26. August 2022
Whistleblowing Arbeitsrecht
Whistleblowing

Arbeitsrechtliche Aspekte des Whistleblowings

Bei der Etablierung von Whistleblowing-Systemen stellen sich zahlreiche arbeits- und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

Protagonisten der Vergangenheit – Chelsea Manning, Julian Assange, Edward Snowden, Frances Haugen – haben „gepfiffen“. Und die Konsequenzen ihres Handelns zu spüren bekommen. Im Zuge diverser Abgasskandale wurden in einem bis dahin ungeahnten Umfang Fehlverhalten und Gesetzesverstöße durch interne Untersuchungen aufgedeckt – allerdings, jedenfalls zum Teil, erst nachdem bereits Jahre zuvor Mitarbeiter* vor entsprechenden Gesetzesverstößen gewarnt hatten.

Bewusstsein für Compliance-Themen gestiegen

Die Sensibilität für (behauptete) Regelverstöße ist infolgedessen auch enorm gestiegen. Die Rechtsprechung zur Haftung von Organen und Aufsichtsgremien hat sich verschärft. Gleichzeitig ist die Erkenntnis gewachsen, dass bisherige Rechtsgrundlagen offenbar nicht ausreichen, um das Thema Compliance in der Unternehmenskultur angemessen zu verankern.

In dieser Gemengelage wurde 2019 die EU-Whistleblower-Richtlinie 2019/1937 erlassen, die in Deutschland voraussichtlich sehr kurzfristig durch das Hinweisgeberschutzgesetz umgesetzt werden wird. 

Unternehmen ab einer Größe von 250 bzw. ab Ende 2023 von 50 Mitarbeitern müssen sich nun mit diesem Thema beschäftigen. Manches Unternehmen hat bereits ein Hinweisgebersystem, das infolge des neuen Gesetzes ggf. angepasst werden muss.

Expertise rund um das Thema Whistleblowing auch im Arbeitsrecht erforderlich

Eine gute Entscheidung über die passgenaue Ausgestaltung eines sinnvollen und funktionalen Hinweisgebersystems erfordert dabei Expertise im Schnittstellenbereich Compliance, HR und Arbeitsrecht: 

  • Compliance, weil es dabei um eine Maßnahme in einem in sich stimmigen Baukastensystem des Compliance-Management-Systems eines Unternehmens gehen sollte. Regelverstöße sind aufzudecken und Haftungsrisiken zu mildern. 
  • HR, weil es auch von der Zusammensetzung der Belegschaft, der Größe des Betriebs, Unternehmens oder Konzerns, der jeweiligen Branche und der gelebten Unternehmenskultur abhängt, wie ein sinnvolles Hinweisgebergesetz im konkreten Fall aufgesetzt wird.
  • Arbeitsrecht, weil sich bei der Implementierung interner Meldewege und ihrer Einbettung in ein stimmiges Compliance-Management-System arbeits- und betriebsverfassungsrechtliche Fragen stellen: etwa zur Zuständigkeit von Gremien, zur personellen und sozialen Mitbestimmung, bspw. bei der Zuweisung von Kompetenzen, zur Ausgestaltung von Whistleblower-Richtlinien und zur Einführung von IT. 

Erst recht spielt das Arbeitsrecht eine Rolle bei der Durchführung interner Untersuchungen, die aufgrund eines Whistleblowings initiiert werden müssen, und für den Umgang mit deren Ermittlungsergebnissen. Denn Hinweise beziehen sich oft auf Arbeitnehmer(fehl)verhalten, kommen häufig aus dem Kreis der Belegschaft und wirken sich nicht selten und zuweilen im Ergebnis völlig unberechtigt nachteilig bis schädigend auf Mitarbeiter oder Organe aus.

Repressalienverbot und Schadenersatzansprüche

Das zu erwartende Hinweisgeberschutzgesetz wird Regelungen zu der nun einzurichtenden internen Meldestelle, deren Organisation sowie Vorgaben für ihr Tätigwerden enthalten. 

Als „Highlight“ in der Praxis wird sich mutmaßlich das sog. „Repressalienverbot“ herausstellen. Es ist damit zu rechnen, dass die damit verbundene Beweislastumkehr zugunsten des Hinweisgebers und zum Nachteil des Arbeitgebers in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten eine nicht unerhebliche Rolle spielen wird. Zum Schutz unschuldig ins Visier von Untersuchungen geratener Opfer sieht der Gesetzesentwurf nun Schadenersatzpflichten vor.

Ob diese praktisch relevant werden, bleibt abzuwarten. Unserer Prognose nach wird diesem Instrument in Zukunft wohl keine allzu große Bedeutung zukommen. Dennoch wird man sich mit dem Aspekt des Opferschutzes auseinandersetzen und über dem Missbrauch des Systems entgegenwirkende Maßnahmen nachdenken müssen. Das gilt insbesondere für Unternehmen, die im Interesse eines möglichst gut funktionierenden Hinweisgebersystems anonyme Meldungen zulassen, obwohl der Gesetzgeber die Zulassung anonymer Meldungen nicht verlangt.

Alles in allem ein spannendes Feld, das Schnittstellenkompetenz verlangt. Wir freuen uns darauf, Ihnen in unserer Blogserie zum Whistleblowing dieses Feld durch unser arbeitsrechtliches Brennglas vorzustellen.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Arbeitsrecht Compliance Whistleblowing