3. Februar 2012
Geldvermehrung ohne Geld?
Steuerrecht

Besteuerung von Online-Glücksspiel und Sportwetten: Dreht Berlin den Kieler Geldhahn zu, bevor er zu sprudeln beginnt?

Seit Schleswig-Holstein im September letzten Jahres als erstes Bundesland den zwischen allen 16 Bundesländern geltenden Glücksspielstaatvertrag aufgekündigt und ein eigenes Glücksspielgesetz (GlücksspielG SH) mit einer Landessteuer auch auf online veranstaltete Glücksspiele und Sportwetten verabschiedet hat, kursieren Spekulationen darüber, wie die Rache der übrigen 15 Bundesländer aussehen könnte. Schleswig-Holstein plant nicht nur als erstes Bundesland Glücksspielgenehmigungen an private Veranstalter zu vergeben, sondern möchte gleichzeitig auf im Internet angebotene Glücksspiele eine Steuer erheben, ohne dass es darauf ankommen soll, ob der Veranstalter in Schleswig-Holstein niedergelassen ist oder die Spielteilnehmer aus Schleswig-Holstein kommen (vgl. § 35 Abs. 2 GlücksspielG SH).

Schleswig-Holstein schließt damit eine Lücke, die für die Besteuerung von aus dem Ausland angebotenen online Glücksspiele nach dem gegenwärtigen Renn-, Wett- und Lotteriegesetz gilt und sichert sich die Steuereinnahmen für die Landeskasse. Der Versuch des Bundeslandes, sich die Steuereinnahmen für bundesweit im Internet veranstaltete Glücksspiele und Sportwetten exklusiv zu sichern, ist sowohl in der Opposition in Kiel, als auch in den anderen Bundesländern und bei dem Lotto- und Totoblock auf heftige Kritik gestoßen. Der WestLotto Geschäftsführer Theo Goßner forderte offen „Strafmaßnahmen″ der verbleibenden Bundesländer gegen Schleswig-Holstein und ließ sich in einer Pressemitteilung mit den Worten zitieren: „Ich gehe davon aus, dass sich die anderen Länder das nicht gefallen lassen und angemessen darauf reagieren.″

Mit der Frage „Überholen die Länder Schleswig-Holstein im Bund″ haben wir im November letzten Jahres an dieser Stelle über eine von Sachsen-Anhalt ausgehende Bundesratsinitiative zur Änderung des Renn-, Wett- und Lotteriegesetzes berichtet und vermutet, die Länder könnten die Gesetzesinitiative im Bundesrat auch als Waffe gegen das Glücksspielgesetz in Schleswig-Holstein einsetzen. Ziel dieses Gesetzesvorhabens ist eine Ausweitung der Steuerpflicht für Glücksspiele und Sportwetten auf Bundesebene auf online veranstaltete Wetten, die sich an Spielteilnehmer aus der Bundesrepublik richten. Diese Ausweitung der Steuerpflicht, soll mit einer Absenkung des Steuersatzes für Sportwetten auf 5% vom Umsatz einhergehen.

Unsere Annahme, die Änderung des Renn-, Wett- und Lotteriegesetzes könne sich auch gegen das neue Glücksspielgesetz in Schleswig-Holstein richten, wird durch die jetzt veröffentlichte Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Gesetzesvorhaben bestätigt (BT-Drs. 17/8494, Anlage 2). Die Stellungnahme der Bundesregierung lässt deutlich erkennen, dass Ziel der Gesetzesinitiative (auch) die Verhinderung von landesrechtlichen Steuertatbeständen im Glücksspielwesen ist. Die Bundesregierung bemüht die Kompetenzkeule und spricht den Ländern jede Kompetenz für geplante landesrechtliche Steuerregelungen ab:

„Die Bundesregierung hält die bundesgesetzliche Regelung der Steuern für Lotterien, Ausspielungen und Sportwetten zur Vermeidung einer Rechtszersplitterung im Bundesgebiet für erforderlich und begrüßt den Vorschlag des Bundesrates, diese Steuern weiterhin abschließend durch Bundesgesetz zu regeln.″

Die Bundesregierung kommentiert den Gesetzesvorschlag auch inhaltlich und zeigt einige Schwachstellen auf, die der Bundestag dringend beseitigen sollte, um das Inkrafttreten eines weiteren evident europarechtswidrigen Gesetzes zur Regelung des Glücksspiels zu verhindern. Durch das Inkrafttreten des europarechtswidrigen Glücksspielstaatsvertrags zum 1. Januar 2008 wurde die seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dem alten Lotteriestaatsvertrag bestehende Rechtsunsicherheit bereits in unzumutbarer Weise in die Länge gezogen. Der Schwebezustand hat sowohl den privaten Glücksspielanbietern, die z.B. durch Sponsoringverträge bereits erhebliche Investitionen in den deutschen Markt getätigt hatten, als auch den Gesellschaften des Lotto- und Totoblocks erheblichen finanziellen Schaden zugefügt. Eine Fortschreibung der bestehenden Rechtsunsicherheit würde den Schaden nur vergrößern.

Insbesondere merkt die Bundesregierung zu Recht an, dass der Gesetzesvorschlag des Bundesrates keine Anrechnungsvorschrift für im Ausland gezahlte Steuern vorsieht. Eine entsprechende Anrechnungsvorschrift ist angesichts des weiten Anwendungsbereichs der geplanten Steuer auch auf im Ausland veranstaltete Glücksspiele, an denen Teilnehmer über das Internet aus Deutschland heraus teilnehmen, dringend erforderlich. Eine doppelte Besteuerung des in einem Mitgliedstaat veranstaltete Glücksspiels einerseits durch den Mitgliedstaat in dem das Spiel veranstaltet wird und andererseits durch den Mitgliedstaat von dem aus Nachfrager an dem Spiel teilnehmen, stellte eine nicht zu rechtfertigende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AUEV dar; das grenzüberschreitende Glücksspielangebot würde gegenüber dem rein national veranstalteten Glücksspiel steuerrechtlich ungleich behandelt, ohne dass hierfür eine Rechtfertigung erkennbar ist.

Nachdem der Gesetzentwurf den Bundesrat passiert hat, liegt die Entscheidung hierüber nun beim Bundestag. Letztlich dürfte die Zukunft auch dieses Gesetzes jedoch von dem Segen der Europäischen Kommission abhängen: die Änderungen des Renn-, Wett- und Lotteriegesetzes sind untrennbar verbunden mit der in dem neuen Glücksspielstaatsvertrag vorgesehenen teilweisen Öffnung des privaten Glücksspiel- und Sportwettenmarktes; jede Änderung des Renn-, Wett- und Lotteriegesetzes dürfte daher von dem Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags abhängen. Das Schicksal des neuen Glücksspielstaatsvertrags aber liegt seit der Beschlussfassung der Landesfürsten am 15. Dezember 2011 in den Händen der EU Kommission. Es bleibt die Hoffnung auf ein schnelles und salomonisches Urteil aus Brüssel…

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