25. August 2020
DAC 6 grenzüberschreitende Steuergestaltungen
Steuerrecht

Update DAC 6: Aktualisierter Diskussionsentwurf des BMF zur Anwendung der Vorschriften über Mitteilungspflichten bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen

DAC 6: Finanzverwaltung wendet aktuellen Diskussionsentwurf des BMF zu den Mitteilungspflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen an.

Im Zusammenhang mit der Entscheidung des Bundesfinanzministers in Deutschland nicht für eine Verlängerung der Mitteilungspflichten zu optieren war verlautbart und erwartet worden, dass ein finales Anwendungsschreibens des Bundesfinanzministeriums (BMF) zur Anwendung der Vorschriften über Mitteilungspflichten bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen spätestens zum 1. Juli 2020 und damit zum Beginn der Mitteilungspflichten vorliegen würde. Der bisherige Diskussionsentwurf eines solchen Schreibens war am 9. März 2020 mit Stand vom 2. März 2020 veröffentlicht worden.

Anfang August 2020 hat das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) einen neuen Entwurf des BMF mit Stand vom 14. Juli 2020  veröffentlicht. Dieser Entwurf gibt den aktuellen Stand der Erörterungen zwischen den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder wieder, ist aber noch nicht final abgestimmt. Gleichwohl weist das BZSt auf seiner Webseite darauf hin, dass es im Hinblick auf die Auslegung der §§ 138d ff. AO entsprechend dem gegenwärtigen Diskussionsstand des BMF-Schreibens verfahren wird.

Mitteilungspflichten bestehen seit 1. Juli 2020

Wie bereits zu erwarten stand, ist in dem Entwurf weder eine grundsätzliche Verschiebung der Meldefristen noch eine vorübergehende Nichtbeanstandungsregelung bei Fristversäumnissen enthalten (aus technischen Gründen hatte der bisherige Entwurf eine solche noch bis zum 30. September 2020 vorgesehen). Die Mitteilungspflichten bestehen demnach seit dem 1. Juli 2020, Altfälle sind unverändert bis zum 31. August 2020 zu melden. Die Annahme der Mitteilungen über grenzüberschreitende Steuergestaltungen durch das BZSt ist über das BOP-Formular ab dem 1. Juli 2020 und über die Massendatenschnittstelle ELMA ab dem 15. Juli 2020 möglich.

Aktueller BMF-Diskussionsentwurf – Wesentliche Aktualisierungen im Überblick

Im Vergleich zum vorhergehenden Entwurf enthält der neue 72 Seiten starke Diskussionsentwurf eine ganze Reihe hilfreicher Ergänzungen sowie Klarstellungen. Hervorzuheben sind u.a. folgende Änderungen:

Klarstellung beim Begriff der Steuergestaltung

Im Hinblick auf den Begriff der Steuergestaltung wird ausdrücklich klargestellt, dass eine solche nicht vorliegt, wenn ein Steuerpflichtiger lediglich den Ablauf einer gesetzlichen Frist oder eines gesetzlichen Zeitraums abwartet, nach welchem er eine Transaktion steuerfrei oder nicht steuerbar realisieren kann.

Reine Umsetzungshandlungen in Erfüllung einer vertraglichen Abrede (z.B. der reine Zahlungsvorgang zur Bedienung bereits bestehender, vertraglicher Verpflichtungen) sind nicht als (neue) Gestaltung zu werten.

Konkretisierungen zum Begriff des Intermediärs

Intermediär ist gemäß § 138d Abs. 1 AO derjenige, der eine grenzüberschreitende Steuergestaltung vermarktet, sie für Dritte konzipiert, organisiert oder zur Nutzung bereitstellt oder ihre Umsetzung durch Dritte verwaltet. Hier stellt das BMF nun ausdrücklich klar, dass Intermediär nicht sei, wem die steuerliche Bedeutung des Schaffensprozesses nicht bewusst ist, z.B. weil er lediglich eingesetzt wird, den in der Gestaltung vorgesehenen Betriebsübergang arbeitsrechtlich zu begleiten oder er für Umsetzungsfragen etwa des Gesellschaftsrechts oder des Kapitalmarktrechts eingeschaltet wird – z.B. durch das Aufsetzen von Gesellschaften, Unternehmensverträgen oder Darlehensverträgen. Anders als bei einer umfassenden und systematischen Organisation bzw. administrativen Vorbereitung der Umsetzung der Steuergestaltung, werde in solchen Fällen lediglich eine (unschädliche) partielle, unterstützende Rechtsberatung erbracht.

Zudem werden die Tätigkeiten des Vermarkten, Konzipierens und Verwaltens der Umsetzung näher spezifiziert. So sei z.B. die bloße Wiedergabe oder Darstellung des Gesetzeswortlauts, der Auffassung der Finanzverwaltung, der Rechtsprechung der (Finanz-)Gerichte etc. zu abstrakten einzelnen Rechtsfragen kein Konzipieren im Sinne des § 138 Abs. 1 AO. Zudem falle unter die Verwaltung der Umsetzung regelmäßig nicht die bloße Abbildung der steuerlichen Konsequenzen aus der Umsetzung der Steuergestaltung im Rahmen der Erstellung der entsprechenden Steuererklärungen, sofern die Steuergestaltung hierdurch nicht insgesamt umgesetzt werde.

Konkretisierungen zu den (anderen) Beteiligten der Steuergestaltung

Als Beteiligte i.S.d. § 138d Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO kommen nach dem Diskussionsentwurf des BMF der Nutzer, andere Beteiligte sowie ggf. der Intermediär in Betracht. Hier sind u.a. folgende Klarstellungen und Konkretisierungen erfolgt:

Nutzer: Im Hinblick auf die Beteiligten ist u.a. die Tatbestandsvoraussetzung „Bereitstellung zur Umsetzung″ (§ 138d Abs. 5 Nr. 1 AO) konkretisiert worden. Es wird klargestellt, dass in einem Beratungsgespräch mit dem Steuerberater allein durch die Darlegung von Handlungsoptionen oder Gestaltungsmöglichkeiten dem Nutzer noch keine Steuergestaltung zur Umsetzung bereitgestellt wird. Dies sei nur dann der Fall, wenn allein die Informationen in dem Beratungsgespräch den Nutzer in die Lage versetzen würden, eine der dargestellten Handlungsoptionen unmittelbar selbst umzusetzen.

Andere Beteiligte: Zu den an der Gestaltung Beteiligten gehören neben dem Nutzer bzw. den Nutzern auch die ihnen nahestehenden Personen i.S.d.§ 1 Abs. 2 des Außensteuergesetzes (AStG) sowie ihre jeweiligen Geschäfts- oder Vertragspartner, wenn sie in die jeweilige Steuergestaltung aktiv eingebunden sind. Das bedeutet nicht, dass dem anderen an der Gestaltung Beteiligten bekannt sein muss, dass er an einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung mitwirkt.

Besonderheiten bei Personengesellschaften und Gemeinschaften: Nutzer der Steuergestaltungen ist grundsätzlich die Personengesellschaft oder Gemeinschaft, bei der sich der grenzüberschreitende Steuervorteil auswirkt. Für Gesellschafter und Gemeinschafter von Personengesellschaften wird klargestellt, dass diese „andere an der Gestaltung Beteiligte″ sind. Sie können ausnahmsweise auch Nutzer der Steuergestaltung sein, wenn sich die grenzüberschreitende Steuergestaltung nicht ausschließlich bei der Personengesellschaft oder Gemeinschaft, sondern darüber hinaus auch unmittelbar beim Gesellschafter oder Gemeinschafter steuerlich auswirken soll und dieser eine der Voraussetzungen des § 138d Abs. 5 AO erfüllt.

Besonderheiten im Konzern: Innerhalb einer Konzernstruktur können die rechtlich und steuerrechtlich eigenständigen Unternehmenseinheiten unabhängig voneinander Intermediär, Nutzer oder andere Beteiligte einer Gestaltung sein. Hier konkretisiert das BMF nun, dass die Bereitstellung zur Umsetzung einer Steuergestaltung an die Konzern(ober)gesellschaft, deren Umsetzungsbereitschaft oder Umsetzung des ersten Schrittes, auch den ihr nachgeschalteten Konzerngesellschaften zuzurechnen ist, wenn sich die Gestaltung auch bei diesen Gesellschaften steuerlich auswirken soll. Dies soll allerdings nur gelten, wenn die Konzernobergesellschaft mittelbar oder unmittelbar über die Mehrheit der Stimmrechte an den nachgeschalteten Konzerngesellschaften verfügt.

Besonderheiten bei Investmentfonds und Spezial-Investmentfonds: Nutzer der grenzüberschreitenden Steuergestaltung ist grundsätzlich der Investmentfonds i.S.d. § 1 Abs. 2 InvStG oder ein Spezial-Investmentfonds i.S.d. § 26 InvStG, wenn sich die betreffende Gestaltung bei ihm oder ausschließlich auf Ebene des Anlegers steuerlich auswirkt. Bei einem Spezial-Investmentfonds ist auch der Anleger Nutzer, bei dem sich die grenzüberschreitende Steuergestaltung steuerlich auswirken soll.

Klargestellt wird auch ausdrücklich, dass eine Kapitalverwaltungsgesellschaft oder eine sonstige Verwaltungsgesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 14 KAGB Intermediär ist, wenn sie eine Steuergestaltung vermarktet, sie für einen Investmentfonds oder für einen Spezial-Investmentfonds und dessen Anleger konzipiert, zur Nutzung bereitstellt oder die Umsetzung zur Nutzung der grenzüberschreitenden Steuergestaltung verwaltet.

Ergänzungen der sogenannten White-List

Das BMF ist ermächtigt, Fallgruppen zu definieren, für die kein steuerlicher Vorteil i.S.d. § 138d Abs. 3 Satz 1 und 2 AO anzunehmen ist, sofern sich der steuerliche Vorteil ausschließlich im Inland auswirkt und unter Berücksichtigung aller Umstände gesetzlich vorgesehen ist. Diese Fälle hat das BMF im aktuellen Entwurf weiter ergänzt. Die sogenannte White List sieht aktuell folgende Fälle vor:

  • Nutzung von Freigrenzen und Freibeträgen,
  • Ausübung steuerlicher Wahlrechte,
  • Erfüllung der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 5 KStG oder § 3 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG),
  • Vorgänge, die dem Gesetz zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung (Forschungszulagengesetz – FZulG) unterfallen,
  • Abschluss von Altersvorsorgeverträgen und Basisrentenverträgen, die nach den §§ 5 und 5a des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes (AltZertG) zertifiziert sind,
  • Güterstandsklauseln unter Nutzung von § 5 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG),
  • Änderung des Gesellschaftsvertrags, um die Voraussetzungen des § 13a Abs. 9 ErbStG zu erfüllen,
  • Abschluss von Poolverträgen i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG zur Herbeiführung einer Begünstigung von Anteilen an Kapitalgesellschaften,
  • Renten, Entschädigungen und Leistungen i. S. d. § 3 Nr. 8 und 8a EStG,
  • Betriebliche Altersversorgung für Arbeitnehmer im Rahmen der § 3 Nr. 55, 55c, 63 und 66; §§ 4d Abs. 3 und 4e Abs. 3 sowie §§ 10a, 79 ff. und 100 EStG,
  • Übertragung von Anrechten gemäß § 3 Nr. 55c und 55d EStG,
  • Abschluss von Verträgen, bei denen die geleisteten Beiträge als Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 oder 3a EStG anerkannt werden können,
  • Ansatz des hälftigen Unterschiedsbetrags nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG bei kapital-bildenden Lebensversicherungen,
  • Versicherungen, die im Rahmen des Kontrollmeldeverfahrens nach § 50d Abs. 6 i. V. m. Abs. 5 EStG gemeldet werden,
  • Langfristige Auf- oder Abstockung von Beteiligungen, die darauf abzielen, eine abweichende steuerliche Rechtsfolge auszulösen (z. B. Vermeidung von § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG, Erfüllung der Anlagebedingung nach § 26 Nr. 6 Satz 1 InvStG) und
  • Errichtung einer ertragsteuerlichen Organschaft gemäß den §§ 14 bis 19 KStG sowie § 2 Abs. 2 Satz 2 und § 7a GewStG.
  • Wohnsitzverlegung zur Inanspruchnahme oder Vermeidung der Grenzgängerregelung nach den DBA,
  • Zusätzlicher (privater) Aufenthalt im ausländischen Tätigkeitsstaat zur Überschreitung der abkommensrechtlichen 183-Tages-Frist,

Eine andere Beurteilung kann sich nach BMF aber ergeben, wenn Vertragsklauseln oder weitere (Teil-)Schritte im Zusammenhang mit den oben genannten Fallgruppen in einer zusammenhängenden Betrachtung zu einem gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehenen steuerlichen Vorteil führen, der insbesondere im rein nationalen Kontext nicht erzielt werden würde.

Daher sollen z. B. Auf- und Abstockungen von Beteiligungen nicht von der Mitteilungspflicht ausgenommen sein, wenn bereits im Zeitpunkt der Auf- bzw. Abstockung beabsichtigt ist, die Beteiligung nach Erlangung des steuerlichen Vorteils wieder ab- bzw. aufzustocken.

Auch die sog. Atomisierung zum Zweck der mehrfachen Inanspruchnahme von Freigrenzen oder Freibeträgen geht nach BMF über die reine Nutzung von Freibeträgen hinaus und ist daher nicht nach § 138d Abs. 3 Satz 3 AO von der Mitteilungspflicht ausgenommen.

Tags: BMF DAC 6 grenzüberschreitende Steuergestaltungen White List