Wir zeigen die wesentlichen Regeln der geplanten ESG-Rating Verordnung zu Zulassung, Transparenz und Vermeidung von Interessenskonflikten auf.
Im Sommer 2023 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung über die Transparenz und Integrität von Rating-Tätigkeiten in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance (ESG-Rating Verordnung) vorgelegt. Die Gesetzesinitative ist Teil der erweiterten Sustainable Finance Strategie der EU. Nachdem EU-Parlament und Rat im Dezember 2023 ihre Verhandlungspositionen zur ESG-Rating Verordnung festgelegt haben, beginnen nun die Trilogverhandlungen.
Hohe Relevanz von ESG-Ratings für Sustainable Finance
ESG-Ratings bewerten das Nachhaltigkeitsprofil eines Unternehmens oder Finanzprodukts, indem sie dessen Exposition gegenüber ESG-Risiken und/oder seine Auswirkungen auf Mensch und Umwelt bewerten. Hierbei bewerten sie die verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekte und fassen sie in einer Gesamtnote aus den Bereichen E, S und G zusammen.
Mit dem wachsenden Fokus auf Green und Sustainable Finance werden ESG-Ratings immer relevanter und stellen eine wichtige Entscheidungsgrundlage für nachhaltige Finanzentscheidungen dar. ESG-Ratings schaffen u.a. eine Informationsgrundlage für Banken im Hinblick auf die Kreditvergabe und für Investoren, die nachhaltige Investitionen tätigen möchten. Z.B. kann sich ein Anleger anhand von ESG-Ratings informieren, ob Nachhaltigkeitsaspekte für ein Unternehmen, in das der Anleger investieren möchte, ein finanzielles Risiko darstellen (financial materiality) und/oder ob das Unternehmen wesentlicheNachhaltigkeitsauswirkungen auf Menschen und Umwelt hat (impact materiality). Die ESG-Ratings spielen auch eine entscheidende Rolle dabei, in welche Finanzinstrumente Mittel investiert werden, die, wie z.B. bestimmte Fonds, nach ihren Anlagerichtlinien „nachhaltig“ investieren sollen. Auch die Aufnahme in auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Indizes hängt häufig von einem ESG-Rating ab.
Methoden von ESG-Ratings und Gewichtung von Faktoren nicht transparent
Zugleich nimmt jedoch auch die Kritik an ESG-Ratings zu. So greifen die ESG-Rating Agenturen auf unterschiedliche Datenquellen zurück und haben unterschiedliche Ansätze, wie sie Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen. Beispielsweise spielen für den einen Ratinganbieter soziale Kriterien, wie Arbeitsbedingungen und -sicherheit eine große Rolle. Für einen anderen Ratinganbieter jedoch nicht. Selbst wenn diese Faktoren für beide Ratinganbieter relevant sind, können diese Kriterien unterschiedlich gemessen oder gewichtet werden. Das führt dazu, dass die Bewertungen eines Unternehmens bei unterschiedlichen Rating-Anbietern häufig sehr unterschiedlich ausfallen. Zudem sind zugrunde liegenden Methoden, wie z.B. die Gewichtung von E, S und G-Faktoren in der Bewertung häufig nicht transparent.
Hier knüpft die ESG-Rating-Verordnung an. Das Ziel ist es, die Qualität von ESG-Ratings zu verbessern, Vergleichbarkeit zu schaffen und die Integrität von ESG-Rating Anbietern zu erhöhen. Dafür soll die Tätigkeit von Ratingagenturen zulassungspflichtig werden. Ratingagenturen sollen außerdem bestimmten Transparenzanforderungen unterstellt werden und Regeln zur Vermeidung von Interessenkonflikten einhalten.
Anwendungsbereich der ESG-Rating Verordnung
Von der Verordnung erfasst werden ESG-Ratings von in der EU tätigen ESG-Rating Anbietern, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht oder an regulierte Finanzunternehmen in der EU weitergegeben werden. Nicht erfasst sind ESG-Ratings, die für ausschließlich interne Zweck erstellt werden (z.B. im Fall von Finanzinstituten, die ESG-Ratings zum Zwecke des eigenen Risikomanagements entwickeln) oder die reine Bereitstellung von Roh-ESG-Daten, ohne Erteilung einer Bewertung.
Zulassung und Beaufsichtigung durch ESMA
In der EU niedergelassene Ratingagenturen benötigen künftig eine Zulassung durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority – ESMA).
Im Rahmen des Zulassungsantrags sind insbesondere die Gesellschafterstruktur, die Eignung der Geschäftsführung, die für das Rating verwendeten Methoden sowie die Strategien und Verfahren zur Ermittlung und Offenlegung von (potenziellen) Interessenskonflikten darzulegen.
Die laufende Beaufsichtigung erfolgt durch die ESMA, die hierfür aufsichtsrechtliche Befugnisse, wie die Anforderung von Informationen, Vor-Ort-Prüfungen und Sanktionen wie den Entzug der Zulassung oder Verhängung von Geldbußen ausüben kann.
Anbieter, die nicht in der EU niedergelassen sind, benötigen für die Abgabe von ESG-Ratings in der EU entweder
- einen Gleichwertigkeitsbeschluss,
- eine Zulassung der Übernahme des ESG-Ratings durch einen in der EU zugelassenen ESG-Rating Anbieter innerhalb eines Konzerns oder
- eine Anerkennung durch die ESMA.
Übergangsweise Erleichterungen für kleine und neu gegründete Ratingagenturen sieht der Rat in seinem Verhandlungsmandat vor.
Transparenz der ESG-Rating Methoden
ESG-Rating Anbieter müssen künftig die im Anhang der Verordnung aufgeführten Transparenzanforderungen erfüllen und dazu auf ihrer Website sowie über das noch einzurichtende zentrale europäische Zugangsportal (European Single Access Point – ESAP) die Methoden, Datenprozesse und -quellen sowie die Kriterien der Gebührenerhebung beim Kunden offenlegen. Zudem müssen sie Angaben machen, ob das Rating die Outside-in Perspektive, die Inside-out Perspektive oder andere Dimensionen abbildet sowie die hinter dem Gesamtrating stehende Gewichtung der Faktoren Umwelt, Soziales und Governance darlegen. Das Ziel der ESG-Rating Verordnung ist Transparenz. Eine Harmonisierung der Rating Methoden wird nicht verfolgt.
Governance Anforderungen und Vermeidung von Interessenskonflikten
Die ESG-Rating Verordnung verpflichtet ESG-Rating Anbieter zukünftig, Beschwerden von Unternehmen, z.B. im Hinblick auf verwendete Datenquellen oder die Anwendung der Rating-Methoden, zeitnah und fair zu prüfen.
Die Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenskonflikten sind noch nicht final ausgemacht. Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass ESG-Ratingagenturen künftig keine Beratungsleistungen für Investoren und Unternehmen erbringen und weder Prüfungstätigkeiten noch Investment-, Bank-, Versicherungs- oder Rückversicherungstätigkeiten durchführen dürfen.
Soweit klar zwischen den Rating-Tätigkeiten und den anderen Tätigkeiten unterschieden wird und Maßnahmen zur Vermeidung von Interessenskonflikten ergriffen werden, hält demgegenüber der Rat die Gründung einer gesonderten juristischen Person nicht für erforderlich. Dies soll aber nicht für Beratungs- und Prüfungstätigkeiten gelten, wenn sie für bewertete Unternehmen durchgeführt werden.
Abgrenzung zu Kreditratings
Mit ESG-Ratings nicht zu verwechseln sind Kreditratings. Kreditratings werden für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit und Kreditwürdigkeit von Unternehmen genutzt. Für Ersteller von Kreditratings besteht bereits unter der im Jahr 2009 als Reaktion auf die Finanzkrise verabschiedeten Rating-Verordnung eine Lizensierungspflicht. Anbieter von Kreditratings werden nach einem Prüfungs- und Genehmigungsverfahren laufend durch die ESMA beaufsichtigt.