Nachfolgend wird die Einordnung der Umsatzsteuer in der Insolvenz als Masse- oder Insolvenzforderung und die Auswirkung auf die Gläubigerbefriedigung erläutert.
Im Insolvenz(-antrags)verfahren stellt die Behandlung von Umsatzsteuerforderungen einen wesentlich Aspekt dar. Die Umsatzsteuer ist nicht allein deshalb zu beachten, weil die monatlichen Abgabenpflichten und -fristen im eröffneten, aber auch im vorläufigen, Insolvenzverfahren einzuhalten sind, sondern es gibt auch unzählige Entscheidungen der Finanzgerichte, welche Auswirkungen auf einzelne Maßnahmen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters (oder – in der Eigenverwaltung – des Sachwalters) haben. Aus den vielen Sachverhalten, die für die umsatzsteuerliche Beurteilung in der Insolvenz relevant sind, wie z.B. Insolvenzanfechtung, insolvenzrechtliche Aufrechnungsvorschriften, Abschlagszahlungen auf Insolvenzforderungen, Verwertung von Sicherheiten sollen an dieser Stelle lediglich die Korrekturen und Rückkorrekturen nach §17 UStG sowie die Verwertung von Sicherheiten im eröffneten Verfahren beleuchtet werden.
Die Korrekturen und Rückkorrekturen nach § 17 UStG
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Unternehmensvermögen auf den Insolvenzverwalter über.
Die erste Berichtigung
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens werden sämtliche Entgeltforderungen und Entgeltverbindlichkeiten des Unternehmers im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG als uneinbringlich behandelt. Dies führt dazu, dass bei Unternehmern, die der Soll-Besteuerung unterliegen, sämtliche Entgeltverbindlichkeiten und -forderungen auf null zu berichtigen sind. Der BFH begründet dies mit dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter gem. § 80 Abs. 1 InsO: Aus der Sicht des Insolvenzschuldners werden die Entgeltforderungen uneinbringlich, weil die Vereinnahmung fortan Sache des Insolvenzverwalters ist. Wesentliche weitere Frage ist die der Einordnung nach Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung. Eine aus der Berichtigung einer Entgeltverbindlichkeit resultierende Umsatzsteuerschuld ist grundsätzlich eine Insolvenzverbindlichkeit bzw. eine Umsatzsteuer-Forderung eine Insolvenzforderung. Für die Eigenverwaltung gelten dieselben Grundsätze wie für das Regelinsolvenzverfahren. Eine wichtige Ausnahme von diesem Grundsatz stellen im vorläufigen Insolvenzverfahren nach Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters/Sachwalters begründet worden sind. Diese gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten, § 55 Abs. 4 InsO).
Die zweite Berichtigung
Sodann folgt die zweite Berichtigung, die abhängig ist von der Vertragsposition und Leistungsart.
Fällt ein zur Sachleistung verpflichteter Unternehmer vor Vertragserfüllung in Insolvenz, hat das Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters folgende Konsequenzen:
- Wählt er die Vertragserfüllung, gilt: Der Umsatz ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführt. Die Umsatzsteuer ist Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO.
- Wählt er keine Vertragserfüllung, gilt: Die Umsatzsteuer auf diese vorinsolvenzrechtlich erbrachten Leistungen ist Insolvenzverbindlichkeit nach § 38 InsO.
Fällt ein zur Geldleistung verpflichteter Unternehmer vor Vertragserfüllung – Zahlung – in Insolvenz, kann der Insolvenzverwalter im Rahmen der Erfüllungswahl die Begleichung der Forderung gegen den Insolvenzschuldner wählen. Die spätere Erfüllung (Zahlung) durch den Insolvenzverwalter löst eine erneute Berichtigung gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG aus.
Die Verwertung von beweglichen Sachen bei Nichtausübung des Verwertungsrechts: Zweifachumsatz
Macht der Insolvenzverwalter ausnahmsweise nicht von seinem Verwertungsrecht nach § 166 Abs. 1 InsO Gebrauch, sondern veräußert er stattdessen das Sicherungsgut im Namen des Sicherungsnehmers und Gläubigers, liegt ein Doppelumsatz vor. Der Insolvenzverwalter liefert das Sicherungsgut im Zeitpunkt der Verwertung an den Sicherungsnehmer und Gläubiger. Der Sicherungsnehmer/Gläubiger liefert das Sicherungsgut an den Erwerber.
Die Verwertung von beweglichen Sachen bei Ausübung des Verwertungsrechts: Vom Zweifach zum Dreifachumsatz
Verwertet hingegen der Insolvenzverwalter die einem Absonderungsrecht unterliegende bewegliche Sache selbst, so findet ein Dreifachumsatz statt.
Es gilt:
1. Umsatz: Da der Insolvenzverwalter bei der eigentlichen Lieferung des Sicherungsgutes an den Erwerber aufgrund seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 InsO für die Insolvenzmasse handelt, ist diese Lieferung der Insolvenzmasse zuzurechnen. Der Insolvenzverwalter erbringt den Umsatz wie ein Kommissionär für Rechnung des Sicherungsnehmers/Gläubigers, weil durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens Verwertungsreife und die Befugnis des Insolvenzverwalters nach § 166 InsO zur Verwertung von Absonderungsgut eingetreten ist.
2. Umsatz: Der Lieferung an den Erwerber ist über § 3 Abs. 3 UStG eine fiktive Lieferung des Sicherungsnehmers/Gläubigers als Kommittent an die Insolvenzmasse vorgeschaltet. Der Sicherungsnehmer bzw. Gläubiger kann das Sicherungsgut jedoch nur dann an die Insolvenzmasse liefern, wenn er selbst hieran Verfügungsmacht erhalten hat.
3. Umsatz: Dies bedingt, dass die Sicherungsübereignung im Zeitpunkt der Verwertung zu einer Lieferung der Insolvenzmasse an den Sicherungsnehmer/Gläubiger geführt hat.
Andere Regelungen gelten für die Verwertung von unbeweglichen Gegenständen wie Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten. Bei einer freihändigen Veräußerung einer grundpfandrechtsbelasteten Immobilie durch den Insolvenzverwalter aufgrund einer mit dem Grundpfandgläubiger getroffenen Vereinbarung liegt – neben der Lieferung der Immobilie durch die Masse an den Erwerber – eine steuerpflichtige entgeltliche Geschäftsbesorgungsleistung der Masse an den Grundpfandgläubiger vor, wenn der Insolvenzverwalter vom Verwertungserlös einen bestimmten Betrag für die Masse einbehalten darf. Die Illustration der Komplexität im Umsatzsteuerrecht im eröffneten Insolvenzverfahren ließe sich beliebig mit weiteren Beispielen fortsetzen. Es ist daher ratsam, auch vor den Hintergrund von Haftungsrisiken, die Maßnahmen und Handlungen im Insolvenzverfahren vor Ausführung der Maßnahmen umsatzsteuerlich zu bewerten und wenn erforderlich in den Voranmeldungen oder Erklärungen ausreichend zu beschreiben und deren steuerliche Wertung offenzulegen.