Bundesregierung legt Entwurf eines Gesetzes zu Herkunftsnachweisen für Gas, Wasserstoff, Wärme und Kälte aus erneuerbaren Energiequellen vor.
Der am 13. September 2022 im Bundeskabinett beschlossene Entwurf eines Artikelgesetzes (BR-Drs. 462/22 vom 16. September 2022) enthält in Art. 1 das Herkunftsnachweisregistergesetz (HKNRG), mit dem die Basis für die Schaffung eines Herkunftsnachweisregisters (Register) für Gas, Wasserstoff, Wärme und Kälte aus erneuerbaren Energien gelegt wird. Mit dem HKNRG kommt die Bundesrepublik ihrer Umsetzungsverpflichtung aus Art. 19 der Richtlinie (EU) 2018/2001 (RED II) nach.
Für Strom aus erneuerbaren Energien gibt es bereits ein solches Register beim Umweltbundesamt. In dem Register werden die Ausstellung, Übertragung und Entwertung von Herkunftsnachweisen dokumentiert. Es dient der Transparenz und dem Verbraucherschutz.
Herkunftsnachweise dienen nur dem Nachweis der Eigenschaft als erneuerbare Energie
Der Vorgabe aus Art. 19 Abs. 2 RED II folgend dient der Herkunftsnachweis gegenüber dem Endkunden* als Nachweis darüber, dass ein bestimmter Anteil oder eine bestimmte Menge der an ihn gelieferten Energie aus erneuerbaren Quellen hergestellt wurde. Laut Gesetzesbegründung ist eine Verwendung im Rahmen von Anrechnungs-, Quoten- oder Förderinstrumenten für gasförmige Energieträger nicht Gegenstand des HKNRG.
§ 3 Abs. 4 sieht vor, dass die Ausstellung von Herkunftsnachweisen ausgeschlossen ist, sofern die Herkunft aus erneuerbaren Quellen in einem gesonderten Verfahren für eine mengenmäßige Zielanrechnung oder eine mengenbezogene Förderung nachzuweisen ist. Soweit durch entsprechende Verordnung des BMWK auf Basis von § 4 Abs. 1 Nr. 11 vorgesehen, können das Herkunftsnachweiseregister und das Zertifizierungsregister für die Anrechnung im Rahmen von Quoten- und Fördersystemen immerhin in einer gemeinsamen Datenbank, jedoch getrennt voneinander, geführt werden, um Synergien bei der Datenverarbeitung zu erzielen.
Anwendungsbereich kann auf dekarbonisierte Gase ausgeweitet werden
Das Gesetz sieht (neben einem Register für Herkunft von Wärme und Kälte) die Einführung des Registers für gasförmige Energieträger vor. Es handelt sich dabei um biogene Gase sowie um grünen Wasserstoff, der unter Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Eine nähere Definition bleibt dem BMWK gem. § 4 Abs. 1 Nr. 1 durch eine entsprechende Verordnungsermächtigung vorbehalten. Synthetisches Methan, das durch wasserelektrolytisch hergestellten Wasserstoff und anschließende Methanisierung hergestellt worden ist, soll nach der Gesetzesbegründung als berechtigter Energieträger erst bestimmt werden, wenn die qualifizierenden Kriterien, insbesondere bezüglich der Kohlenstoffquelle, vorliegen.
Ebenfalls durch Verordnung kann das BMWK gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 dekarbonisierten Wasserstoff auf der Basis von Erdgas in den Anwendungsbereich der Herkunftsnachweise für gasförmige Energieträger einbeziehen und damit den Anwendungsbereich vergrößern. Dadurch soll es ermöglicht werden, das Herkunftsnachweissystem für Wasserstoff zu öffnen, bei dem der Kohlenstoff abgeschieden und dauerhaft klimaneutral gespeichert wird (sog. blauer Wasserstoff bei Herstellung aus Erdgas).
Das Nachweisverfahren für gasförmige Energieträger sieht Beschränkungen vor
§ 3 Abs. 1 Nr. 3 regelt, dass die Herkunftsnachweise für gasförmige Energieträger auf Antrag in einer elektronischen Datenbank geführt werden, in der ihre Ausstellung, Übertragung und Entwertung registriert werden. Die Möglichkeit der Anerkennung von Herkunftsnachweisen aus anderen Staaten ist in § 3 Abs. 3 vom Grundsatz her angelegt. Das BMWK kann die für die Anerkennung erforderlichen Voraussetzungen und das Verfahren in einer Verordnung festlegen.
Die Ausstellung der Herkunftsnachweise erfolgt gem. § 3 Abs. 4 pro erzeugter und an Letztverbraucher gelieferter Gasmenge von einer Megawattstunde. Der Vorgabe aus Art. 19 Abs. 2 RED II folgend darf für jede Einheit produzierter Energie nur ein Herkunftsnachweis ausgestellt werden.
Bei strombasierten Gasen ist gem. § 3 Abs. 5 für die Ausstellung von Herkunftsnachweisen auf den Nachweis erneuerbar erzeugten Stroms abzustellen. Bei netzbezogenem Strom müssen die Stromherkunftsnachweise im Herkunftsnachweisregister nach § 79 EEG entwertet worden sein. Daraus folgt, dass für einen strombasierten gasförmigen Energieträger die Ausstellung ausgeschlossen ist, wenn für den zur Gaserzeugung verbrauchten Strom eine Förderung nach § 19 oder § 50 EEG in Anspruch genommen wurde. Auf diese Weise werden Doppelzählungen erneuerbaren Stroms vermieden. Bei einer Verbindung der Gaserzeugungsanlage mit der Stromerzeugungsanlage per Direktleitung ist der Nachweis anderweitig zu führen.
Nach § 3 Abs. 6 dürfen für Lieferungen von Wasserstoff nur Wasserstoff-Herkunftsnachweise entwertet werden. Damit wird zwischen der nachweisfähigen Lieferung über reine Wasserstoffnetze und der Beimischung in das Gasnetz differenziert. Die Gesetzesbegründung führt insoweit an, hiermit werde dem Umstand Rechnung getragen, dass die Lieferung reinen Wasserstoffs nicht über das normale Gasnetz erfolge, sondern über einen getrennten Vertriebsweg.
Beschränkter Anwendungsbereich auch im Bereich Wärme und Kälte
§ 5 Abs. 1 Nr. 1 beschränkt den Anwendungsbereich auf die Lieferung von Wärme und Kälte, die auf der Grundlage vertraglicher Verpflichtungen durch ein Versorgungsunternehmen oder einen Contractor erfolgt. Laut der Gesetzesbegründung folgt dies aus Art. 19 RED II. Damit sind Mieter- und Vermieterkonstellationen, in denen die Mieter aus einer im Gebäude befindlichen und im Eigentum des Vermieters stehenden Wärme- oder Kälteerzeugungsanlage mit thermischer Energie versorgt werden, zunächst nicht umfasst. Mangels Lieferung dürften Herkunftsnachweise auch in Eigenversorgungssachverhalten ausgeschlossen sein.
Wie bei strombasierten Gasen auch müssen gem. § 5 Abs. 4 bei netzbezogenem Strombezug die Stromherkunftsnachweise im Herkunftsnachweisregister nach § 79 EEG entwertet worden sein. Eine Ausstellung ist damit ausgeschlossen, wenn für den zur Wärme- oder Kälteerzeugung verbrauchten Strom eine Förderung nach § 19 oder § 50 EEG in Anspruch genommen wird.
Eine weitere Möglichkeit zur Beschränkung des Anwendungsbereichs fand sich im Referentenentwurf in Form einer Verordnungsermächtigung des BMWK in § 6 Abs. 1 Nr. 10. Danach konnte festgelegt werden, dass in den Fällen, in denen z.B. für die Förderung von Effizienzmaßnahmen eine Wärmekennzeichnung vorzulegen ist, der Verbraucher nachweisen muss, dass die Kälte oder Wärme, für die ein Herkunftsnachweis ausgestellt wird, aus einer neuen Erzeugungsanlage stammt. Eine Erzeugungsanlage galt danach als neu, wenn die in ihr erzeugte Energie bislang nicht an Endverbraucher geliefert wurde. Auf diese Weise wären Bestandsanlagen vom Anwendungsbereich ausgeschlossen gewesen. Diese Vorschrift wurde im Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht übernommen und durch die differenziertere Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 12 ersetzt, die bestehende Anlagen grds. erfasst.
Erneuerbare Gase: HKNRG nur ein erster Schritt
Das HKNRG kann ausweislich seines beschränkten Anwendungsbereichs allenfalls als Startpunkt für die Etablierung eines geeigneten Ordnungsrahmens für den Markthochlauf erneuerbarer Gase angesehen werden. So spricht auch die Gesetzesbegründung davon, dass es sich um ein Stammgesetz zur Schaffung der Grundlagen für die Einrichtung von Registern für Herkunftsnachweise aus gasförmigen Energiequellen sowie für Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energiequellen handele. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzentwurf der Umsetzung der Vorgaben der RED II dient, die bereits Mitte 2021 in nationales Recht umzusetzen war. Die Vermutung, dass die Bundesregierung den Gesetzentwurf für besonders eilbedürftig erklärt hat, weil sie sich vor dem Hintergrund laufender Vertragsverletzungsverfahren nicht dem Risiko weiterer Verfahren aussetzen wollte, dürfte nicht von der Hand zu weisen sein. Hierauf deutet auch die überaus kurz bemessene Frist für Stellungnahmen im Rahmen der Verbändeanhörung hin.
Der Gesetzentwurf fällt in eine Zeit grundlegender Änderungen und Fortentwicklungen der rechtlichen Rahmenbedingungen durch die Klimaschutzpolitik. In dem für das HKNRG relevanten Bereich stehen insbesondere die Überarbeitung der RED II als wichtigem Baustein des „Fit for 55“-Pakets sowie der Erlass der 4. Gasrichtlinie an, die erheblichen Einfluss auf die Rahmenbedingungen für erneuerbare Gase haben werden. Allerdings ist mit ihrer Verabschiedung in allernächster Zeit nicht zu rechnen.
Die Bundesregierung stand daher vor der Wahl, hierauf zu warten und RED II weiterhin nicht umzusetzen oder trotz absehbarer unionsrechtlicher Fortentwicklung einen ersten Schritt zu gehen. Sie hat den zweiten Weg gewählt und hierbei davon Abstand genommen, über die Umsetzung von Art. 19 Abs. 2 RED II hinaus Regelungen im Vorgriff auf die zu erwartenden europäischen Vorgaben zu erlassen. Es ist davon auszugehen, dass sich nach der unionsrechtlichen Klärung Anpassungsbedarf im HKNRG ergeben wird.
Dass der Gesetzentwurf wichtige Festlegungen per Verordnungsermächtigung dem BMWK überlässt, anstatt sie selbst zu treffen, kann mit der Eilbedürftigkeit in Zusammenhang stehen, ist möglicherweise aber auch Ausdruck einer Offenheit gegenüber der bevorstehenden unionsrechtlichen Neujustierung.
Gestaltungsspielraum allenfalls teilweise genutzt
Relativ kurz gesprungen ist der Gesetzentwurf mit der vorgeschlagenen Ausgestaltung von Herkunftsnachweisen. Diese dienen lediglich dem Nachweis des Vorliegens von Gas, Wasserstoff, Wärme und Kälte aus erneuerbaren Energiequellen. Weitergehende Bedeutung etwa i.S.e. Nachweises der Eigenschaft als erneuerbare Energie im Rahmen einer mengenmäßigen Zielanrechnung oder einer mengenbezogenen Förderung kommt ihnen nicht zu. Dieser wichtige Grundstein für den Markthochlauf von erneuerbaren und dekarbonisierten Gasen und für die Schaffung eines liquiden Marktes ist künftig noch zu legen. Eine solche Notwendigkeit lässt sich bereits heute am Entwurf der 4. Gasrichtlinie ablesen. Dort ist eine Zertifizierung und Anerkennung von erneuerbaren und kohlenstoffarmen Gasen im Wege von Nachweisen durch Nutzung von Massenbilanzierungssystemen geregelt.
Auch die Regelungen beim Wasserstoff fallen deutlich restriktiv aus. Da für Lieferungen von Wasserstoff nur Wasserstoff-Herkunftsnachweise entwertet werden dürfen, sind die Nachweise nur für den Handel innerhalb reiner Wasserstoffnetze nutzbar. Die Attraktivität der Beimischung von Wasserstoff in die Gasnetze wird dadurch geschwächt. Die Gesetzesbegründung, wonach reiner Wasserstoff nicht über das Gasnetz vertrieben werde, überzeugt wenig. Vielmehr zeigt sich hier die schon länger erkennbare Tendenz der Bundesregierung in der energiepolitischen Diskussion, den Einsatz von Wasserstoff im Wärmemarkt mit niedriger Priorität zu versehen.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass das HKNRG eher eine Momentaufnahme darstellt, die in absehbarer Zeit anzupassen sein wird. In diesem Übergangsstadium wird das Gesetz keine wesentlichen Investitionsanreize gegenüber erneuerbaren Gasen auslösen. Dass es wenig Rechtssicherheit vermittelt, ist allerdings weniger ihm als der Unsicherheit über den sich ändernden unionsrechtlichen Rahmen geschuldet.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.