22. April 2024
Insolvenz Organschaft
Steuern in Krise und Insolvenz

Organschaft und Insolvenz

Eine Insolvenz bleibt nicht ohne Folgen für eine steuerliche Organschaft. 

Es existieren im Grundsatz zwei Formen der steuerlichen Organschaft: die körperschaft- und gewerbesteuerliche Organschaft, auch ertragsteuerliche Organschaft genannt, und die umsatzsteuerliche Organschaft. Gerät der Organträger oder eine Organgesellschaft in die Krise, kann dies erhebliche Auswirkungen auf den Bestand dieser Organschaften haben – insbesondere ab der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens.

Wegen damit möglicherweise verbundener finanzieller und Tax-Compliance-Risiken sowie wegen möglicher Änderungen in Rechnungslegung, Rechnungsstellung und Steuerdeklaration sollte sich sowohl die Geschäftsführung als auch ein Insolvenzverwalter* – insbesondere wegen etwaiger Auswirkungen auf die Insolvenzmasse – frühzeitig damit beschäftigen.

Ertragsteuerliche Organschaft bewirkt Zurechnung von Einkommen an Organträger

Besteht eine ertragsteuerliche Organschaft, wird das Einkommen der Organgesellschaft (Tochtergesellschaft) für steuerliche Zwecke dem Organträger (Muttergesellschaft) zugerechnet und dort besteuert; das Einkommen der Organgesellschaft kann zudem mit Verlusten des Organträgers verrechnet werden und so die Steuerlast der organschaftlichen Gruppe mindern. Eine eigenständige Besteuerung auf Ebene der Organgesellschaft unterbleibt. 

Erforderlich für die Begründung und Anerkennung einer ertragsteuerlichen Organschaft sind drei fundamentale Voraussetzungen: 

  1. Der Organträger muss die Mehrheit der Stimmrechte in Bezug auf die Organgesellschaft innehaben (sogenannte finanzielle Eingliederung). 
  2. Der Organträger muss sich gegenüber der Organgesellschaft verpflichten, ihr einen etwaigen Jahresfehlbetrag auszugleichen. Die Organgesellschaft muss sich spiegelbildlich gegenüber dem Organträger bereit erklären, ihm einen etwaigen Jahresüberschuss auszuzahlen. Beide Verpflichtungen müssen für eine Mindestlaufzeit von fünf Zeitjahren eingegangen werden. Die Verpflichtungen müssen mittels Vertrags begründet werden (sogenannter Gewinnabführungsvertrag).
  3. Der Gewinnabführungsvertrag muss – insbesondere im Rahmen der fünfjährigen Mindestlaufzeit – tatsächlich durchgeführt werden. Tatsächliche Durchführung bedeutet, dass die Organgesellschaft ihren gesamten Gewinn an den Organträger tatsächlich auszahlt bzw. dass der Organträger etwaige Verluste der Organgesellschaft durch eine entsprechende Zahlung tatsächlich ausgleicht. Grundlage für die Gewinnabführung und den Verlustausgleich ist jeweils das handelsrechtliche Jahresergebnis der Organgesellschaft. 

Wird der Gewinnabführungsvertrag nicht ordnungsgemäß durchgeführt, hat dies zumeist erhebliche Konsequenzen für die Anerkennung der ertragsteuerlichen Organschaft; der zugrunde gelegte Maßstab ist hierbei streng. Die Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags (allein in einem Jahr), kann die steuerrechtliche Unwirksamkeit einer ertragsteuerlichen Organschaft von Beginn an zur Folge haben, vorausgesetzt die fünfjährige Mindestlaufzeit ist noch nicht überschritten. Mit anderen Worten kann die Wirkung der ertragsteuerlichen Organschaft rückwirkend für bis zu fünf Jahre entfallen. Die Organgesellschaft ist in diesem Fall (rückwirkend) nach den allgemeinen steuerrechtlichen Vorschriften zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer zu veranlagen; Gewinnabführung und Verlustausgleich sind rückgängig zu machen. 

Liegt ein wichtiger Grund (z.B. Verschmelzung, Liquidation, etc.) vor und wird der Gewinnabführungsvertrag aus diesem Grund beendet, kann eine ertragsteuerliche Organschaft allerdings vor Ablauf ihrer Mindestlaufzeit ohne rückwirkende Aberkennung beendet werden. Die Insolvenz wird durch Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich als ein solcher wichtiger Grund anerkannt. 

Unternehmen können für umsatzsteuerliche Zwecke nicht existent sein

Ist ein Unternehmen Teil einer sogenannten umsatzsteuerlichen Organschaft wird es für umsatzsteuerliche Zwecke als nicht existent bzw. unselbstständig betrachtet. Nur der Organträger, also typischerweise die Muttergesellschaft des Unternehmens oder einer Gruppe von Unternehmen, qualifiziert als umsatzsteuerlicher Unternehmer und damit als Umsatzsteuerschuldner und Vorsteuerabzugsberechtigter. Leistungen der Organgesellschaften, also der unselbständigen Unternehmen, gegenüber Dritten werden dem Organträger für umsatzsteuerliche Zwecke zugerechnet; gleiches gilt für empfangene Leistungen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen. Leistungen zwischen Organträger und Organgesellschaft(en) werden als nicht umsatzsteuerbare Innenumsätze behandelt.

Eine solche umsatzsteuerliche Organschaft liegt vor, wenn ein Unternehmen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein anderes Unternehmen eingegliedert ist.

Für den Eintritt der Rechtsfolgen der umsatzsteuerlichen Organschaft besteht kein Wahlrecht, diese treten auch ein, wenn die Rechtsträger die Entstehung einer umsatzsteuerlichen Organschaft nicht beabsichtigt bzw. gar nicht gewollt haben. Mit anderen Worten ist stets genau zu prüfen, ob eine finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung eines Unternehmens in ein anderes vorliegt, was ohne Abstimmung mit der Finanzverwaltung häufig kaum rechtssicher möglich ist.

  • Unter der finanziellen Eingliederung wird der Besitz der Anteilsmehrheit an der Organgesellschaft verstanden. 
  • Die Voraussetzung der wirtschaftlichen Eingliederung ist schwieriger zu greifen. Sie soll gegeben sein, wenn die Organgesellschaft in engem wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Organträgerin tätig ist.
  •  Die organisatorische Eingliederung setzt voraus, dass die Organträgerin tatsächlich die laufende Geschäftsführung der Organgesellschaft beherrscht. Dies wird in aller Regel angenommen, wenn die Geschäftsführer beider Gesellschaften identisch sind. Hat die Organgesellschaft mit dem Organträger einen Beherrschungsvertrag abgeschlossen, kann auch ohne eine solche Personenidentität von dem Vorliegen einer organisatorischen Eingliederung ausgegangen werden.

Die Insolvenz führt idR zum Wegfall einer ertragsteuerlichen Organschaft

Die Auswirkungen einer Insolvenz auf eine ertragsteuerliche Organschaft sind im Detail unterschiedlich, je nachdem, ob die Insolvenz beim Organträger, bei der Organgesellschaft oder bei beiden eröffnet wird; im Ergebnis kommt es aber zumeist zum Wegfall der ertragsteuerlichen Organschaft.

Wird die Insolvenz bei der Organgesellschaft eröffnet, entfällt die finanzielle Eingliederung, weil der Organträger seinen Mehrheitswillen nicht mehr durchsetzen kann. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wird nunmehr durch den Insolvenzverwalter ausgeübt. Dies gilt gleichermaßen bei einem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt, weil dieser den Anspruch des Organträgers auf Gewinnabführung nicht mehr erfüllen darf, da es sich um eine Insolvenzforderung handelt. Gleiches wird für den Fall der Eigenverwaltung vertreten. 

Wird die Insolvenz beim Organträger eröffnet, endet die Organschaft i.d.R. zwar faktisch, aber nicht automatisch. Es besteht zumeist ein Recht zur außerordentlichen Kündigung wegen des Leistungsverweigerungsrechts des Organträgers, den Verlust der Organgesellschaft auszugleichen.

Wird die Insolvenz sowohl beim Organträger als auch bei der Organgesellschaft eröffnet, endet hierdurch eine ertragsteuerliche Organschaft aus vorgenannten Gründen ebenfalls. 

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung gibt es bislang wenig einschlägig entschiedene Fälle. Allein im Jahr 2022 hat der Bundesfinanzhof (Urteil v. 2. November 2022, I R 29/19) zur Nichtdurchführung bzw. Beendigung einer ertragsteuerlichen Organschaft aufgrund Insolvenz konkret Stellung bezogen. Im zugrundeliegenden Fall wurde sowohl beim Organträger als auch bei der Organgesellschaft vor Ablauf der Mindestlaufzeit des Gewinnabführungsvertrag die Insolvenz eröffnet und es war streitig, ob in diesem Zusammenhang der Organschaft rückwirkend die steuerliche Ankerkennung zu versagen ist. Hierzu entschied der Bundesfinanzhof, dass die Insolvenzeröffnung selbst unschädlich – insbesondere für das laufende Geschäftsjahr – war, weil die Insolvenz einen wichtigen Grund für die Beendigung darstelle. Kritisch war allerdings, dass für das letzte Wirtschaftsjahr vor der Insolvenzeröffnung (auf Grundlage einer Schätzung) nicht derjenige Betrag an den Organträger abgeführt wurde, der bei zutreffender Bilanzierung in einem endgültigen Jahresabschluss auszuweisen wäre; mithin eine fehlerhafte Durchführung erfolgte. Dieser Fehler konnte auch nicht „korrigiert“ werden, da eine weitere Abführung wegen der Insolvenz nicht möglich war. Verbindlichkeiten aus einem Gewinnabführungsvertrag qualifizieren wie andere Verbindlichkeiten auch im Fall einer Insolvenz als Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) und dürfen daher grundsätzlich nicht mehr bedient werden. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesfinanzhof die ertragsteuerliche Organschaft rückwirkend nicht anerkannt und folgende Punkte klargestellt:

  • die Nichtdurchführung eines Gewinnabführungsvertrag wegen Insolvenz stellt einen „wichtigen Grund“ für das laufende Wirtschaftsjahr der Insolvenz dar, für die Vorjahre gilt aber weiterhin das Erfordernis der tatsächlichen (korrekten) Durchführung;
  • wenn die Mindestlaufzeit von 5 Jahren nicht abgelaufen ist, kann eine Insolvenz insbesondere zu Beginn des Wirtschaftsjahres zur (rückwirkenden) Nichtanerkennung der gesamten Organschaft führen, da dann ggfs. noch keine Durchführung für das Vorjahr erfolgt ist. Infolgedessen können ggfs. bereits erfolgte Gewinnabführungen und/oder Verlustausgleiche rückabzuwickeln sein; zudem können Organträger und Organgesellschaft rückwirkend mit Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerforderungen konfrontiert werden;
  • auch bei Insolvenz reicht eine Durchführung basierend auf einem vorläufigen (fehlerhaften) Jahresabschluss nicht aus.

Auch umsatzsteuerliche Organschaft wird durch Insolvenz beendet 

Wird die Insolvenz über das Vermögen von Organträger oder Organgesellschaft eröffnet, endet eine bestehende umsatzsteuerliche Organschaft mit der Insolvenzeröffnung – angelehnt an die oben zur ertragsteuerlichen Organschaft aufgeführten Gründe. Organträger und Organgesellschaft werden umsatzsteuerlich selbständige Rechtssubjekte, während bis zur Auflösung der Organschaft die Besteuerungsgrundlagen für Organträger und Organgesellschaft dem Organträger zuzurechnen sind. Die umsatzsteuerlichen Pflichten sind nunmehr vom Insolvenzverwalter zu erfüllen. Vorstehendes gilt jeweils auch bei Bestellung eines Sachwalters im Rahmen der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO.

Wird im Rahmen der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen über das Vermögen des Organträgers oder der Organgesellschaft ein vorläufiger schwacher Insolvenzverwalter (mit Zustimmungsvorbehalt) oder ein vorläufiger starker Insolvenzverwalter bestellt, endet die Organschaft mit dessen Bestellung bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Unbeachtlich ist es, wenn für den Organträger und die Organgesellschaft ein personenidentischer Sachwalter, vorläufiger Insolvenzverwalter oder Insolvenzverwalter bestellt wird. Mit anderen Worten endet auch in diesen Fällen die umsatzsteuerliche Organschaft.

Im Ergebnis kann die Insolvenz insbesondere für die Organgesellschaft neue umsatzsteuerlichen Pflichten mit sich bringen. Eine enge Abstimmung mit dem (ehemaligen) Organträger ist in diesem Zusammenhang ratsam. 

Die Organgesellschaft haftet gegenüber dem Fiskus für den Organträger

Fällt der Organträger im Hinblick auf Steuerzahlungen aus, kann der Fiskus auf die Organgesellschaft zugreifen; sie haftet für den Organträger (§ 73 AO). Die Haftung setzt eine wirksame Organschaft voraus und gilt für alle Steuern, für welche die Organschaft von Bedeutung ist, d.h. für die Körperschaft- und Gewerbesteuer und/oder die Umsatzsteuer.

Grund für die Möglichkeit der Haftungsinanspruchnahme ist, dass im Rahmen einer ertragsteuerlichen und/oder umsatzsteuerlichen Organschaft allein der Organträger der Steuerschuldner ist und die Finanzbehörden die Steueransprüche grundsätzlich gegen ihn geltend machen müssen, unabhängig davon, welcher juristischen Person aus dem Organkreis diese wirtschaftlich zu allokieren sind. Das Vermögen des Organträgers, aus dem die Steuerschulden zu tilgen sind, kann aber in einem unangemessenen Verhältnis zu den Steuerschulden stehen, die im Organkreis entstehen. 

Die Haftung erstreckt sich nach Auffassung der Finanzverwaltung auf die Steuern, die während der zeitlichen Dauer der Organschaft verursacht worden sind. Der Zeitpunkt der Fälligkeit spielt hierbei keine Rolle. Die Haftung ist allerdings auf die Steuern beschränkt, für die die Organschaft steuerlich von Bedeutung ist. Besteht z.B. nur eine umsatzsteuerliche Organschaft, so scheidet eine Haftungsinanspruchnahme der Organgesellschaft für die Körperschaftsteuer des Organträgers aus. 

Die Organgesellschaft haftet dem Grunde nach für alle Steuern, die im Organkreis verursacht worden sind; im Rahmen der Ermessensausübung soll die Haftung aber grundsätzlich auf die in ihrem eigenen Betrieb oder im Betrieb des Organträgers verursachten Steuern beschränkt werden.

Wird in Bezug auf (nur) den Organträgers die Insolvenz eröffnet und fällt dieser in Höhe der Quote aus, kann eine Haftungsinanspruchnahme der Organgesellschaft innerhalb der zuvor aufgezeigten Grenzen durch den Fiskus sachgerecht sein. 

Im Insolvenzverfahren der Organgesellschaft sind etwaige Haftungsansprüche nach § 73 AO grundsätzlich Insolvenzforderungen.

Bleiben Sie informiert

Krise und Insolvenz haben unzweifelhaft konkrete Auswirkungen auf bestehende ertrag- und umsatzsteuerliche Organschaftsverhältnisse. Das Wissen hierüber wird seitens der Steuerverwaltung als bekannt vorausgesetzt, auch wenn hierbei ggfs. komplexe Zusammenhänge und Auswirkungen beachtet werden müssen. Insbesondere Insolvenzverwalter sollten sich daher in einschlägigen Fällen mit den zuvor genannten Grundsätzen vertraut machen oder sich über externe Berater absichern.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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