2. Dezember 2025
Straßenverkehr-Fernlenk-Verordnung teeoperiertes Fahren
Smart Mobility

Fernlenk-Verordnung ermöglicht teleoperiertes Fahren

Zukunft der Transportlogistik: Hürden und Potenziale ferngelenkter Fahrzeuge nach der Straßenverkehr-Fernlenk-Verordnung (StVFernLV).

Die Straßenverkehr-Fernlenk-Verordnung schafft einen rechtlichen Rahmen für die Teleoperation von Fahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr. Die dabei vorgesehenen hohen Anforderungen gehen insbesondere für die Transport- und Logistikbranche mit erheblichen Chancen einher.

Neue Rahmenbedingungen für ferngelenkte Kraftfahrzeuge: Die Straßenverkehr-Fernlenk-Verordnung tritt in Kraft

Zum 1. Dezember 2025 ist die Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften für ferngelenkte Kraftfahrzeuge (Straßenverkehr-Fernlenk-Verordnung – StVFernLV) in Kraft getreten. Sie regelt – auf fünf Jahre befristet – die Erprobung von Teleoperation im öffentlichen Straßenverkehr und schafft einen bundeseinheitlichen Rahmen für Genehmigungen, technische Anforderungen und Verantwortlichkeiten.

Ferngelenkte Fahrzeuge bilden eine Art Hybrid zwischen selbstfahrenden und konventionell gesteuerten Fahrzeugen. Der Fahrer befindet sich nicht mehr im Fahrzeug, sondern steuert es über Kameras, Sensorik und digitale Schnittstellen aus einem entfernten Kontrollraum heraus. Die Steuerung erfolgt aus einem Leitstand (Kontrollraum) über eine gesicherte Kommunikationsverbindung.

Die Technologie wird als zentraler Bestandteil für den Fortschritt des autonomen Fahrens angesehen, weil sie gerade in anspruchsvollen oder unerwarteten Verkehrslagen situationsbezogen eingreifen und so zur Erhöhung der Sicherheit und Verlässlichkeit automatisierter Systeme beitragen kann. Teleoperation dient dabei nicht der gleichzeitigen Führung mehrerer Fahrzeuge, sondern dem gezielten Eingriff in Einzelfällen.

Insbesondere für die Logistik- und Transportwirtschaft birgt die Verordnung eine Reihe von strategischen Chancen. Denn dank ihr können Fahrzeuge bald ohne physisch anwesende Fahrzeugführende gesteuert werden. Dies kann etwa für Rückführungsfahrten, Umschlagsprozesse oder den Betrieb auf festen Relationen zwischen Logistikzentren genutzt werden. Ferngesteuerte Lkw und Transporter könnten dann in Logistikzentren, auf Hafengeländen oder in Industrieparks für den innerbetrieblichen Warenfluss eingesetzt werden. Im urbanen Raum ließen sich Fahrzeuge zwischen Depots und Zielpunkten steuern. Beispiel: Rückführungen von Fahrzeugen nach Wartungsterminen oder das Umsetzen von Trailern auf Betriebshöfen. Perspektivisch lassen sich damit Fachkräftemangel, Fahrzeitenbeschränkungen und Leerfahrten besser steuern und die Effizienz der Logistikprozesse optimieren. Im öffentlichen Straßenraum bleibt der Einsatz allerdings vorläufig auf definierte und genehmigte Betriebsbereiche beschränkt.

Neben Einsatzmöglichkeiten in der Logistikbranche ermöglicht das Verkehrsressort in den neuen Regelungen auch ein breites Spektrum weiterer Einsatzmöglichkeiten, insbesondere im Bereich gemeinschaftlich genutzter Mobilitätsangebote. Bei Carsharing-Fahrzeugen kann die Leitstelle Fahrzeuge nach der Nutzung in genehmigten Bereichen umsetzen; vollständig fahrerlose Angebote bedürfen (je nach Ausgestaltung) zusätzlicher Genehmigungen und technischer Voraussetzungen. Carsharing-Fahrzeuge könnten künftig nach der Nutzung eigenständig oder ferngesteuert aus einer Leitstelle zum nächsten Standort oder zur Wartung bewegt werden. Ebenso sind fahrerlose On-Demand-Shuttles oder Robo-Taxis denkbar, die flexibel auf Nachfrage reagieren und so Lücken im öffentlichen Nahverkehr schließen.

Die StVFernLV legt die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für den Fahrzeugbetrieb durch Fernlenkung fest. Ziel ist es, im Rahmen eines befristeten Erprobungszeitraums die Erprobung und schrittweise Integration der Fernlenkung zu ermöglichen. Während dieser Phase werden Anforderungen evaluiert und können durch die Behörden angepasst oder präzisiert werden.

Der Betrieb ferngelenkter Kraftfahrzeuge ist mit einem nicht unerheblichen Genehmigungsaufwand verbunden – Fahrzeughalter müssen ein zweistufiges Genehmigungsverfahren durchlaufen

Auf der ersten Stufe muss für jedes einzelne Fahrzeug eine Betriebserlaubnis beim Kraftfahrt-Bundesamt beantragt werden. Voraussetzung für diese Betriebserlaubnis ist unter anderem, dass das Gesamtsystem zum Fernlenken – also Fahrzeug, Steuerungseinrichtung, Leitstand und Kommunikationsverbindung – die in Anlage 1 der Verordnung definierten technischen (Sicherheits-, IT- und Kommunikations-)Anforderungen erfüllt. Diesbezüglich ist ein Sicherheits- und IT-Konzept vorzulegen, das insbesondere Fragen der funktionalen Sicherheit, Datenintegrität und Cyber-Security behandeln muss. Der Fahrzeughalter hat etwa sicherzustellen, dass das Fahrzeug im Falle eines Kommunikationsausfalles oder einer Verzögerung in der Datenübertragung zu jeder Zeit selbstständig dazu in der Lage ist, sichere Zustände herzustellen, etwa durch Abbremsen und Warnblinken. Weiterhin muss für das Kraftfahrzeug entweder eine EU-Typgenehmigung, eine allgemeine Betriebserlaubnis oder eine Einzelbetriebserlaubnis erteilt worden sein. Weitere Voraussetzungen lassen sich der Verordnung entnehmen.

Auf der zweiten Stufe ist eine Betriebsbereichsgenehmigung nach Anlage 2 der StVFernLV durch die zuständige Landesbehörde erforderlich. Diese legt fest, in welchem geografischen Bereich und unter welchen Bedingungen das ferngelenkte Fahrzeug eingesetzt werden darf. Damit wird die Nutzung (vorerst) auf klar definierte und genehmigte Strecken oder Gebiete beschränkt. Die Behörden können die Genehmigung zudem mit Nebenbestimmungen versehen. Nebenbestimmungen können u.a. Geschwindigkeitsbeschränkungen, Wetter- und Sichtauflagen, zeitliche Beschränkungen oder Anforderungen an die personelle Besetzung des Leitstands (z.B. zusätzliche Sicherheitsaufsicht) umfassen.

Haftung bei Teleoperation

Hinsichtlich der Haftung unterscheidet die Verordnung zwischen den verschiedenen am Fernlenksystem beteiligten Akteuren.

Der Betreiber des Gesamtsystems zum Fernlenken gilt als Halter. Dadurch finden die Haftungsvorschriften aus § 7 StVG auf ihn Anwendung und der Betreiber haftet bei Unfällen auch ohne sein Verschulden. Die das Fahrzeug tatsächlich steuernde Person wird in der Verordnung als „fernlenkende Person“ definiert. Dieser Begriff existierte im Straßenverkehrsrecht bislang nicht. Doch § 3 Abs. 2 StVFernLV bestimmt, dass eine fernlenkende Person wie ein Fahrzeugführer im Sinne des § 18 StVG zu behandeln ist, selbst wenn er sich physisch nicht im Fahrzeug befindet. Damit treffen die fernlenkende Person alle Pflichten des Straßenverkehrsrechts, die sonst auch den klassischen Fahrzeugführer treffen. Dazu zählen die Einhaltung der Verkehrsregeln, die Wahrnehmung der Sorgfaltspflichten sowie die persönliche Verantwortung im Schadensfall. Dies umfasst insbesondere die Pflicht zur ständigen Verkehrsbeobachtung, zur Einhaltung der StVO sowie zur unverzüglichen Einleitung von Sicherheitsmaßnahmen bei Systemstörungen.

Die Verordnung führt zudem den Begriff des Herstellers ein und bezeichnet damit jene, die die technische Ausrüstung für das Fernlenken bereitstellen. Die Hersteller der technischen Ausrüstung zum Fernlenken treffen gewisse Pflichten, die in § 13 StVFernLV geregelt sind. Demnach müssen sie ein umfassendes Sicherheitskonzept zur funktionalen Sicherheit des Gesamtsystems zum Fernlenken erstellen, Reparatur- und Wartungsinformationen für das Gesamtsystem zum Fernlenken zusammenstellen, ein Konzept zur IT-Sicherheit entwickeln sowie ein Sicherheitskonzept für die Datenverarbeitung gemäß den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einschließlich Datenschutz-Folgenabschätzung, soweit erforderlich erarbeiten. Alle diese Dokumente sind dem Halter zur Verfügung zu stellen, um einen sicheren und rechtskonformen Betrieb der Fernlenkung zu gewährleisten. Soweit der Hersteller zugleich auch Hersteller im Sinne des Produkthaftungsgesetzes ist, finden dessen Haftungstatbestände uneingeschränkt Anwendung.

Chancen für die Transport- und Logistikbranche

Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 2 StVFernLV gelten die Vorschriften zu Lenk- und Ruhezeiten für Fahrzeugführende uneingeschränkt auch für fernlenkende Personen. Dies bezieht sich jedoch ausschließlich auf den jeweiligen Fernlenker, nicht auf das ferngelenkte Fahrzeug selbst. Durch den abwechselnden Einsatz mehrerer fernlenkender Personen ließen sich also Standzeiten reduzieren und somit betriebliche Effizienzen steigern. Die Fahrzeugverfügbarkeit ist hiervon unabhängig; durch Schichtwechsel im Leitstand können Einsatzzeiten des Fahrzeugs verlängert werden, ohne gegen Lenkzeitvorgaben zu verstoßen.

Eine weitere Chance, insbesondere für die Transport- und Logistikbranche, ergibt sich aus der Möglichkeit, Fernlenkung mit autonomen Fahrfunktionen zu kombinieren. Dies ermöglicht ein situationsbezogenes Eingreifen der fernlenkenden Person in komplexen Verkehrssituationen. Eine fernlenkende Person könnte so womöglich mehrere Fahrzeuge gleichzeitig überwachen und situationsbedingt eingreifen, ohne gegen das Verbot des gleichzeitigen Führens mehrerer Fahrzeuge aus § 12 Abs. 2 Nr. 1 StVFernLV zu verstoßen. Ein perspektivisch autonom fahrender Liefertransporter meldet eine Unsicherheit an einer Baustellenumfahrung; die fernlenkende Person übernimmt für wenige Sekunden die Führung, manövriert am Hindernis vorbei und übergibt anschließend wieder an die automatisierte Fahrfunktion. Die Überwachung mehrerer Fahrzeuge ist zulässig, solange die fernlenkende Person jeweils nur ein Fahrzeug aktiv führt und damit das Verbot des gleichzeitigen Führens mehrerer Fahrzeuge (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 StVFernLV) gewahrt bleibt. 

Rechtliche und praktische Hürden sind hoch

Der Genehmigungsprozess ist komplex und ressourcenintensiv. Neben den Anträgen beim Kraftfahrt-Bundesamt und den Landesbehörden müssen Unternehmen Sicherheits- und IT-Konzepte erstellen, hohe technologische Anforderungen erfüllen und eine durchgehende Systemüberwachung implementieren. Empfehlenswert sind frühzeitige Abstimmungen mit KBA und Landesbehörden sowie ein iteratives Test- und Nachweiskonzept.

Investitionsentscheidungen sollten vertraglich abgesichert werden

Die rechtliche Lage ist derzeit befristet und als Erprobungsrahmen ausgestaltet. Nach Abschluss der Evaluationsphase sind Änderungen, Verschärfungen oder Ergänzungen wahrscheinlich, einschließlich möglicher Anpassungen an Sicherheits-, IT- und Überwachungsanforderungen. Unternehmen müssen daher mit regulatorischer Unsicherheit rechnen und ihre Investitionsentscheidungen entsprechend absichern. Ob sich die Fernlenkung im Personen- und Güterverkehr langfristig vom Pilotprojekt zu einer wirtschaftlich tragfähigen und rechtssicheren Betriebsform entwickelt, werden die kommenden Jahre zeigen. Unternehmen sollten daher bei Interesse technische Roadmaps und Compliance-Prozesse modular planen und vertraglich Absicherungen vorsehen.

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