Finanzverwaltung erleidet eine erneute Niederlage. Der BFH sieht den Umfang des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Übertragung als maßgebend an.
Trotz abweichender BFH-Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung bislang an ihrer Auffassung festgehalten, wonach eine Übertragung von Wirtschaftsgütern (in der Praxis meist Grundstücke) im zeitlichen Zusammenhang mit der unentgeltlichen Übertragung eines (Teil-)Betriebs oder Mitunternehmeranteils auf eine andere Person als den Unternehmenserwerber zur steuerpflichtigen Aufdeckung der stillen Reserven im übertragenen Vermögen führt. Dieser Auffassung hat der BFH nun in dem diese Woche veröffentlichten Urteil vom 9. Dezember 2014 (IV R 29/14) erneut eine Absage erteilt.
Finanzverwaltung: Aufdeckung stiller Reserven
Der Vater war zu zwei Dritteln und der Sohn zu einem Drittel an einer GmbH & Co. KG (Speditionsunternehmen) beteiligt. Die betrieblich genutzten Grundstücke standen im Eigentum des Vaters. Sie gehörten daher zum sog. steuerlichen Sonderbetriebsvermögen des Vaters bei der KG. Der Vater übertrug seine Beteiligung an der KG sowie sämtliche betrieblich genutzten Grundstücke auf den Sohn. Kurz zuvor wurde ein früher ebenfalls von der Spedition genutztes Grundstück des Sonderbetriebsvermögens an einen Dritten veräußert.
Die Finanzverwaltung sah den vorherigen Verkauf des Grundstücks als schädlich für eine ertragsteuerneutrale Übertragung des Betriebsvermögens nach § 6 Abs. 3 EStG auf den Sohn an, da – unter Anwendung der sog. Gesamtplanrechtsprechung – nicht sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen an den Sohn übertragen wurden. Folge war eine steuerpflichtige Aufdeckung der stillen Reserven in dem an den Sohn übertragenen Vermögen.
BFH: Umfang des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Übertragung maßgebend
Wie bereits zuvor das Finanzgericht Münster (Urteil vom 9. Mai 2014, EFG 2014 S. 1369) lehnt der BFH die Anwendung der Gesamtplanrechtsprechung im Rahmen der unentgeltlichen Übertragung von (Teil-)Betrieben und Mitunternehmeranteilen ab, da diese weder vom Gesetzeswortlaut noch vom Normzweck der Vorschrift (Sicherung der Liquidität des Unternehmens sowie Erleichterung der Generationennachfolge) gedeckt sei.
Ausschlaggebend für die Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG sei allein der Umfang des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Übertragung. Das zuvor veräußerte Grundstück gehörte im Zeitpunkt der unentgeltlichen Übertragung nicht mehr zum Betriebsvermögen. Damit umfasste die Übertragung des Betriebsvermögens auf den Sohn sämtliche Wirtschaftsgüter und konnte deshalb ohne Entstehung eines Gewinns erfolgen.
Der BFH verfolgt mit diesem Urteil seine bisher eingeschlagene Linie weiter. Bereits im Urteil vom 2. August 2012 (IV R 41/11, BFH/NV 2012 S. 2053) hat er es als unschädlich angesehen, wenn gleichzeitig mit der unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils ein Wirtschaftsgut unter Buchwertansatz nach § 6 Abs. 5 EStG in eine dem Übertragenden gehörende Personengesellschaft, also nicht auf den Erwerber des Betriebsvermögens übertragen wird.
Erleichterungen für die Praxis
Die Auffassung des BFH ist sehr großzügig und für die Praxis erfreulich.
Nach der BFH-Rechtsprechung ist im Ergebnis einzige Einschränkung für die Ertragsteuerneutralität einer unentgeltlichen Übertragung eines (Teil-)Betriebs oder Mitunternehmeranteils noch, dass die übertragene Wirtschaftseinheit beim Erwerbenden in dem erhaltenen Umfang funktionsfähig sein muss.
Erleichterungen bestehen insbesondere für Familienunternehmer, die z. B. eine Immobilie zur persönlichen Versorgung zurückbehalten möchten. Nach Auffassung des BFH ist es unschädlich, diese Immobilie vorab – oder auch gleichzeitig – in eine gewerblich geprägte eigene GmbH & Co. KG des Übertragenden auszugliedern. Die Finanzverwaltung lehnte dies bisher kategorisch ab und hat sich durch einen Nichtanwendungserlass gegen die Anwendung des BFH-Urteils aus dem Jahr 2012 gesperrt. Dies wird nach dem nun veröffentlichten Urteil des BFH kaum mehr haltbar sein. Die Reaktion der Finanzverwaltung bleibt mit Spannung abzuwarten.
Die Rechtsprechung des BFH kommt zudem zum „richtigen″ Zeitpunkt. Mit Urteil vom 17. Dezember 2014 hat das Bundesverfassungsgericht die Fortgeltung der aktuell gültigen schenkungsteuerlichen Begünstigungen für Betriebsvermögen bis längstens zum 30. Juni 2016 angeordnet. Wer diese Rechtslage noch nutzen will, kann sich nun auch im Bereich der Ertragsteuer über Erleichterungen freuen. Unerwünschte Mitübertragungen von Vermögensgegenständen, komplizierte Gestaltungen oder das Abwarten von Schamfristen sind zumindest nach der Rechtsprechung des BFH nicht mehr zwingend notwendig.