werden wir entscheidende Verbesserungen bei der Geldwäschebekämpfung vornehmen.
Es stellt sich zunächst die Frage, ob an den im Stadium des Regierungsentwurfs verbliebenen Entwurf des Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz (kurz: FKBG, BT-Drs. 20/9648 vom 6. Dezember 2023) der vorhergehenden Legislaturperiode angeknüpft werden wird. Der Entwurf erfolgte bereits zu den Zwecken der
Optimierung der Strukturen bei der Geldwäschebekämpfung und ihrer Ressourcen
sowie der Umsetzung der Empfehlungen aus dem Bericht zur Deutschlandprüfung der Financial Action Task Force (FATF) aus August 2022.
Der Gesetzentwurf zum FKBG sah jedoch weitgehende aufbauorganisatorische Änderungen in der Behördenstruktur, insbesondere die Errichtung einer neuen Bundesoberbehörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (BBF) vor, die im Geschäftsbereich des Bundesfinanzministeriums, in einem
ganzheitlichen Ansatz, straf- und verwaltungsrechtliche Ermittlungen und Aufsicht
unter einem Dach zusammenführen sollte (vgl. BT-Drs. 20/9648, S. 1, S. 10).
Der aktuelle Koalitionsvertrag spricht hingegen von einer „Bündelung″ der Kompetenzen, was nahelegt, dass die Kompetenzen innerhalb der bestehenden Behördenstruktur zusammengefasst werden sollen. Hierfür spricht ferner auch das im Koalitionsvertrag an anderer Stelle verortete Ziel des Bürokratierückbaus (vgl. Rn. 1903ff. Koalitionsvertrag 2025).
Als Bestandsbehörde, die mit erweiterten Kompetenzen ausgestattet werden könnte, böte sich z.B. die Generalzolldirektion an, bei der bereits die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen angesiedelt ist und die eine wesentliche Funktion bei der Bekämpfung organisierter Kriminalität einnimmt. Indikativ für eine mögliche Bündelung der Kompetenzen beim Zoll spricht auch die unionsseitige Kritik am Vorhaben der Errichtung einer neuen Bundesoberbehörde in der letzten Legislaturperiode. Bereits im Mai 2023 äußerten Unionsvertreter, man würde es
besser finden, wenn die bisherigen Fahndungs- und Ermittlungsdienste in einer schlagkräftigen Zollpolizei gebündelt würden
(vgl. BT-Kurzmeldungen, hib 345/2023 vom 10. Mai 2023).
Wenig Bezugnahme auf unionsweite Bestrebungen
Wir wollen insbesondere Austausch und Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Bereich der Geldwäsche sowie mit nationalen und internationalen Organisationen, der EU und der europäischen Aufsichtsbehörde AMLA verbessern.
Ein Hinweis auf die aktuellen unionsweiten Bestrebungen, die Geldwäscheprävention erheblich zu verstärken, findet sich in dem formulierten Ziel, den Austausch und die Zusammenarbeit (auch) mit der EU und der unionsweiten Aufsichtsbehörde Anti-Money Laundering Authority (AMLA) zu verbessern. Die Zusammenarbeit mit der AMLA wäre gemäß dem Gesetzentwurf zum FKBG ebenfalls eine zentrale Aufgabe der dort vorgesehenen BBF gewesen. Anknüpfend an die vorangegangenen Erwägungen dürfte diese Zuständigkeit nun bei der Bestandsbehörde verortet werden, die die Kompetenzen zur Geldwäschebekämpfung in sich vereinen wird.
Bezugnahmen auf die EU-Geldwäscheverordnung (VO [EU] 2024/1624), die ab 9. Juli 2027 Gültigkeit erlangen und geldwäscherechtliche Pflichten für die Verpflichteten unmittelbar regeln wird, sowie auf die Neuschaffung der EU-Geldwäscherichtlinie (RL [EU] 2024/1640) enthält der Koalitionsvertrag nicht.
Transparenzregister & neues Transaktionsverbot?
Wir schließen Lücken im Transparenzregister. Sind ein oder mehrere wirtschaftlich Berechtigte nicht zu ermitteln, so dürfen Rechtsgeschäfte juristischer Personen, die den Betrag von 10.000 Euro netto überschreiten, von geldwäscherechtlich Verpflichteten nicht getätigt werden.
Mit der Schließung von Lücken ist wohl die Verbesserung der Datenqualität im Transparenzregister gemeint, die bereits Ziel des Koalitionsvertrags 2021 (a.a.O., S. 136) sowie Bestandteil des Gesetzentwurfs zum FKBG (BT-Drs. 20/9648, S. 76) war und zwischenzeitlich auf dem besten Weg zum „Evergreen“ ist.
Ein Transaktionsverbot über EUR 10.000 für juristische Personen, bei denen ein oder mehrere wirtschaftlich Berechtigte nicht zu ermitteln sind, deutet zunächst eine Verschärfung geldwäscherechtlicher Pflichten an. Bei genauerem Hinsehen besteht ein Transaktionsverbot allerdings bereits nach geltender Rechtslage – und zwar unabhängig davon, ob der Vertragspartner eine juristische oder eine natürliche Person ist (die ggfs. als „Strohmann“ handelt) und unabhängig von Schwellenwerten. So ist es geldwäscherechtlich Verpflichteten (§ 2 Abs. 1 GwG) nach geltendem Recht untersagt, Geschäftsbeziehungen zu begründen oder fortzusetzen, oder Transaktionen durchzuführen, wenn sie nicht in der Lage sind, ihre allgemeinen Sorgfaltspflichten, zu erfüllen (vgl. § 10 Abs. 9, Abs. 1 Nr. 1-4 GwG, bzw. Verweise in § 14 Abs. 3 GwG im Anwendungsbereich vereinfachter- und in § 15 Abs. 9 GwG). Zu den Sorgfaltspflichten zählt auch die Abklärung, ob ein Vertragspartner für einen oder mehrere (abweichende) wirtschaftlich Berechtigte handelt, sowie die Feststellung der Identität(en) des/der wirtschaftlich Berechtigten (§ 10 Abs. 1 Nr. 3, 11 Abs. 5, 12 Abs. 3, 4 GwG).
Durchbruch in der Vermögenseinziehung? „Suspicious Wealth Order“ und Verdachtseinziehung
Wir werden ein administratives, verfassungskonformes Vermögensermittlungsverfahren schaffen mit dem Ziel, verdächtige Vermögensgegenstände von erheblichem Wert sicherzustellen, bei denen Zweifel an einem legalen Erwerb nicht ausgeräumt werden können (Suspicious Wealth Order). Die bestehenden Vermögenseinziehungsinstrumente werden wir fortentwickeln und ein Einziehungsverfahren für Vermögensgegenstände ungeklärter Herkunft erweitern.
Mit der Schaffung des im Koalitionsvertrag skizzierten „Suspicious Wealth Order“-Instrumentariums könnte ein neuer rechtlicher Ansatz zur Einziehung verdächtiger Vermögenswerte geschaffen werden. Der Reformbedarf zur Vermögenseinziehung wurde insbesondere im Zuge des Inkrafttretens und der fortlaufenden Erweiterung der Russland-Sanktionen deutlich. Denn deren Wirksamkeit setzt voraus, dass die der Eigentumsverhältnisse an der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte (wie etwa Luxusyachten, Immobilien, Fahrzeuge, etc.) bekannt sind. Erfolgt der Erwerb der Vermögenswerte unter Rückgriff auf Strohleute oder Offshore-Unternehmen, ist die Nachverfolgung regelmäßig wesentlich erschwert. Das Instrumentarium einer „Suspicious Wealth Order“ soll dem Staat die Befugnis verleihen, gegenüber formellen Inhabern von Vermögenswerten, sofern Zweifel an einem legalen Erwerb nicht ausgeräumt werden können, Auskunft über die Vermögensherkunft (und naheliegend auch die faktische Kontrolle) zu verlangen und die verdächtigen Vermögenswerte sicherzustellen.
Aus Sicht der Verfasserin dürfte die Umsetzung dieses Vorhabens, – das auf eine präventiv ausgerichtete Einziehung von Vermögenswerten abzielt – mit erheblichen rechtlichen Herausforderungen verbunden sein. Die Einziehung zu Präventionszwecken stellt ein Instrument dar, das international als non-conviction-based confiscation bekannt ist (wie bereits die selbstständige Tatertragseinziehung gem. § 76a Abs. 4 StPO). In verfassungsrechtlicher Hinsicht könnten sich hierbei insbesondere Fragen hinsichtlich der Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) und strafverfassungsrechtlichen Garantien wie insb. der Unschuldsvermutung und dem Bestimmtheitsgrundsatz stellen (vgl. zum Vorschlag einer „Suspicious Wealth Order“ und gegen verfassungsrechtliche Bedenken argumentierend, bereits vor über drei Jahren El-Ghazi, Wegner, Zimmermann)
Erweiterung der strafprozessualen Ermittlungsbefugnisse
Mit dem Ziel einer Erweiterung strafprozessualer Ermittlungsbefugnisse bei Geldwäsche verdeutlicht die neue Bundesregierung auch repressiv mit Entschlossenheit gegen Geldwäsche vorzugehen. So soll im Kontext der geplanten Erweiterung strafprozessualer Ermittlungsbefugnisse gem. §§ 100a ff. StPO (Rn. 2836ff. Koalitionsvertrag) die Anforderung entfallen, dass die Telekommunikationsüberwachung wegen des Verdachts der Geldwäsche nur zulässig ist, wenn die Vortat eine schwere Straftat i.S.d. § 100a Abs. 2 Nr. 1-11 StPO ist. Damit würde die Geldwäsche per se zur schweren Straftat i.S.d. Vorschrift, was zumindest auch eine symbolische Wirkung entfalten dürfte.
Zusammenfassend: weniger Umsetzungsaufwand auf Behördenseite
Auf Behördensicht dürfte die nunmehr geplante Bündelung der Kompetenzen zur Geldwäschebekämpfung bei einer Bestandsbehörde – anstelle der vormals avisierten Schaffung einer neuen Bundesoberbehörde – mit geringerem (aufbauorganisatorischem) Umsetzungsaufwand einhergehen. Dies dürfte dem übergeordneten Ziel des Bürokratieabbaus förderlich sein. Ob jedoch die Finanzkriminalität in vergleichbarem Umfang bekämpft werden kann, wie durch die im FKBG vorgesehenen Einrichtung einer „Superbehörde“, bleibt offen.
…Allgemeinplätze zur übergreifenden Zusammenarbeit
Hinsichtlich der Stärkung von Zusammenarbeit und Austausch zwischen Behörden unterhalb, auf und oberhalb der Bundesebene ist der Koalitionsvertrag nicht aussagekräftig. Die weiteren Entwicklungen sind abzuwarten.
…ein Transaktionsverbot, das es längst gibt
Ein Transaktionsverbot bei fehlender Feststellbarkeit der wirtschaftlich Berechtigten, dürfte bei genauerer Betrachtung keinen praktischen Mehrwert entfalten, da bereits Transaktionsverbote bestehen, die in ihrer Reichweite darüber hinausgehen.
…ein Instrumentarium, das auf erheblichen Gegenwind stoßen wird
Die Schaffung des Instrumentariums einer „Suspicious Wealth Order“ könnte die Finanzkriminalitätsbekämpfung einen deutlichen Schritt nach vorn bringen. Es ist jedoch zu erwarten, dass dieses Vorhaben mit verfassungsrechtlichen Einwänden konfrontiert wird, die die Umsetzung erschweren werden.
Keine Erleichterungen für Verpflichtete in Sicht
Die Bekämpfung der Finanzkriminalität bleibt auch in dieser Legislaturperiode erklärtes Ziel der Bundesregierung. Erleichterungen für Verpflichtete sind nicht in Sicht und – anders als etwa hinsichtlich des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (vgl. Rn. 1909 ff. Koalitionsvertrag) – ist erst recht keine Abschaffung geldwäscherechtlicher Pflichten geplant.
…Blick Richtung Brüssel nicht vergessen
Zuvorderst sollten Verpflichtete ihren Blick jedoch Richtung Brüssel richten und die verbleibende Zeit bis zum 10. Juli 2027 nutzen, um ihre internen Compliance-Mechanismen an die ab dann gültigen Vorgaben der EU-Geldwäscheverordnung anzupassen.
Wir informieren Sie in unserer Blog-Serie zum Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD fortlaufend mit aktuellen Beiträgen zu diesem Thema. Sie können diese Blog-Serie über den RSS-Feed abonnieren und werden von uns über neue Beiträge informiert.