25. Februar 2021
Gesetz autonomes Fahren
Smart Mobility Corporate / M&A

Bundeskabinett billigt geänderten Entwurf des Gesetzes zum autonomen Fahren

Der Entwurf für ein Gesetz zum autonomen Fahren, der seit April 2020 in verschiedenen Arbeitsversionen publik war, hat am 10. Februar 2021 das Bundeskabinett passiert und geht damit ins Gesetzgebungsverfahren.

Die in die Kabinettsvorlage eingeflossenen Änderungen sind ganz überwiegend zu begrüßen und verbessern den Text an entscheidenden Stellen; einige Fragenkreise scheinen allerdings noch nicht in allen Konsequenzen ausgeleuchtet zu sein und verdienen im Gesetzgebungsverfahren weiter besondere Aufmerksamkeit. 

Keine absolute Sperre von autonomen Autos bei fehlender EU-/UN/ECE-Regelung

Zwei bereits im vorigen Entwurf angelegte Aspekte sind nach wie vor ausgesprochen zu begrüßen und unterstreichen den Charakter als „Ermöglichungsgesetz“:

§ 1h StVG-E lässt zu, dass Kraftfahrzeuge, die wegen einer autonomen Funktion (noch) nicht nach EU- bzw. UN/ECE-Regelungen zulassungsfähig sind, gleichwohl eine Typgenehmigung erhalten, soweit die unzulässigen Funktionen im öffentlichen Verkehrsraum deaktiviert sind und das Fahrzeug nicht beeinflussen. Insbesondere wird damit ermöglicht, dass Fahrzeuge über Automated Valet Parking-Funktionen verfügen. Dadurch könnte das bereits in der StVG-Novelle 2017 angelegte autonome Parkhaus nun Realität werden.

§ 1i StVG-E konzentriert die Erteilung von Testgenehmigungen beim Kraftfahrt-Bundesamt und regelt ihre Voraussetzungen.

Beide Vorschriften insbesondere deswegen wichtig, weil sie kurzfristig Anwendungsfälle schaffen können.

Anforderungen an die Technische Aufsicht und Versicherungspflicht

Die Technische Aufsicht wird teilweise von der engmaschigen Überwachung des autonomen Fahrzeugs entlastet; im Gegenzug steigen die Anforderung an das Fahrzeug, um insbesondere durch Signalübermittlung der Technischen Aufsicht anzuzeigen, dass Eingreifen geboten ist. 

Die Technische Aufsicht wird nun explizit als eine Art Koordinator für mehrere Fahrzeuge angelegt, was den Schritt ins autonome Fahren ermöglicht, ohne durchgehend für eine wirtschaftlich unsinnige „Manndeckung“ des autonomen Fahrzeugs sorgen zu müssen. 

Unklar ist, was der Gesetzesentwurf mit der nun neu vorgeschlagenen Pflicht zur Versicherung der Person der Technischen Aufsicht durch den Fahrzeughalter erreichen möchte. Denn der Halter haftet ohnehin schon aus Gefährdungshaftung und muss sich hiergegen (pflicht)versichern. Dass ein Verschulden der Technischen Aufsicht dem Halter zuzurechnen ist, stellt auch der Entwurf ausdrücklich fest. Aus der Begründung zur Einführung der Pflichtversicherung der Technischen Aufsicht ergeben sich keine Schutzlücken, die die Notwendigkeit einer solchen ergänzenden Pflichtversicherung nahelegen würden.

Empfehlungen der Ethikkommission autonomes Fahren bisher nicht praxistauglich umgesetzt

Der Entwurf enthält nun ausdrücklich eine Anweisung zur Güterabwägung, die das Fahrzeug in Kollisionsfällen anwenden muss: das Rechtsgut Leben genießt höchste Priorität, es darf keine Unterscheidung zwischen Personen anhand persönlicher Merkmale gemacht werden. 

Damit werden getreulich die Empfehlungen der Ethikkommission autonomes Fahren umgesetzt. Diese sind als Orientierungslinien richtig, werden aber im Entwurfstext in einer für die Praxis kaum greifbaren Weise umgesetzt. Statt wenig griffige Gebote vorzugeben („Die technische Ausstattung muss die Bedeutung unterschiedlicher Rechtsgüter berücksichtigen können.“) sollte der Gesetzgeber klar umrissene Verbote („Die technische Ausstattung darf in Kollisionsfällen nicht nach persönlichen Merkmalen unterscheiden.) aussprechen, um den Erkenntnissen und Empfehlungen der Ethikkommission Genüge zu tun. 

Hier wäre bei der Formulierung des Gesetzes mehr Orientierung an technischen Möglichkeiten als an juristischen Obersätzen wünschenswert.

Klarstellung bzgl. der vorgegebenen Leistungsfähigkeit des autonomen Fahrzeugs wünschenswert

Nicht restlos geklärt ist, welche Grenzen der Leistungsfähigkeit des autonomen Fahrzeugs die Hersteller neben der Beschränkung auf den genehmigten Betriebsbereich vorgeben dürfen. 

Zwar soll das Fahrzeug im genehmigten Betriebsbereich alle „Erscheinungen“ (z.B. Witterung oder Betriebszeiten) bewältigen können. Gleichzeitig definiert der Entwurf den Begriff der Systemgrenze (bewusst) nicht, sondern überlässt dies dem Hersteller. Es erscheint angebracht, dem Hersteller auf der einen Seite zu verwehren, bestimmte Fahrsituationen haftungsbefreiend aus der Systemgrenze „herauszudefinieren“ (ein Kritikpunkt an der StVG-Novelle 2017); andererseits sollte auch autonomen Fahrzeugen zugebilligt werden, ebenso wie menschliche Fahrer bei Änderung bestimmter äußerer Umstände – etwa sich verschlechternder Wetterlage -  die Weiterfahrt zu unterbrechen. Zu diesem Zweck wäre eine Klarstellung angebracht.

Leerfahrt eines autonomen Fahrzeugs nicht eindeutig geregelt 

Der Gesetzesentwurf verhält sich nicht abschließend zu der Möglichkeit einer Leerfahrt (also einer insassenfreien Fahrt). Zwar wird vorausgesetzt, dass kein Fahrer erforderlich ist; allerdings soll die Technische Aufsicht nach § 1f Abs. 2 Nr. 2 StVG-E ggf. die zur Verkehrssicherung notwendigen Maßnahmen einleiten. 

Nach der Begründung soll der Halter für die Erfüllung der Verkehrsvorschriften Sorge tragen, die nicht die Fahrzeugführung betreffen, z.B. die Sicherung liegen gebliebener Fahrzeuge nach § 15 StVO durch Aufstellen eines Warndreiecks (S. 36 der Kabinettvorlage). Die Begründung stellt es ins Belieben des Halters, diese Pflichten durch Fahrgäste, die Technische Aufsicht oder Dritte erfüllen zu lassen. Am Beispiel wird aber deutlich, dass gerade die Sicherung der Unfallstelle durch vor Ort anwesende Fahrgäste am ehesten durchzuführen ist und daher das Pflichtenprogramm am besten erfüllt. Es bedürfte daher für die Rechtssicherheit des Halters einer Regelung, ob auch genügt, dass eine Dritte Person unverzüglich verständigt wird und „alsbald“ eintrifft. Andernfalls wäre der Halter faktisch gezwungen, einen ständigen Mitfahrer an Bord zu halten, was die Autonomie konterkarieren würde.

Der CMS-Exzellenzcluster Automotive & Mobility verfolgt den Gang des Gesetzgebungsverfahrens weiter aufmerksam – wir halten Sie hierzu auf dem Laufenden.

Tags: autonomes Fahren Technische Aufsicht UN/ECE