4. März 2024
Steuern in Krise und Insolvenz

Rangrücktritt und Forderungsverzicht als Mittel zur Abwendung einer Insolvenz

Durch Rangrücktritt oder Forderungsverzicht kann eine finanzielle Krise überwunden werden. Doch worin liegen Auswirkungen und Unterschiede?

Rangrücktritt und Forderungsverzicht sind Instrumente zur Verhinderung einer Insolvenzlage durch Beseitigung einer (drohenden) Zahlungsfähigkeit (§§ 17, 18 InsO) oder einer (rechnerischen) Überschuldung (§19 InsO). Sie dienen in erster Linie der Beseitigung der bilanziellen Überschuldung, verschaffen aber dem Unternehmen keine neue Liquidität. Vorinsolvenzlich können sie sich auch positiv auf Ratings für Kapitalmarkt oder klassischer Fremdkapitalaufnahme auswirken.

Rangrücktritt und Forderungsverzicht als vorinsolvenzliche Kriseninstrumente 

Rangrücktritt und Forderungsverzicht kommen am häufigsten im Zusammenhang mit Gesellschafter- oder Konzernfinanzierungen vor. Im Rahmen von umfassenden Sanierungsmaßnahmen ist ein Forderungsverzicht sowohl durch Gesellschafter als auch durch Drittgläubiger (Banken, Lieferanten und Kunden) gängige Praxis. Ein Forderungsverzicht durch Drittgläubiger erfolgt oftmals nicht bedingungslos, sondern ist in vielen Fällen mit Besserungsabreden verbunden, die ein späteres Aufleben der Forderung unter bestimmten Bedingungen vorsieht. 

Als weiteres Mittel zur Abwendung der Insolvenz kommen vereinzelt auch Patronatserklärungen zum Einsatz. Diese dienen zwar primär der Gläubigerabsicherung bzgl. der Erfüllung von Leistungszusagen aus Kredit- oder Lieferantenbeziehungen mittels Herstellung oder Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des patronierten Unternehmens. Sie können bei einer (internen) harten Patronatserklärung auch der Abwendung der Insolvenz dienen, wenn die patronierte Gesellschaft einen werthaltigen und durchsetzbaren Zahlungsanspruch gegenüber dem Patron ableiten kann.

Abhängig von der konkreten Situation kommen in der Praxis auch ein Tausch der ausfallgefährdeten Forderung in eine mit Stimmrechten ausgestattete Kapitalbeteiligung oder stimmrechtslose beteiligungsähnliche Beteiligung (Debt-Equity-Swap) bzw. die Zusatzvereinbarung zur Teilhabe an künftigen positiven Entwicklungen in Form eines späteren Wandlungsrechts, einer partiarischen Komponente oder eines Equity-Kickers in Betracht.

Rangrücktritt führt zur Nichtberücksichtigung der Forderung in Überschuldungsbilanz und Nachrang im Insolvenzverfahren

Das mildeste Mittel zur Insolvenzvermeidung und der geringste Eingriff in bestehende Strukturen ist eine Abrede zwischen Gläubiger und Schuldner über einen Rangrücktritt der Gläubigerforderung. Der Gläubiger erklärt sich damit einverstanden, dass seine Forderung im Insolvenzfall nachrangig – also erst nach den Forderungen der übrigen Gläubiger – befriedigt wird. Als Vertrag zugunsten der Gläubigergesamtheit kann die Vereinbarung später nicht mehr allein durch Gläubiger und Schuldner aufgehoben werden. 

Auswirkungen hat ein solcher Rangrücktritt an zwei Stellen: Zum einen wird die Forderung in einer Überschuldungsbilanz nach § 19 InsO nicht berücksichtigt, stellt also bilanziell keine Verbindlichkeit des Schuldners mehr dar. So kann eine Insolvenz bereits vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfolgreich beseitigt werden. Damit ein solcher Rangrücktritt eine Überschuldung verhindern oder beseitigen kann, müssen nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 05.03.2015 – IX ZR 133/14) gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Insbesondere muss in der Vereinbarung deutlich werden, dass der Gläubiger keine Befriedigung seiner Forderung wünscht, solange die finanzielle Schieflage des Schuldners andauert. Zur nachhaltigen Vermeidung einer Insolvenzreife verlangt die Rechtsprechung also zusätzlich noch die Vereinbarung einer vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre, wonach das Nachrangdarlehen auch außerhalb der Insolvenz nur insoweit zurückgefordert werden darf, wie durch die Rückzahlung keine Insolvenzreife im Sinne der §§ 17-19 InsO ausgelöst wird. Nur in diesem Fall besteht keine Notwendigkeit mehr, die Forderung in den Schuldenstatus des Schuldners aufzunehmen und sie bleibt bei der Insolvenzprüfung unberücksichtigt.

Zum anderen hat ein Rangrücktritt Folgen, sofern trotz Sanierungsbemühungen ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Der Gläubiger, der einen Rangrücktritt vereinbart hat, wird im Insolvenzverfahren erst nachrangig, also nach den Insolvenzgläubigern gemäß § 38 InsO sowie § 39 Abs. 1 InsO, befriedigt. Die Forderung fällt also im Gegensatz zum Forderungsverzicht nicht weg, sondern wird auf den letzten Nachrang des § 39 Abs. 2 InsO „herabgestuft“. Eine Zahlung erhält der Gläubiger deswegen nur, sofern sämtliche übrigen Insolvenzgläubiger hundertprozentige Befriedigung erlangt haben. Innerhalb des letzten Ranges ist es außerdem möglich, Unterränge zu bilden. Erklären also mehrere Gläubiger einen Nachrang, so kann vereinbart werden, dass bei einem Überschuss nach Befriedigung sämtlicher vorrangiger Gläubiger ein Nachranggläubiger vor einem anderen Nachranggläubiger befriedigt wird.

Steuerliche Passivierung beim Rangrücktritt: Auf die konkrete Formulierung kommt es an

Grundsätzlich hat nach geltendem Handelsrecht die Passivierung von Verbindlichkeiten in der Handelsbilanz zu erfolgen, wenn eine wirtschaftliche Belastung des Schuldners gegeben ist. Entsprechendes gilt grundsätzlich für die Steuerbilanz.

Gleichwohl waren die Auswirkungen eines Rangrücktritts auf die Handels- und Steuerbilanz in der Praxis lange umstritten. Mit seiner Entscheidung vom 19.08.2020 hat der Bundesfinanzhof (BFH) Licht ins Dunkle gebracht. Der Bestand der Verbindlichkeit wird durch einen erklärten Rangrücktritt nicht berührt, womit diese rechtlich „vollwertig“ bestehen bleibt. Die Verpflichtung des Schuldners, die Forderung zu begleichen, besteht unter Beachtung der in der Rangrücktrittsvereinbarung getroffenen Beschränkungen weiterhin fort. Mit Verweis auf das handelsrechtliche Vorsichtsgebot und die noch fortbestehende wirtschaftliche Belastung, welche auch bei nicht zu erwartender Verbesserung der Vermögenslage anzunehmen ist, wird die Verbindlichkeit weiterhin in der Handelsbilanz aufzuführen sein. 

Nach dem in § 5 Abs. 1 EStG verankerten Maßgeblichkeitsgrundsatzes gilt die festgestellte handelsrechtliche Passivierungspflicht auch für die Steuerbilanz. Damit ist die Verbindlichkeit grundsätzlich auch in der Steuerbilanz aufzuführen. Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes könnte für die Nachrangverbindlichkeit dann gelten, wenn das Passivierungsverbot aus § 5 Abs. 2a EStG zur Anwendung gelangt. Verbindlichkeiten, welche nur mit zukünftigen Einnahmen oder Gewinnen zu erfüllen sind, dürfen § 5 Abs. 2a EStG zu Folge erst dann angesetzt werden, wenn diese Einnahmen und Gewinne auch realisiert wurden. Um dieses steuerrechtliche Passivierungsverbot zu umgehen, ist eine präzise und genaue Formulierung von maßgeblicher Bedeutung. Laut BFH löst die Rangrücktrittsvereinbarung dann kein Passivierungsverbot nach § 5 Abs. 2a EStG aus, wenn die Verbindlichkeit nicht nur aus zukünftigen Einnahmen oder Gewinnen zu tilgen ist, sondern auch aus dem sonstigen freien Vermögen. Nicht von entscheidender Bedeutung ist es dabei, ob dieses freie Vermögen zur Zeit des Bilanzstichtags tatsächlich vorhanden ist oder die konkrete Möglichkeit besteht, dass dieses in Zukunft geschaffen wird. Wird bei der Formulierung der Rangrücktrittserklärung auch die Tilgung aus sonstigem freiem Vermögen aufgenommen, ist das Passivierungsverbot aus § 5 Abs. 2a EStG nicht einschlägig. Die Verbindlichkeit ist damit in der Steuerbilanz des Schuldners mit dem entsprechenden Nennwert anzusetzen. 

Durch Forderungsverzicht erlischt die Forderung des Gläubigers, meist aber nur vorübergehend

Eine Möglichkeit zur Abwendung der Insolvenz und der einfachste Weg der Kapitalstärkung ist der Forderungsverzicht. Rechtlich vollzieht er sich durch Erlassvertrag (§ 397 BGB), also durch Einigung zwischen Gläubiger und Schuldner. Infolge eines solchen Erlassvertrags erlöschen die von der Abrede erfassten Forderungen und werden dementsprechend auch in einer Überschuldungsbilanz nach § 19 InsO nicht mehr als Verbindlichkeiten des Schuldners berücksichtigt. Auch eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO und § 18 InsO fällt durch die Beseitigung der dort genannten schuldnerischen „Zahlungspflichten“ weg. Im Konzernfall wird die Forderung statt eines Verzichts auszusprechen oftmals auch schlicht eingelegt, was zu einer Konfusion von Forderung und Verbindlichkeit führt und identische Auswirkungen hat. Etwas aufwendigere Alternativen wären der einlagenfinanzierte Darlehensrückzahlung oder die Schuldenübernahme mit Regressverzicht (Debt Push-up).

Da der Verzicht auf die Forderung für den Gläubiger einen kompensationslosen Vermögensverlust bedeutet, ist in der Praxis ein sogenannter Forderungsverzicht mit Besserungsschein bzw. -Besserungsabrede häufig anzutreffen. Der Forderungsverzicht steht in diesem Fall unter einer auflösenden Bedingung. Sofern und soweit der Schuldner sich finanziell wieder erholt und auch wieder liquide ist, lebt die Forderung wieder auf. Der Schuldner muss diese Verbindlichkeit aus den nun (wieder) vorhandenen finanziellen Mitteln begleichen. Ähnlich den Möglichkeiten bei der Vereinbarung eines qualifizierten Nachranges (s.o,) kann bei einem konzertieren Verzichtsaktion durch eine Gruppe von Gläubigern das Aufleben der Forderungen grds. frei gestaltet werden und einzelne Gläubigergruppen Vorrang bei dem Wiederaufleben eingeräumt werden (Wasserfalllösung), etwa um aufgelöste Sicherheiten entsprechend abzubilden oder künftige Leistungs- und Finanzierungsbeiträge entsprechend zu würdigen.

Erfolgswirksame Ausbuchung beim Forderungsverzicht

Für einen Forderungsverzicht gilt, dass dieser mit wirksamer Vereinbarung zum sofortigen zivilrechtlichen Erlöschen des Anspruchs führt. Dies hat zur Folge, dass die Verbindlichkeit ausgebucht werden muss, die Passivierungspflicht entfällt und ein außerordentlicher Ertrag festzustellen ist. Dieser außerordentliche Ertrag ist grundsätzlich steuerwirksam und kann mit laufenden steuerlichen Verlusten und steuerlichen Verlustvorträgen verrechnet werden. Eine Verrechnung mit steuerlichen Verlustvorträgen ist allerdings lediglich zu EUR 1 Mio. unbeschränkt und darüber hinaus im Rahmen der Mindestbesteuerung nur i.H.v. 60% des nicht verrechneten Ertrags aus dem Schulderlass möglich, was zu einer effektiven Steuerbelastung von rd. 12% führt. Übersteigt die Forderung EUR 1 Mio, besteht aber ein höherer Verlustvortrag, so kommt eine Verteilung des Forderungsverzichts über mehrere Jahre in Betracht.

Sofern der Gläubiger zugleich auch Gesellschafter des Schuldners ist (bzw. eine nahestehende Person), ist für steuerliche Zwecke von einer Einlage der Forderung auszugehen, wobei die Einlage mit dem Teilwert der Forderung bewertet wird. In Höhe der fehlenden Werthaltigkeit der verzichteten (d.h. fingiert eingelegten) Forderung entsteht steuerwirksamer Ertrag beim Schuldner.

Etwas anderes gilt steuerlich jedoch dann, wenn der Ertrag aus einem Schulderlass im Rahmen einer unternehmensbezogenen Sanierung erfolgt, wenn der Schuldner gegenüber dem Finanzamt die Sanierungsbedürftigkeit und die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung und betriebliche Begründetheit des Schulderlasses sowie die Sanierungsabsicht der Gläubiger nachweisen kann (§§ 3a EStG, 7b GewStG). Grundlage hierfür ist i.d.R. ein qualifiziertes Sanierungsgutachtens (IDW S 6). Aus steuerlicher Sicht bietet sich für ein höhere Rechtssicherheit die vorherige Einholung einer verbindlichen Auskunft oder die Absicherung mittels einer Steuerversicherung an.

Die vorgenannten Grundsätze gelten allgemein auch für die Fälle eines Forderungsverzichts mit Besserungsschein bzw. -abrede. Korrespondierend hierzu ist die Verbindlichkeit im Besserungsfall wieder aufwandswirksam einzubuchen. Entsprechend ist auch von steuerwirksamem Aufwand auszugehen, vorausgesetzt, dass die vorherige Ausbuchung gleichfalls zu steuerwirksamem Ertrag hat.

Anwendung auf den konkreten Einzelfall

Für den Einzelfall ist sorgfältig abzuwägen, welches der Sanierungsmittel und in welcher Ausgestaltung zur Beseitigung der konkreten Krisensituation am besten geeinigt ist. So bietet sich ein qualifizierter Rangrücktritt an, wenn keine hinreichenden Verlustvorträge bestehen und man einen steuerbaren Sanierungsgewinn vermeiden möchte. Der Forderungsverzicht kann sich wegen der Stärkung des bilanziellen Eigenkapitals anbieten, wenn die steuerlichen Nachteile abgefedert werden können.

Ein besonderes Augenmerk liegt also auf der vertraglichen Ausgestaltung und der begleitenden Prüfung der steuerlichen Auswirkungen. Insofern kommt einer disziplinübergreifenden Betrachtung von sowohl den restrukturierungsrechtlichen als auch den steuerlichen Aspekten eine besondere Bedeutung zu.

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