Ein EuGH-Urteil zur Reichweite der Umsatzsteuerbefreiung bei Fonds hat weitreichende Bedeutung für AIFs, ihre Verwalter und externe Dienstleister.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 9. Dezember 2015 ein grundlegendes Urteil zur Reichweite der Umsatzsteuerbefreiung bei Fonds verkündet (Fiscale Eenheid X, Rs. C-595/13).
Von der Umsatzsteuer erfasste Fondstypen
Die Umsatzsteuerbefreiung der Verwaltung von Fonds erstreckt sich nach Ansicht des EuGH nicht nur auf Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAWs), sondern erfasst auch Fonds, die dieselben Merkmale aufweisen bzw. den OGAWs soweit ähnlich sind, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen.
Grundvoraussetzung der Vergleichbarkeit ist das Vorhandensein einer besonderen staatlichen Aufsicht. Eine solche Aufsicht wird regelmäßig im Anwendungsbereich der AIFM-Richtlinie anzunehmen sein. Ausnahmen werden im Abschnitt „Folgen für Private-Equity-Fonds“ dargestellt.
Der EuGH nennt darüber hinaus folgende Merkmale, die erfüllt sein müssen, um eine Vergleichbarkeit mit einem OGAW annehmen zu können:
- Mehrheit von Anlegern: Der Fonds hat Kapital von mehreren Personen eingesammelt.
- Gewinnabhängigkeit: Der von den Anlegern erzielte Ertrag hängt von den Ergebnissen der Anlagen des Fonds ab.
- Gewinnbeteiligung: Die Anleger haben ein Anrecht auf die Gewinne des Fonds.
- Anlagerisiko: Die Anleger tragen das sich aus der Verwaltung des Fonds ergebende Risiko.
- Risikomischung: Das Vermögen des Fonds wird nach dem Grundsatz der Risikostreuung angelegt.
Der EuGH stellt ausdrücklich fest, dass die Umsatzsteuerbefreiung nicht auf bestimmte Assetklassen beschränkt ist.
Umfang der umsatzsteuerfreien Verwaltungsleistungen
Der EuGH präzisiert in dem Urteil den Umfang der für die Verwaltung eines Fonds spezifischen Leistungen. Die spezifische Tätigkeit eines Fonds bestehe in der Anlage des eingesammelten Kapitals für gemeinsame Rechnung der Anleger.
Von der Umsatzsteuerbefreiung erfasst sind daher folgende Verwaltungsleistungen:
- Portfolioverwaltung, d. h. Tätigkeiten in Bezug auf die Auswahl und den An- und Verkauf von Vermögensgegenständen und die diesbezügliche Beratung.
- Administrative Tätigkeiten gemäß Anhang II der OGAW-Richtlinie (z. B. Rechnungslegung, Bewertung, Preisfestsetzung, Steuererklärungen).
Nicht umsatzsteuerfrei sind alle Tätigkeiten, die über die Anlage für gemeinsame Rechnung hinausgehen. Bei Immobilienfonds zählt hierzu die tatsächliche Bewirtschaftung der Immobilien. Mit der tatsächlichen Bewirtschaftung wird die Erhaltung und Werterhöhung des angelegten Vermögens bezweckt. Dieses Ziel ist jedoch nicht fondstypisch, sondern jeder Form der Vermögensanlage eigen (z. B. auch der Direktanlage).
Die Anwendung der Urteilsgrundsätze in der Praxis wird dadurch erschwert, dass der EuGH keine umfassende Definition dessen gibt, was unter Portfoliomanagement einerseits und unter tatsächlicher Bewirtschaftung andererseits zu verstehen ist. Lediglich der Bereich der „administrativen Tätigkeiten“ ist durch die Bezugnahme auf die OGAW-Richtlinie einigermaßen klar konturiert.
Unseres Erachtens ist das Urteil so zu verstehen, dass die in der Immobilienwirtschaft üblicherweise dem Asset-, Property- und Facility-Management zugeordneten Aufgaben umsatzsteuerpflichtig sind. Umsatzsteuerbefreit ist dagegen das Portfoliomanagement, worunter der EuGH ausdrücklich die Auswahl sowie den Kauf und Verkauf von Objekten versteht.
Zwar sind darüber hinaus auch administrative Tätigkeiten umsatzsteuerbefreit; dies gilt jedoch nur für die fondstypischen Tätigkeiten (Rechnungswesen, Anteilswertermittlung, steuerliche Deklarationsaufgaben), nicht für die objektbezogenen Verwaltungsaufgaben.
Folgen für Immobilienfonds und Immobilienwirtschaft
Die nach deutschem Umsatzsteuerrecht gewährte Umsatzsteuerbefreiung der Verwaltung offener Immobilienfonds steht in Einklang mit dem EU-Recht.
Die generelle Umsatzsteuerpflicht der Verwaltung geschlossener Immobilienfonds wird sich hingegen nicht aufrechterhalten lassen. Auf der Grundlage des Urteils ist eine Ausdehnung der Steuerbefreiung auf risikodiversifizierte und beaufsichtigte geschlossene Fonds geboten.
Soweit Kapitalverwaltungsgesellschaften das Portfoliomanagement ausgelagert haben, ist darauf zu achten, dass die entsprechenden Leistungen ohne Umsatzsteuer bezogen werden. Dies gilt, da das Urteil des EuGH mit keiner Übergangsregelung verbunden ist, auch für bereits erhaltene und abgerechnete Leistungen.
Dienstleister, die Portfoliomanagementleistungen erbringen, müssen diese in der Regel ohne Umsatzsteuer abrechnen. Da sie insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, erhöht sich ihre Kostenbasis. Dem kann ggf. durch strukturelle Anpassungen entgegengewirkt werden. Ansonsten bleibt zur Kompensation des Umsatzsteuernachteils nur eine Erhöhung der Verwaltungsgebühren.
Folgen für Private–Equity-Fonds
Da die Umsatzsteuerbefreiung nicht auf bestimmte Assetklassen beschränkt ist, können die Grundsätze des Urteils auf Private-Equity-Fonds übertragen werden. Diese unterliegen in Deutschland einer staatlichen Aufsicht auf der Grundlage der im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) enthaltenen Regelungen. Ob dies auch gilt, wenn diese Fonds von einer lediglich registrierten Kapitalverwaltungsgesellschaft i. S. d. § 44 KAGB extern oder intern verwaltet werden, ist offen. Denn diese sog. „kleinen“ Kapitalverwaltungsgesellschaften unterliegen zwar bestimmten Registrierungs- und Meldepflichten, aber keiner laufenden Aufsicht. Insoweit sind sie nur sehr bedingt mit lizenzierten OGAW-Verwaltungsgesellschaften vergleichbar.
Allerdings will der EuGH eine Steuerbefreiung nur bei risikogemischten Fonds annehmen. Welche quantitativen und ggf. qualitativen Anforderungen an ein risikogemischtes Portfolio zu stellen sind, wird in dem Urteil nicht näher ausgeführt. Da es dem EuGH um eine Vergleichbarkeit mit OGAWs geht, dürfte im Grundsatz das in der OGAW-Richtlinie zum Ausdruck kommende Verständnis von Risikomischung maßgeblich sein.
Dessen ungeachtet lassen sich die Risikomischungsvorschriften der OGAW-Richtlinie, die auf Anlagen in übertragbare Wertpapiere zugeschnitten sind, nicht 1: 1 auf andere Assetklassen übertragen. Besser geeignet erscheint im Sinne einer Mindestanforderung die im deutschen Investmentsteuerrecht enthaltene Definition, wonach Risikomischung bei einer Anlage in mehr als drei Vermögensgegenstände mit unterschiedlichen Anlagerisiken gegeben ist. Für die Anwendung dieser zahlenmäßigen Untergrenze spricht, dass sie im Einklang mit dem Risikomischungskonzept der OGAW-Richtlinie steht (vgl. auch BaFin vom 28. Juli 2009 zu Goldfonds). In der Konsequenz dürften Private-Equity-Fonds, die nur in eine Zielgesellschaft investieren, nicht in den Anwendungsbereich der Umsatzsteuerbefreiung fallen.
Folgen für andere Alternative Investmentfonds
Auch auf andere AIF – z. B. Erneuerbare-Energien-Fonds – sind die Grundsätze des EuGH-Urteils übertragbar. Wesentlich wird auch in diesen Fällen die Differenzierung nach dem Aufsichts- und dem Risikomischungskriterium sein.