15. November 2021
Sustainable Homeoffice
Social and Human Rights (ESG) Arbeitsrecht

Sustainable Office – Officekonzepte neu gedacht

Kann das Neudenken des Office die Nachhaltigkeitsagenda vorantreiben? Der Beitrag zeigt die Möglichkeiten und arbeitsrechtlichen Hürden für die HR auf.

Wir widmen uns der Frage, wie das Thema Nachhaltigkeit Einzug in den Büroalltag halten kann. Der besondere Fokus wird dabei auf den Möglichkeiten und den arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen von Homeoffice liegen.

Homeoffice – das grüne Paradies?

Ungeachtet aller Eventualitäten und möglichen Rückausnahmen ist eines ganz klar: Homeoffice trägt zur Einsparung von Emissionen bei. Laut eines empirischen Berichtes des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln e.V. arbeiten ungefähr 40 Prozent der Menschen in Deutschland in einem Büro. Aufgrund der Corona-Pandemie dürfte der weit überwiegende Teil dieser Menschen spätestens in den vergangenen zwei Jahren einmal von Zuhause aus gearbeitet haben.

Das Arbeiten im Homeoffice kann Annehmlichkeiten für alle Beteiligten bieten und hat zudem positive und leicht nachvollziehbare Auswirkungen auf die Umwelt. Aus einem Bericht der Organisation Greenpeace geht hervor, dass bereits einzelne regelmäßige Homeoffice-Tage in breiter Masse mehrere Millionen Tonnen CO2 einsparen können; allein durch den damit verbundenen Wegfall des Pendlerverkehrs. In Deutschland nutzen immer noch 68 Prozent der Pendler* das Auto für den Arbeitsweg. Schon die Reduzierung dieses Verkehrs ist unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit eine große Stellschraube, an der sich am effektivsten durch eine breite Beteiligung von Unternehmen drehen lässt.

Zudem bietet die Platzersparnis im Büro die Möglichkeit, Desksharing-Modelle einzurichten. Vor allem in großen Städten ist Bürofläche ein teures Gut und Homeoffice damit auch ein sinnvoller Ansatzpunkt, um Kosten zu sparen und um zu vermeiden, dass Städte weiter versiegelt und zubetoniert werden! Darüber hinaus wäre das Mehr an Freiheit auf Seiten der Arbeitnehmer mit hoher Wahrscheinlichkeit auch an ein Mehr an Zufriedenheit geknüpft, was sich wiederum positiv auf die Arbeitsmoral und damit auch auf die Produktivität auswirkt. Gleichwohl wird professionelle Nachhaltigkeit nicht nur durch den Umweltaspekt erreicht. Auch Arbeitsbeziehungen spielen unter anderem eine Rolle. Dementsprechend müssen auch Aspekte wie Work-Life-Balance, Arbeits- und Gesundheitsschutz oder Datenschutz eine Rolle spielen. HR muss sich also der Frage stellen, ob Homeoffice tatsächlich ein nachhaltiges Arbeitsmodell ist.

Homeoffice-Pflicht und Homeoffice-Recht

Eines vorweg – gesetzlich verankert ist derzeit weder eine Pflicht im Homeoffice zu arbeiten noch ein Recht auf Arbeit im Homeoffice. Sofern im Arbeitsvertrag nichts Abweichendes festgehalten ist, bestimmt der Arbeitgeber den Arbeitsort gemäß § 611a BGB in Verbindung mit § 106 GewO nach billigem Ermessen. In der Regel nicht bestimmt werden kann jedoch die Wohnung des Arbeitnehmers. Diese ist durch Art. 13 GG besonders geschützt, was die Einflussnahme-Möglichkeiten des Arbeitgebers begrenzt. Jedenfalls die Anweisung zu dauerhafter Heimarbeit ist vom Direktionsrecht nicht mehr umfasst.

Umgekehrt ist nicht auszuschließen, dass es in Zukunft einen Anspruch auf eine gewisse Anzahl von Heimarbeitstagen geben könnte. Bereits im letzten Jahr hat der amtierende Bundesarbeitsminister Heil einen Entwurf für das „Mobile-Arbeit-Gesetz“ vorgelegt, gemäß welchem Arbeitnehmer einen Anspruch auf 24 Homeoffice-Tage pro Jahr haben sollten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass dies Thema der neuen Regierung sein wird. 

Ungeachtet dessen kann das Personalmanagement aber vorantreiben, dass diese Möglichkeiten geboten werden: Keiner muss, aber alle dürfen aus dem Homeoffice arbeiten. Um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, sollte für die Arbeit im Homeoffice aber unbedingt eine rechtssichere Vereinbarung getroffen werden. Dies gilt umso mehr, als dass aus der unregulierten Durchführung von Homeoffice möglicherweise ein Anspruch auf Homeoffice aus betrieblicher Übung resultieren kann.

Rechtliche Aspekte bei der Gewährung von Homeoffice

Bei der Arbeit im Homeoffice treten weitere Aspekte auf, die zwingend einer kurzen Beleuchtung bedürfen. So hat der Arbeitgeber auch bei Arbeit im Homeoffice auf die Einhaltung der Arbeitszeiten zu achten. Sofern eine digitale Arbeitszeiterfassung nicht möglich ist, kann alternativ mit Excel-Sheets gearbeitet werden, die von den Arbeitnehmern auszufüllen und in regelmäßigem Turnus vorzulegen sind. Im Rahmen der Überprüfung dieser Sheets kann der Arbeitgeber für die Einhaltung der Höchstgrenzen, Pausen- und Ruhezeiten Sorge tragen.

Auch ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber gemäß Art. 4 Nr. 7 DSGVO weiterhin für die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben verantwortlich bleibt. Dies kann in Bezug auf Heimarbeitsplätze schwierig werden. Hier sollten klare Vorgaben ausgearbeitet werden, die in Form von Betriebs- oder Individualvereinbarungen jedenfalls die Handlungspflichten im Innenverhältnis genauer definieren. Wenn möglich, ist unbedingt firmeneigene Hardware zu verwenden, die über ein sicheres virtuelles Netzwerk angebunden wird. Von der Verwendung persönlicher Geräte der Mitarbeiter zur Erledigung der Arbeit im Homeoffice sollte abgesehen werden, da Arbeitgeber keine Kontrolle über diese Geräte haben und die Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die ordnungsgemäße Ausgestaltung der Datenverarbeitung in diesem Falle unzureichend sind.

Ein weiterer Aspekt ist der der zusätzlichen Kosten, die Arbeitnehmern im Rahmen des Homeoffice entstehen können. In der Regel werden Arbeitgeber dazu verpflichtet sein, sich an etwaigen Mehrkosten zu beteiligen. Dazu gehören anteilige Ausgaben für Strom, Heizung und auch die Miete des Arbeitnehmers. Zielführend ist hier die Vereinbarung einer Kostenpauschale, mit der ein etwaiger Mehraufwand des Arbeitnehmers abgegolten wird. 

Was bedeutet das jetzt für die HR? Es reicht nicht allein die Möglichkeit zu bieten, sonst entstehen Chaos und Unsicherheiten. Vielmehr bedarf es einem Konzept, das mit der Unternehmensleitung abgestimmt wird und die rechtlichen Fallstricke klärt.

Das Green Office als Alternative?

Der Begriff des „Green Office“ umschreibt im Grunde ein Konzept, das alle Aspekte einer umwelt- und ressourcenschonenden Ausgestaltung des Büroalltags umfasst. Praktiziert wird dieses Modell derzeit vorwiegend an Universitäten. Es könnte sich aber auch für Unternehmen der freien Wirtschaft als Alternative zum herkömmlichen Büroarbeitsplatz etablieren. Die relevantesten Ansatzpunkte bei der Aus- und Umgestaltung des Büroalltages liegen in der Nutzung energieeffizienter und langlebiger Technologien, der ressourcenschonenden und das Wohlbefinden fördernden Ausgestaltung der Räumlichkeiten und der Praktizierung eines nachhaltigen Verhaltens miteinander.

Neben der Verwendung unter fairen Bedingungen hergestellter Geräte ist vor allem die energetische Versorgung von Bürogebäuden ein massiver Faktor. Laut einer Studie des Vodafone-Institutes war die CO2-Einsparung durch die Nichtnutzung von Bürogebäuden während der Corona-Pandemie noch größer als die Einsparung von Emissionen aufgrund des Wegfalls des Pendlerverkehrs. Neben dem offensichtlichen Schritt zu energetischer Nachhaltigkeit – Beziehen von zertifiziertem Ökostrom – kann auch im Kleinen auf Nachhaltigkeit in digitalen Bereichen geachtet werden. Suchmaschinen wie Ecosia oder Panda-Search stellen gegenüber Google oder Bing nachhaltige Alternativen dar. Weiterhin ist, sofern die Arbeitsabläufe in der Firma dies erlauben, auf eine überschwängliche Cloud-Nutzung zu verzichten. Bedenkt man den Energiebedarf von Serverfarmen, kann die vorwiegend lokale Speicherung von Dateien durchaus bei der Vermeidung eines unnötig hohen Energiebedarfs helfen. Zudem ist stets auf das richtige Ausschalten von Endgeräten zu achten, genauso wie auf das Herunterdrehen der Thermostate der Heizkörper nach Feierabend.

Im Hinblick auf die Verwendung von Ökostrom ist zwar das Büro im Fokus; korrelierend mit dem vorangehend angesprochenen Aspekt des Homeoffice gibt es jedoch noch weitere potentielle Arbeitsplätze, deren Ausgestaltung in den Blick zu nehmen ist. Zwar hat der Arbeitgeber kein Direktionsrecht, wenn um Belange der Wohnungen seiner Mitarbeiter geht, aber er kann Anreize schaffen. Im Zuge der Abgeltung von Homeoffice-Mehrkosten, könnte Arbeitnehmern, die den Bezug von Ökostrom nachweisen, beispielsweise eine um den Betrag X erhöhte Pauschale gewährt werden. Aber auch hier ist Vorsicht geboten. Bei solchen Anreizen muss stets der arbeitsrechtliche allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet werden.

Folgen für die Nachhaltigkeitsagenda

Dort wo es möglich ist, sollte unter fachgerechter Ausgestaltung ein hybrides Arbeitsmodell anvisiert werden, das eine Kombination aus klassischer Präsenzarbeit und dezentraler Heimarbeit darstellt. Der gänzliche Verzicht auf Präsenzarbeit birgt vornehmlich soziale Gefahren, im Zuge derer der persönliche Austausch am Arbeitsplatz nicht zu unterschätzen ist. Dennoch stellt die Einführung von Homeoffice-Modellen einen effektiven und vielleicht sogar notwendigen Schritt auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit dar. In Kombination mit einer umwelt- und ressourcenschonenden Gestaltung des Büros können Unternehmen hier einen Schritt weiter in Richtung Zukunft gehen und sich sinnvoll profilieren. Ob Homeoffice, Green Office oder sogar beides, ein Wandel in den Büros muss stattfinden. Das ist Aufgabe des Personalmanagements. HR muss deshalb über die Optionen nachdenken, ihre Auswirkungen evaluieren und dann umsetzen. Die Evaluation muss Umweltaspekte genauso berücksichtigen wie Arbeitsbeziehungen. Nur so kann professionelle Nachhaltigkeit erreicht werden.

In unserer Serie zur Nachhaltigkeit lenken wir den Blick auf arbeitsrechtliche Handlungsmöglichkeiten. Nach dem Einführungsbeitrag zu den Kernaufgaben des Personalmanagements geht es im zweiten Beitrag um das Sustainable Office.

*Gemeint sind Menschen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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