1. April 2020
WEG Elektromobilität Ladeinfrastruktur
Smart Mobility

Die heimische E-Tankstelle – Private Ladepunkte im Fokus der Politik

Das BMJV will die Einrichtung privater Elektroauto-Ladesäulen erleichtern. Staatliche Aufgaben für den Bürger oder ganzheitliches Infrastrukturkonzept?

Am 23. März 2020 hat die Bundesregierung den lang erwarteten Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes veröffentlicht. Im mobilitätspolitischen Fokus der Novelle stehen Wohnungseigentümer und Mieter, die von der Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. dem Vermieter die Genehmigung zum Einbau oder zur Aufwertung einer Lademöglichkeit für Elektrofahrzeuge verlangen können sollen.

Ganz neu sind diese Ideen zwar nicht. Bevor sie sich in der vorgeschlagenen umfassenden WEG-Novelle wiederfanden, waren sie allerdings schon Gegenstand zweier Bundesratsentwürfe, die der Bundestag nicht aufgegriffen hatte. Nun keimt jedoch neue Hoffnung.

Der Gestattungsanspruch des Wohnungseigentümers zur Errichtung von Ladesäulen

Während bauliche Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums einer Wohnungseigentümergemeinschaft grundsätzlich eines Beschlusses der Eigentümerversammlung bedürfen, schafft § 20 Abs. 2 WEG-E ein Privileg für solche Veränderungen, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderung, dem Einbruchsschutz, dem Glasfaserausbau und – hier von besonderem Interesse – dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen.

Wenn solche Veränderungen anstehen, soll der Wohnungseigentümer eine bauliche Maßnahme stets verlangen können. Das bedeutet, dass die Eigentümerversammlung entweder dem Eigentümer erlaubt, die Maßnahme selbst vorzunehmen, oder den Umbau auf Kosten des Eigentümers durchführt. Beschränkt ist der Anspruch allerdings zum einen auf „angemessene″ Veränderungen, zum anderen besteht er lediglich, soweit die Wohnanlage durch die Vornahme nicht grundlegend umgestaltet und andere Eigentümer nicht unbillig benachteiligt werden.

Über die reine Entnahme von Elektrizität hinaus benennt der Entwurf als Umrüstungsziel ausdrücklich die Teilnahme an einem Flexibilitätsmechanismus nach § 14a des EnWG; auch dafür erforderliche Einbauten von Mess- und Steuereinrichtungen und die damit einhergehenden Veränderungen von Zählerschränken sollen Gegenstand des Anspruchs sein. Auch eine gemeinsame Kapazitätsaufstockung der gemeinschaftlichen Elektrizitätsinstallationen durch interessierte Eigentümer soll umfasst sein.

Obgleich der Entwurf an vielen Stellen betont, bestehende Unsicherheiten beseitigen zu wollen, wird man den unbestimmten Rechtsbegriffen der “Angemessenheit” und “Billigkeit” diese Wirkung nicht zugestehen können. Eine verlässliche Aussage über die Unangemessenheit einer Umbaumaßnahme im Einzelfall wird sich daher ohne gerichtliche Aussagen kaum treffen lassen. Mag das gesetzgeberische Ziel, Einzelfällen flexibel gerecht werden zu können, verständlich sein, wird sich die Bereitschaft des Modernisierungswilligen, seinen Anspruch auf unsicherer Rechtsgrundlage gegen seine Miteigentümer geltend zu machen, womöglich in Grenzen halten. Ein wenig mehr Klarheit wäre wünschenswert und insbesondere vor dem Hintergrund der – noch darzustellenden – konsequenten europäischen Regelungen auch umsetzbar gewesen.

Unangemessen soll die Maßnahme nach Auffassung der Entwurfsbegründung jedenfalls dann sein, wenn der jeweilige Eigentümer über keine Berechtigung verfügt, um sein Fahrzeug im Bereich der Lademöglichkeit auch abzustellen. Er benötigt mit anderen Worten einen eigenen Stellplatz.

Der Zustimmungsanspruch des Mieters zur Errichtung von Ladesäulen

Für den Mieter hält der Gesetzentwurf einen ähnlich angelegten Anspruch bereit, lediglich die Zustimmung zum Glasfaserausbau kann er nicht verlangen.

Er kann von seinem Vermieter die Zustimmung zu einer Vertragsänderung verlangen, die ihn – wiederum nur auf einem ihm bereits überlassenen Stellplatz – zur Vornahme der für die Errichtung der Ladesäule erforderlichen Baumaßnahmen berechtigt. Neben privaten Mietern kommt die Regelung auch gewerblichen Mietern zugute, bei denen der Gesetzgeber aber von lediglich 1.700 zur Zeit Umrüstungsbestrebten ausgeht.

Die Austarierung im Einzelfall wird dabei einer Abwägung zwischen den Interessen des Mieters und des Vermieters überlassen. Insbesondere die Verantwortlichkeit des Vermieters gegenüber Dritten, vor allem Nachbarn und anderen Mietparteien zieht den Ansprüchen des Mieters eine verständliche Grenze. Zugleich wird auch das Interesse des Vermieters geschützt, Veränderungen an der Mietsache selbst durchzuführen und so auch die Wertsteigerung des Besitzes zu realisieren. Der Einbau führe nämlich, so der Regierungsentwurf, regelmäßig zu einer Steigerung des Gebrauchswerts der Mietsache und einer eine Mieterhöhung rechtfertigenden Modernisierungsmaßnahme.

Zwar wird man diese vorhergesehene Wertsteigerung vorerst zurückhaltend einschätzen müssen, hängt doch der dauerhaft erhöhte Mietwert entscheidend davon ab, dass sich genug Mieter mit Elektrofahrzeugen finden, wozu die Novelle gerade erst beitragen soll; erfrischend ist der Optimismus des Gesetzgebers allemal.

The European Fortschrittsglaube

Dem Bundesgesetzgeber zuvorgekommen ist die Europäische Union. Die neue Gebäudeeffizienzrichtlinie (Richtlinie (EU) 2018/844 vom 30. Mai 2018) verpflichtet beim Bau oder der Renovierung von Nichtwohngebäuden mit mehr als zehn Stellplätzen zur Errichtung einer Ladesäule und zur Ausstattung jedes fünften Stellplatzes mit der nötigen Leitungsinfrastruktur. Bei neuen und zu renovierenden Wohngebäuden mit mehr als zehn Stellplätzen muss jeder Stellplatz über die erforderlichen Leitungen verfügen. Diese Vorgaben waren bis zum 10. März 2020 in Bundesrecht umzusetzen.

Die Umsetzung hat sich nun leicht verspätet; ein die Richtlinie identisch umsetzender Entwurf für ein Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) der Bundesregierung liegt aber mittlerweile dem Bundesrat zur Entscheidung vor, wird also in absehbarer Zeit verabschiedet werden. Die gegenwärtige Ausschussempfehlung des Bundesrates (Stand: 26. März 2020) sieht sogar eine überschießende Umsetzung durch Errichtung nicht nur einer Ladesäule, sondern einer Ladesäule pro zehn Stellplätzen vor (BR-Drs. 111/1/20). Damit wird der Anwendungsbereich der WEG-Novelle hauptsächlich Bestandsimmobilien und künftige bzw. zu renovierende Immobilien mit wenigen Stellplätzen betreffen.

Bei von der Richtlinie betroffenen Bauten wird einerseits rein tatsächlich kaum Widerstand der Vermieter oder Miteigentümer zu erwarten sein, die verpflichtende Leitungsinfrastruktur zu nutzen und damit ihren Mehrwert zu realisieren. Soweit Stellplätze im Sondereigentum künftig bereits verkabelt sind, wird es auf die Zustimmung der Miteigentümer ohnehin nicht mehr ankommen. Nach § 3 Abs. 1 S. 2 WEG-E können künftig auch Stellplätze außerhalb des Gebäudes Sondereigentum darstellen.

The German Reichweitenangst

Der Gesetzentwurf nimmt ein Thema in den Blick, das seit jeher ein Stolperstein der Mobilitätswende ist: Wenn die notorische Reichweitenangst – die Sorge also, mit begrenzter Batteriekapazität nicht weit genug fahren zu können – dem Umstieg auf das Elektroauto nicht im Weg stehen soll, muss es zumindest genug Ladesäulen geben. Dabei hat die Ladesäule im öffentlichen Raum mit der Ladesäulenverordnung ihren regulatorischen Rahmen bekommen.

Die Förderung privater Investitionen ist bereits durch die Steuerbegünstigung des Aufladens beim Arbeitgeber etabliert, die gerade verlängert wurde. Ebenso stehen für Unternehmen günstige Kredite aus dem Umweltprogramm (Kreditprogramm 240/241) der KfW zur Verfügung.

Mit dem neuen Maßnahmenpaket scheint der Staat nun einen Teil der benötigten Infrastruktur durch Verbraucherinvestitionen abbilden zu wollen – ein pragmatischer Ansatz, der bei den verschiedenen Stakeholdern der Mobilitätswende durchaus gemischte Gefühle hervorrufen dürfte. Eine gute Nachricht ist die Initiative ganz unmittelbar für die Gruppe der Elektrofahrzeug- und Stellplatzbesitzer mit der finanziellen Kapazität, in eine eigene Ladesäule und die damit verbundenen Bauarbeiten und Folgekosten zu investieren. Zwar steht damit eine eher kleine – der Gesetzgeber rechnet mit gegenwärtig insgesamt ca. 35.000 Bauwilligen – und finanziell gut ausgestattete Gruppe im Vordergrund; zugleich legen Länder und Kommunen aber regelmäßig Förderprogramme für die Einrichtung privater Ladesäulen auf, die zum Teil nur mäßigen Erfolg hatten und dank der neuen Regelung nun von mehr Interessenten ausgeschöpft werden könnten. Eine gute Nachricht wird die Novelle auch für Energieversorger sein, die ihr Produkt nun unmittelbar an den Verbraucher vermarkten können.

Die regulatorische Förderung im Verhältnis zu anderen Förderprogrammen

Die Novelle drückt zwar unmittelbar niemandem, der nicht über die finanziellen Mittel für den Bau einer Ladesäule verfügt, das nötige Kleingeld in die Hand. Umso wichtiger ist es, den Entwurf in den Kontext der weiteren Fördermaßnahmen der Elektromobilität einzubetten.

So hat der Gesetzgeber erst kürzlich mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität vom 12. Dezember 2019 unter anderem die Steuerbefreiung für die Unterstützung durch den Arbeitgeber beim Erwerb von Ladevorrichtungen bis zum Veranlagungszeitraum 2030 verlängert. Während der Bund durch die Förderrichtlinie „Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge″ unmittelbare Förderung nur öffentlich zugänglichen Ladesäulen zuteilwerden lässt – obwohl der Verkehrsminister noch 2019 eine Milliarde Euro für die Förderung auch privater Säulen forderte –, gibt es zahlreiche lokale Förderprogramme für umrüstungswillige Verbraucher.

Das Land Nordrhein-Westfalen fördert private Ladestationen mit bis zu EUR 1.000,00. Besonders großzügig zeigt sich die Stadt München, die 40% der Kosten übernimmt, bei Normalladepunkten bis zu EUR 3.000,00, bei Schnellladepunkten bis zu EUR 10.000,00. In Düsseldorf gibt es 50% der Kosten, insgesamt bis zu EUR 1.000,00.

Weitere Zuschüsse bieten einzelne Stadtwerke an. In der Regel hängen die Programme von dem Betrieb des Ladepunkts mit regenerativer Energie ab, was angesichts der Klimaziele des Bundes eine notwendige Begrenzung ist. Bundesweit kommen daneben Fördermaßnahmen der KfW in Betracht, die beispielsweise die energetische Sanierung von Wohngebäuden fördert. Daneben haben die Energieversorger ein nicht unerhebliches Eigeninteresse an der Ausrüstung ihrer Kunden mit Ladevorrichtungen, sodass auch seitens der Privatwirtschaft ein gewisses Fördervolumen in Form von vertraglichen Prämien bereitstehen dürfte.

Privater Ausbau der Ladeinfrastruktur: Wird also ein Schuh draus?

Es wird mehr und mehr. Die Energie- und Mobilitätswende ist eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, und der Staat hat Recht, wenn er neben dem eigenen Infrastrukturausbau und der Förderung der gewerblichen Anbieter den Boden für Investitionen auch und gerade durch den Verbraucher ebnet.

Wenn sich die Elektromobilität als allgemein zugängliche Technik durchsetzen soll, darf sich der Staat aber nicht darauf beschränken, die Umrüstung denjenigen rechtlich zu ermöglichen, die sie finanziell leisten können. In ein Gesamtkonzept ist daher auch einzubinden, wie denjenigen, die über keinen eigenen Stellplatz verfügen, der Zugang zu Ladepunkten erleichtert werden kann. Eine Förderung bei der Schaffung neuer privater Stellplätze wäre denkbar.

In Zeiten autofreierer Innenstädte ist eine noch näher liegende Ergänzung der bisherigen Bemühungen aber vielleicht ein vereinfachtes Sharing privater Ladepunkte. Gerade Mieter werden in der Regel nicht berechtigt sein, ihren Stellplatz und damit ihre Lademöglichkeit Dritten zugänglich zu machen. Investitionen verpuffen dann, ohne ihren vollen gesellschaftlichen Nutzen zu entfalten. Wenn es dem Gesetzgeber also gelingt, den Adressatenkreis dieses fortschrittlichen Projekts dauerhaft zu erweitern, ist ein großer Schritt in Richtung Elektromobilität getan.

Festhalten können wird man, dass der Schritt, Verbraucherinvestitionen zu stärken, eine sinnvolle Ergänzung der Elektromobilitätsförderung ist, die allerdings stets eines umfassenden Förderkonzepts bedarf.

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Tags: Auto Elektromobilität Ladeinfrastruktur Regierungsentwurf WEG