9. Januar 2025
Klimatransformationsplan
Corporate Governance & Risk Compliance (ESG)

Der Klimatransformationsplan nach Art. 22 CSDDD

Der Klimatransformationsplan als neues Klimaschutzinstrument schafft für die Geschäftsleitung großer Unternehmen vielfältigen Handlungsbedarf.

Mittlerweile dürfte sich herumgesprochen haben, dass die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) das europäische Pendant zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ist. Über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser beiden Rechtsakte, die die Geschäftsleitung für ihr Lieferketten-Management im Blick haben sollte, wurde in dieser Blog-Reihe bereits berichtet.

Weniger Beachtung fand bislang der Klimatransformationsplan nach Art. 22 CSDDD, der im LkSG keine Entsprechung hat. Dabei sind Planungen von Unternehmen, um ihre Treibhausgasemissionen zu verringern und letztlich auf „netto Null“ zu bringen, seit dem Übereinkommen von Paris gerade bei Großunternehmen längst üblich und zwingend erforderlich, wenn die oft ehrgeizigen Klima Pledges eingehalten werden und die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft gelingen soll. Meist sind diese Planungen jedoch noch freiwilliger Natur und unterscheiden sich demzufolge deutlich voneinander, sei es in ihren Ambitionen, ihrer Detailtiefe oder den abgedeckten Inhalten. Dies wird sich durch die neuen Berichtspflichten nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die in Deutschland nach dem Ampel-Aus indes weiterhin ihrer Umsetzung harrt, bereits für viele Unternehmen ändern. Art. 22 CSDDD geht über die Reporting-Pflichten der CSRD jedoch konzeptionell noch einmal hinaus und bewirkt für die Geschäftsleitung großer Unternehmen einen ganz anderen Handlungsdruck. 

Unmittelbar nur große Unternehmen betroffen

Unmittelbar betroffen sind von der CSDDD dabei nur (sehr) große Unternehmen: Die Richtlinie gilt – umfassend ab Juli 2029, für die ersten Unternehmen ab Juli 2027 – für EU-Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und einem jährlichen Nettoumsatz von mehr als EUR 450 Millionen. Bei ausländischen Unternehmen ist entscheidend, ob der Nettoumsatz in der Europäischen Union erzielt wurde. Auch Unternehmen des Finanzsektors sind erfasst. Kleinere Unternehmen fallen nicht in den Anwendungsbereich. Zum Vergleich: Für die Anwendbarkeit der CSRD genügt es bereits, wenn die Bilanzsumme mindestens EUR 25 Mio. und die Nettoumsatzerlöse mindestens EUR 50 Mio. betragen, wobei bei mindestens 250 Beschäftigten nur eines der vorigen Kriterien erfüllt sein muss. Allerdings steht zu erwarten, dass die durch Art. 22 CSDDD verstärkten Dekarbonisierungsanstrengungen der Großunternehmen auch auf kleinere Marktteilnehmer abstrahlen werden. 

Was ist ein Klimatransformationsplan?

Der Klimatransformationsplan, der in der deutschen Fassung der CSDDD „Plan zur Minderung der Folgen des Klimawandels“ heißt, soll das Geschäftsmodell und die Strategie des Unternehmens mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C in Einklang zu bringen. Dabei wird ausdrücklich auf das Übereinkommen von Paris und auf das Europäische Klimagesetz (Verordnung (EU) 2021/1119) Bezug genommen. Das Ziel der EU, bis 2050 klimaneutral zu werden, wird damit ausdrücklich auf die adressierten Unternehmen der Privatwirtschaft erstreckt. Für die deutsche Umsetzung hat sich der 74. Deutsche Juristentag 2024 dafür ausgesprochen, im Einklang mit dem Bundesklimaschutzgesetz die Erreichung von Klimaneutralität bis 2045 vorzuschreiben. 

Der Plan muss Folgendes enthalten:

  • Zwischenziele für 2030 und in Fünfjahresschritten bis 2050: Diese müssen auf schlüssigen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, das heißt auf Erkenntnissen, die von unabhängigen Wissenschaftlern bestätigt wurden und die mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C gemäß der Definition des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) vereinbar sind. Zudem müssen sie die Empfehlungen des Europäischen Wissenschaftlichen Beirats zum Klimawandel (European Scientific Advisory Board on Climate Change) berücksichtigen. Soweit zweckmäßig, müssen die Unternehmen darüber hinaus auch absolute Treibhausgasemissionsreduktionsziele vorsehen und dabei grundsätzlich jeweils Scope-1-, Scope-2- und Scope-3-Treibhausgasemissionen einbeziehen; 
  • eine Beschreibung, mit welchen Faktoren und Maßnahmen die Dekarbonisierung erreicht werden soll, wobei gegebenenfalls auch die Änderungen des Produkt- und Dienstleistungsportfolios und die einzuführenden neuen Technologien zu erläutern sind; in Betracht kommen etwa konkrete Maßnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs, zur Elektrifizierung, zur Änderung des Produktdesigns oder zur Dekarbonisierung der Lieferkette;
  • eine quantifizierte Erläuterung der Investitionen und Finanzmittel, mit denen der Plan umgesetzt werden soll; und 
  • eine Beschreibung, welche Rolle die Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane bei der Aufstellung und Umsetzung des Plans jeweils spielen. 

Außerdem ist anzugeben, inwieweit das Unternehmen an Tätigkeiten in Verbindung mit Kohle, Öl und Gas beteiligt ist. Zur Konkretisierung dieser Anforderungen kann weitgehend auf die Erläuterungen im delegierten Rechtsakt ESRS E1 zurückgegriffen werden. 

Klimatransformationspläne, die Unternehmen im Einklang mit der CSRD vorlegen, werden für die Zwecke von Art. 22 CSDDD anerkannt. Unternehmen, die im Klimatransformationsplan ihres Mutterunternehmens enthalten sind, brauchen keinen eigenen Klimatransformationsplan zu erstellen. 

Schließlich verlangt Art. 22 Abs. 3 CSDDD, den Klimatransformationsplan jährlich zu aktualisieren und die Fortschritte bei der Erreichung der festgelegten Ziele zu dokumentieren. 

Keine Erfolgspflicht, aber hohe Anforderungen an die Anstrengungen zur Zielerreichung

Um einen Klimatransformationsplan aufzustellen, der den Anforderungen der CSDDD genügt, ist also eine intensive Beschäftigung mit den Klimaauswirkungen des eigenen Unternehmens erforderlich. Wie bereits zur Erfüllung der Reportingpflichten nach der CSRD sind zwingend eine umfassende Datenerhebung und der Aufbau eines ESG-Management-Systems mit in jeder Hinsicht erheblichen Ressourcen – insbesondere einem qualifizierten Team – erforderlich.

Mit dem Reporting – schon für sich genommen eine erhebliche Herausforderung – ist es indes nicht getan. Denn es genügt nicht, zu berichten, wo man als Unternehmen gerade steht. Vielmehr ist es zwingend erforderlich, einen realistischen Weg hin zur Klimaneutralität (grundsätzlich einschließlich Scope-3-Emissionen!) zu entwickeln. 

Dies wird in den meisten Fällen erhebliche Änderungen der Unternehmensstrategie und der Geschäftstätigkeit mit sich bringen. Handlungsdruck entsteht so für nahezu sämtliche Abteilungen: In erster Linie ist das Business gefordert, die Produkte und Dienstleistungen klimaneutral auszugestalten. Ausdrücklich in Art. 22 CSDDD angesprochen ist darüber hinaus die Unternehmensfinanzierung. Speziell aus Sicht der Rechtsabteilung werden die Verträge mit Lieferanten, Dienstleistern und – mit Blick auf die Scope-3-Emissionen – gegebenenfalls auch die Verträge mit den Kunden so anzupassen sein, dass die Treibhausgasemissionen erfasst und reduziert werden. Naheliegenderweise werden auch die internen Vergütungssysteme um entsprechende Anreize zu ergänzen sein, auch wenn der finale Richtlinientext dies nicht ausdrücklich vorschreibt. Außerdem sind die Verantwortlichkeiten, die im Plan beschrieben werden müssen, zunächst intern klar zu definieren. Beispielsweise sollte eindeutig geregelt sein, dass die Geschäftsleitung (ggf. mit Zustimmung des Aufsichtsrats) für die „Annahme“ (gemeint ist die Verabschiedung) des Klimatransformationsplans zuständig sind. 

Mit dem Reporting ist es außerdem – anders als nach der CSRD – deshalb nicht getan, weil Art. 22 CSDDD nicht nur fordert, dass ein Klimatransformationsplan verabschiedet wird, sondern auch, dass dieser umgesetzt wird. Hierbei handelt es sich zwar nicht um eine Erfolgspflicht, wie Erwägungsgrund 73 klarstellt. Geschuldet sind jedoch „best efforts“ der Unternehmen bzw. in der deutschen Fassung „alles in ihrer Macht stehende“. Nur wo besondere Umstände es nicht länger sinnvoll erscheinen lassen, die selbst gesteckten Ziele einzuhalten, darf von diesen abgewichen werden. Dies lässt zwar Auslegungsspielraum zu; da der Plan umfassend und konkret zu sein hat, muss es sich jedoch wohl um Umstände handeln, die von außen auf das Unternehmen einwirken und entweder unvorhersehbar waren oder doch jedenfalls mit guten Gründen bei der Planung unberücksichtigt geblieben sind. Finanzielle Nachteile für das Unternehmen sind jedenfalls grundsätzlich kein Rechtfertigungsgrund. Unternehmen sind also gut beraten, ihren Pfad zur Klimaneutralität sehr ernsthaft zu planen und diese Planung dann auch umzusetzen. 

Grundsätzlich keine zivilrechtliche Haftung, aber Bußgelder möglich

Damit ist die Frage nach den Sanktionen bei einem Verstoß gegen die Pflichten aus Art. 22 CSDDD aufgeworfen. Eine zivilrechtliche Haftung nach Art. 29 CSDDD ist nicht vorgesehen. In Betracht kommen jedoch hohe Bußgelder (bis zu 5 % des weltweiten Nettoumsatzes). Da die Aufsichtsbehörden verpflichtet sind, die Erfüllung der Pflichten nach Art. 22 CSDDD zu beaufsichtigen, ist mit der Verhängung von Bußgeldern, aber auch mit der Anordnung zur Vorlage und Umsetzung eines ordnungsgemäßen Klimatransformationsplans, auch in der Praxis zu rechnen. Ergänzend sind ein Naming and Shaming sowie die Berücksichtigung von Verstößen bei öffentlich-rechtlichen Vergabeentscheidungen vorgesehen.

Umsetzung rechtzeitig beginnen und weitere Entwicklungen im Blick behalten

In Summe ist die Durchschlagskraft der neuen Klimatransformationspläne nach Art. 22 CSDDD kaum zu überschätzen. Für die betroffenen Unternehmen und speziell für ihre Geschäftsleitung bedeutet dies erhebliche zusätzliche Pflichten, die weit über klassische Compliance hinausgehen und auch mit Risiken verbunden sind. Diese zusätzlichen Pflichten schränken den bisherigen Handlungsspielraum der Unternehmensleitung im Hinblick auf eine nachhaltige Unternehmensführung insofern ein, als die Umsetzung der vorgenannten Maßnahmen nunmehr vollständig im Rahmen der Legalitätspflicht durchgesetzt werden muss. Die Umsetzung dieser Nachhaltigkeitsaspekte liegt damit nicht mehr im unternehmerischen Ermessen.

Dessen ungeachtet ist dieses neue Instrument im Grundsatz nur konsequent und zu begrüßen. Für die Unternehmen bietet es auch die Chance, frühzeitig und strukturiert die ohnehin notwendige Transformation anzugehen und ihr Geschäftsmodell damit zukunftsfähig zu machen. 

Die Geschäftsleitungen großer Unternehmen sollten frühzeitig mit der Umsetzung der neuen Vorgaben beginnen. Auch kleinere Unternehmen sollten sich damit beschäftigen, da sie mittelbar über die Großunternehmen gezwungen werden könnten, sich schnell zu dekarbonisieren und über den Stand ihrer Bemühungen detailliert zu berichten. Dabei ist allerdings auch die weitere Entwicklung im Blick zu behalten: Auf europäischer Ebene ist nicht auszuschließen, dass die Vorgaben im Zuge des von der Kommission angekündigten Omnibus-Rechtsakts zur Zusammenfassung und Verringerung von nachhaltigkeitsbezogenen Berichtspflichten sowie aufgrund des zunehmenden Drucks aus einigen Mitgliedstaaten noch verändert werden. Auch die Veröffentlichungen der EU-Beratergruppe EFRAG sollte man verfolgen. Diese hatte kürzlich im Entwurf für eine Anleitung zur Erstellung von Klimatransformationsplänen in Aussicht gestellt, dass diese nicht zwingend im Einklang mit einer Begrenzung auf 1,5°C stehen müssten, dafür aber auch umgehend Kritik erfahren. Schließlich bedarf die CSDDD noch der Umsetzung ins nationale Recht (bis Juli 2026). Ob dabei etwa die erwähnte Anregung des Deutschen Juristentags, Klimaneutralität bereits bis 2045 zu verlangen, umgesetzt wird, ist noch offen. 

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