Es wird gemacht, was der Monitor sagt! – Die "sachkundige Stelle" könnte künftig das deutsche Pendant zum US-Monitor werden.
Die Installation eines Monitors, der das Wohlverhalten von weltweit agierenden Konzernen kontrollieren soll, kennen deutsche Unternehmen bislang nur aus dem US-amerikanischen Rechtssystem. Da sich dieses in deutschen Wirtschaftsstrafverfahren immer stärker ausbreitet, würde manches Unternehmen wohl der These zustimmen, dass zwischen dem US-amerikanischen Rechtssystem und dem nordamerikanischen Ochsenfrosch kein großer Unterschied besteht – beides stellt in Deutschland eine Plage dar.
Der Referentenentwurf zum Verbandssanktionengesetz („VerSanG-E″) sieht nun die Einführung einer sachkundigen Stelle vor. Es sind diverse Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zwischen sachkundiger Stelle im Sinne des VerSanG-E und Monitorship nach US-amerikanischer Justizpraxis zu erkennen.
Der Monitor nach US-amerikanischem Vorbild
Monitorships sind ein gängiges Instrument der US-Behörden. Ein Monitor ist ein sachverständiger, „unabhängiger″ Dritter, der die Einhaltung von Verpflichtungen eines Unternehmens aus einem verfahrensbeendenden Vergleich (Plea Agreement, Non-Prosecution Agreement, Deferred Prosecution Agreement), dem ein – in der Regel strafrechtliches – Verfahren mit dem US-Justizministerium, dem Department of Justice (DoJ), vorausgegangen ist, überwacht und unterstützt.
Vereinfacht gesagt: Ein Monitor soll dazu beitragen, dass das Fehlverhalten, das zu einer Verfolgung des Unternehmens durch das DoJ geführt hat, nicht wieder vorkommt. Der Schwerpunkt liegt dabei nicht auf der Bestrafung des Unternehmens, sondern in der Vorbeugung weiteren rechtswidrigen Handelns.
Für den Einsatz sowie die Tätigkeit des Monitors finden sich verschiedene rechtliche Grundlagen des DoJ sowie der US-Börsenaufsichtsbehörde United States Securities and Exchange Commission (SEC). Die wesentlichen Maßgaben werden einerseits anhand der Vorgaben des FCPA („A Resource Guide to The U.S. Foreign Corrupt Practices Act″) und verschiedenen Memoranden des DoJ vorgegeben und andererseits unmittelbar in der Vereinbarung zwischen dem Unternehmen und den Behörden festgelegt.
Die Einführung einer sachkundigen Stelle ins Unternehmensstrafrecht
Der VerSanG-E sieht verschiedene Möglichkeiten vor, Unternehmen für aus ihrem Inneren heraus begangene Straftaten zu sanktionieren. Anstatt der Verhängung einer Verbandsgeldsanktion (§ 9 VerSanG-E) kann das Gericht das betroffene Unternehmen auch mit einem Verbandsgeldsanktionsvorbehalt als mildere Alternative verwarnen (§ 10 VerSanG-E) und in diesem Zusammenhang Auflagen (§ 12 VerSanG-E) und Weisungen (§ 13 VerSanG-E) erteilen. Diese Konzeption erinnert stark an das Bewährungssystem der §§ 56 ff. StGB.
Weisungen sollen dabei eine spezialpräventive Zielsetzung entfalten, wobei den Gerichten laut Gesetzesbegründung insoweit ein weiter Ermessensspielraum zukommen soll. Das Gericht kann das betroffene Unternehmen anweisen, bestimmte Vorkehrungen zur Vermeidung von Unternehmensstraftaten zu treffen. Hierunter wird insbesondere das Ergreifen bestimmter Compliance-Maßnahmen zu verstehen sein.
Um der Vielfalt sowie Komplexität von Vorgängen in Unternehmen und deren Organisation gerecht zu werden, sieht der VerSanG-E in § 13 Abs. 2 die Einführung einer sachkundigen Stelle vor:
Das Gericht kann den Verband namentlich anweisen, bestimmte Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandsstraftaten zu treffen und diese Vorkehrungen durch Bescheinigung einer sachkundigen Stelle nachzuweisen. Die Auswahl der sachkundigen Stelle, die der Verband getroffen hat, bedarf der Zustimmung durch das Gericht.
Auswahl und Qualifikation der sachkundigen Stelle
Der Auswahlprozess der sachkundigen Stelle nach dem VerSanG-E unterscheidet sich von dem des US-Monitors. In den USA darf das betroffene Unternehmen dem DoJ drei Vorschläge zur Wahl des Compliance-Monitors unterbreiten, wobei die finale Entscheidungshoheit nach qualitativer Würdigung der Kandidaten beim DoJ liegt.
Nach der Gesetzesbegründung zum VerSanG-E sind sachkundige Stellen je nach Art der angeordneten Maßnahmen und Natur des Unternehmens von dem Unternehmen selbst mit Zustimmung des Gerichts ausgewählte und beauftragte Rechtsanwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder Unternehmensberatungen.
Weitere Kriterien? Fehlanzeige! Wir schauen über den Teich:
In der US-Justizpraxis haben sich insbesondere mit Hilfe verschiedener Memoranden (z.B. Morford-Memorandum) Kriterien zur Auswahl eines Monitors herausgebildet:
The selection process must, at a minimum, be designed to: (1) select a highly qualified and respected person or entity based on suitability for the assignment and all of the circumstances; (2) avoid potential and actual conflicts of interests, and (3) otherwise instill public confidence by implementing the steps set forth in this Principle.
Öffentliches Vertrauen, fachliche Qualifikation sowie absolute Unabhängigkeit sollten insofern auch die essentiellen Anforderungen an die sachkundige Stelle sein und deren Auswahl maßgeblich beeinflussen.
Nach dem aktuellen Stand des VerSanG-E haben jedoch weder die Unternehmen noch die Justizbehörden selbst Anhaltspunkte, welche Vorgaben für die Zustimmung zur durch das Unternehmen ausgewählten sachkundigen Stelle relevant sein werden. Dies sollte insbesondere vor dem Hintergrund der Einheitlichkeit der Ahndungspraxis bei Unternehmenskriminalität als erklärtes Ziel des VerSanG-E nachgebessert werden.
Aufgaben der sachkundigen Stelle
Die Aufgabe der sachkundigen Stelle ist es, dem Gericht gegenüber durch Bescheinigung nachzuweisen, dass bestimmte Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandsstraftaten, insbesondere Compliance-Maßnahmen, getroffen wurden. Laut Gesetzesbegründung des VerSanG-E kann das Gericht bestimmen, wie häufig und in welchen Abständen die sachkundige Stelle solche Bescheinigungen vorzulegen hat. Die Bescheinigungen sollen zudem ein (Kurz-)Gutachten enthalten.
Was genau unter diesen Vorkehrungen und Compliance-Maßnahmen zu verstehen ist, bleibt ein noch zu lösendes Rätsel. In der Begründung des VerSanG-E heißt es lediglich:
Welche Vorkehrungen zu treffen sind, hängt dabei insbesondere ab von Art, Größe und Organisation eines Unternehmens, Gefährlichkeit des Unternehmensgegenstandes, Anzahl der Mitarbeiter, den zu beachtenden Vorschriften sowie dem Risiko ihrer Verletzung.
Prinzipiell ist dem Ansatz zuzustimmen, dass sich Compliance-Maßnahmen – mangels übergreifender Vergleichbarkeit – an dem konkreten Unternehmen orientieren müssen. Dennoch stellt sich die Frage, auf welcher konkreten Grundlage die Gerichte bzw. Staatsanwaltschaften die Vorkehrungen zur Vermeidung von Verbandsstraftaten festlegen und woran sie sich orientieren werden. Die (mangelnde) Definition der Vorkehrungen hat automatisch auch Auswirkungen auf die Frage, welchen Prüfungsmaßstab die sachkundige Stelle anzulegen hat und wer diesen bestimmt. Je ungenauer die Weisung (z.B. „Verbesserung der allgemeinen Compliance″), desto weniger klar wird auch der Prüfungsmaßstab der sachkundigen Stelle sein.
Die Vorgehensweise in den USA ist aufgrund konkreter Vorgaben mit mehr Rechtssicherheit für das Unternehmen verbunden und könnte für das VerSanG als Vorbild dienen. Der grundsätzliche Ablauf eines Monitorships ist meist einheitlich ausgestaltet: Beginnend mit einem Arbeitsplan schließt sich eine Prüfphase an, die in einen Bericht an die zuständige US-Behörde und das Unternehmen mündet. Diesen Zyklus durchläuft der Monitor je nach Mandatsdauer mehrere Male. Aufgaben und Umfang der Tätigkeit des Monitors werden eng zwischen dem Unternehmen und der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht abgestimmt und durch eine sog. „Job Description″ im jeweiligen Verfahrensvergleich festgelegt. Die inhaltliche Ausgestaltung des Monitormandats hängt dabei vom zugrunde liegenden Fehlverhalten des Unternehmens ab.
Zur Bestimmung der Compliance-Maßnahmen im Sinne des VerSanG-E würden sich jedoch auch bereits anerkannte nationale und internationale Managementstandards wie u.a. DCGK, COSO-Framework, IDW PS 980, ISO 19600 eignen. Diese können bei der Entwicklung eines rechtlich und betriebswirtschaftlich sinnvollen Compliance Management Systems unterstützen. Es bleibt abzuwarten, ob sich der Gesetzesentwurf in diesem Zusammenhang noch weiterentwickelt bzw. konkretisiert.
Dauer und Kosten der Prüfungstätigkeit
Im VerSanG-E fehlen bislang konkrete zeitliche Vorgaben für die Tätigkeit der sachkundigen Stelle im Unternehmen. In § 10 Abs. 2 VerSanG-E ist lediglich von einer Vorbehaltszeit von bis zu fünf Jahren die Rede. Monitorships in US-Großverfahren dauern üblicherweise drei bis vier Jahre.
Die Dauer der Tätigkeit der sachkundigen Stelle sollte sich danach richten, welche Probleme in Bezug auf ein Unternehmen festgestellt wurden und welche Abhilfemaßnahmen notwendig sind. Die Möglichkeit einer früheren Beendigung, aber auch einer Verlängerung der Tätigkeit der sachkundigen Stelle sollte vorgesehen werden.
Für das Unternehmen ist die Prüfungsdauer von besonderer Relevanz, da es als Auftraggeber die Kosten der sachkundigen Stelle zu tragen hat. Die Erfahrungen aus den USA zeigen, dass dies für das Unternehmen eine teure Angelegenheit darstellen kann.
Sachkundige Stelle nach dem VerSanG-E: Bedeutung für das Unternehmen
Nach den Erfahrungen aus den USA könnte sich die sachkundige Stelle nicht nur als teuer, sondern auch als unangenehm erweisen.
Ungeachtet der Umstände, die zu einem Compliance „Monitoring″-Verfahren führen, wird die sachkundige Stelle keinen „freundlichen″ Berater des Unternehmens darstellen, sondern eine externe Partei, die als Fremdkörper wahrgenommen werden wird: Die Anwesenheit eines Monitors führt meist zu einer Verunsicherung der Mitarbeiter im Unternehmen über alle Führungsebenen hinweg, da ein hoher Druck auf den Unternehmen lastet, weiteren Schaden durch das Wohlgefallen des Monitors vom Unternehmen abzuwenden. Gerade weil der Monitor selbstständige, unabhängige Berichte an das DoJ schickt, besteht für das Unternehmen das dauerhafte Risiko, dass das DoJ bei negativen Berichten das Verfahren wieder aufrollt und Strafen ausspricht.
Sollte das amerikanische Vorbild auf die sachkundige Stelle übertragbar sein, hätte das betroffene Unternehmen der sachkundigen Stelle strikt Folge zu leisten, um eine positive Bescheinigung für das Gericht zu erhalten. Dies würde ein starkes Abhängigkeitsverhältnis und einen tiefgreifenden Einschnitt in die Freiheit des Unternehmens bedeuten.
Darüber hinaus erlangt der Monitor im Rahmen seiner Tätigkeit auch stets einen umfassenden Einblick in sämtliche unternehmensinterne Abläufe, Dokumente und Daten. Es ist insofern zu erwarten, dass es für das Unternehmen nicht immer angenehm sein wird, sich unausgeschlafen, ungekämmt, unrasiert und schlecht gelaunt in dem durch die sachkundige Stelle vorgehalten Spiegel zu sehen, wie dies bei Unternehmen mit Compliance-Schwachstellen im übertragenen Sinne häufig der Fall ist. Vor dem Hintergrund der nahezu uneingeschränkten Beobachtung besteht in der Konsequenz zudem die Möglichkeit der Aufdeckung neuer strafrechtlich relevanter Sachverhalte im Unternehmen.
Neben der Belastung für das betroffene Unternehmen und seine Mitarbeiter ist der Einsatz der sachkundigen Stelle aber auch eine Chance, notwendige Veränderungen anzustoßen und nachhaltig auf den Weg zu bringen.
Fazit: Die sachkundige Stelle bringt Rechtsunsicherheit
Die Einschaltung einer sachkundigen Stelle wäre in der derzeitigen Ausgestaltung des VerSanG-E dem Einsatz eines US-Monitors in einer abgemilderten Form ähnlich. Da der VerSanG-E in seiner derzeitigen Fassung jedoch nicht ausgereift scheint und damit Rechtsunsicherheit für die Unternehmen mit sich bringen würde, bedarf er einer Konkretisierung. Es müsste auch in Deutschland klar definiert werden, unter welchen Bedingungen eine sachkundige Stelle einzusetzen ist. Es ist zudem ratsam, den Ermessensspielraum der Gerichte nicht übermäßig zu weiten, um sich nicht der Gefahr der uneinheitlichen Rechtsanwendung auszusetzen. Vorbildfunktion können hierbei der FCPA und die verschiedenen Memoranden des DoJ und des SEC übernehmen.
Nach dem Auftakt zu unserer Serie zum Referentenentwurf zum Verbandssanktionengesetz folgten Informationen zu Änderungen bei Internal Investigations, zum faktischen Kooperationszwang und der Aushöhlung von Verteidigungsrechten sowie zu den Verbandsgeldsanktionen.