Influencer müssen alle Einnahmen, auch Sachleistungen, versteuern – bei Fehlern drohen Nachzahlungen und strafrechtliche Konsequenzen.
Die Digitalisierung hat neue Berufsbilder hervorgebracht. Mit hunderten von Tausenden Followern verdienen Influencer* mit Videos, Fotos und Podcasts teils mehrere Zehntausend Euro pro Monat. Viele verdienen damit ihren Lebensunterhalt und bekommen Sachleistungen wie Reisen und kostenlose Produkte. Diese Einnahmen sind nicht „nebenbei“ – sie führen zu Einkommen-, Gewerbe- und ggf. Umsatzsteuer und in manchen Fällen sogar zu strafrechtlicher Verantwortung. Auch die steuerlichen Folgen für Influencer beim Auslandsumzug sind erheblich und erfordern eine genaue Prüfung.
Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität in NRW deckt EUR 300 Mio. auf
In Nordrhein‑Westfalen wurden nicht abgeführte Steuern in Höhe von EUR 300 Mio. aufgedeckt. Dazu soll das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität Social‑Media‑Profile ausgewertet haben, um professionelle Content‑Creator zu ermitteln, die regelmäßig hohe Einnahmen erzielen. Besonders im Fokus stehen dabei wohl Influencer, die sich ins Ausland abmelden und versuchen der deutschen Steuerpflicht zu entgehen. Die Ermittlungen dürften in Steuerstrafverfahren enden und zeigen: Das Influencer‑Geschäft steht im Fokus der Steueraufsicht.
Welche Steuern fallen bei Influencern an?
Influencer verdienen Geld durch Werbung, Produktplatzierungen, Affiliate‑Links oder den Verkauf eigener Produkte. Die Finanzverwaltung geht daher regelmäßig von gewerblichen Einkünften aus, zu deren Betriebseinnahmen alle Zugänge an Geld und Geldeswert zählen, d.h. auch Sachleistungen mit dem Marktwert (bspw. kostenlose Produkte, Reisen, Hotelübernachtungen oder Einladungen zu Veranstaltungen). Nur wenn die Waren zurückgesandt werden müssen, sehr geringwertig sind oder der Auftraggeber die Versteuerung übernimmt, kann eine Ausnahme bestehen. Übersteigen die Gewinne (Einnahmen minus Ausgaben) im Kalenderjahr den Grundfreibetrag, wird Einkommensteuer fällig.
Wer ins Ausland verzieht, bleibt in Deutschland unbeschränkt Einkommensteuerpflichtiger, wenn der Wohnsitz oder ein gewöhnlicher Aufenthalt beibehalten wird. Beim vollständigen Wegzug können stille Reserven auf Betriebsvermögen oder Beteiligungen an Kapitalgesellschaften aufgedeckt werden und eine beschränkte Einkommensteuerpflicht kann fortbestehen.
Die Einkommesteuer (sog. Quellensteuer) kann aber auch anfallen, wenn der Influencer im Ausland lebt und ein deutscher Auftraggeber Zahlungen leistet (bspw. für Werbedrehs oder für die Nutzung von Namens- und Bildrechten).
Weil die inländische Tätigkeit regelmäßig als inländischer Gewerbebetrieb gilt, fällt ab einem Gewerbeertrag von EUR 24.500 Gewerbesteuer an, die teilweise auf die Einkommensteuer angerechnet werden kann. Nicht ausgeschlossen – aber wohl nur in Einzelfällen möglich – ist, dass Influencer nur „journalistische“ Inhalte wiedergeben (z. B. reine Reiseberichte) und mit der Argumentation, sie seien Freiberufler, der Gewerbesteuerpflicht entgehen können.
Als Unternehmer müssen Influencer Umsatzsteuer abführen, sobald sie die Kleinunternehmergrenzen (§ 19 UStG) überschreiten. Wichtig: Zum Umsatz gehören auch Sachleistungen wie Reisen oder gesponserte Produkte.
Welche Konsequenzen drohen und wie sollte man jetzt handeln?
Wer Einnahmen nicht erklärt, Steuererklärungen verspätet oder inhaltlich unrichtig abgibt, riskiert hohe Geldstrafen und sogar Freiheitsstrafen. Die Finanzverwaltung kann Daten von Social‑Media‑Plattformen, Streaming‑Anbietern und Banken auswerten. Wer bislang keine oder zu niedrige Einkünfte oder Umsätze angegeben hat, sollte sofort handeln und unverzüglich eine steuerliche Bestandsaufnahme durchführen und alle Einnahmen, auch Sachleistungen und ausländische Einkünfte, dokumentieren.
Tax Compliance: Selbstanzeige und Berichtigung der Steuererklärungen
Grundsätzlich kennt das deutsche Steuerrecht mit der strafbefreienden Selbstanzeige die goldene Brücke in die Steuererhlichkeit. Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen Steuerstraftaten nicht bestraft (§ 371 AO).
Unter Berücksichtigung der Pressemitteilung des Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität ist hier aber Eile geboten. Denn die Straffreiheit tritt u.a. nicht ein, wenn eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO).
Auch Unternehmen, die mit Influencern zusammenarbeiten, sollten prüfen, ob sie ihren Steuerabzugs‑ und Meldepflichten korrekt nachkommen.
Strukturierung: Anpassung der Steuerstruktur an das Geschäftsmodells
Wer ein neues Geschäftsmodell beginnt oder das bestehende Modell steuerlich optimieren möchte, sollte in Zusammenarbeit mit rechtlichen und steuerlichen Beratern die wirtschaftlichen und rechtlichen Ziele analysieren und die passende Struktur entwickeln.
Kooperationen, Sponsoring‑Verträge und Affiliate‑Modelle sollten im Hinblick auf rechtliche und steuerliche Implikationen geprüft werden, um Vertragsbeziehungen steuerlich optimal abzubilden.
Der Wegzug aus Deutschland ist in dieser Branche allgegenwärtig. Mit Blick auf die o.g. Folgen sollte man vor der Wohnsitzverlagerung oder grenzüberschreitenden Werbedeals die steuerlichen Implikationen analysieren. Neben dem nationalen Steuerrecht in den beteiligten Jurisdiktionen gilt es auch Doppelbesteuerungsabkommen, Quellensteuern und Wegzugsbesteuerung zu beachten.
Compliance und laufende Beratung
Influencer sind Geschäftsleute und müssen eine rechtssichere Buchführung einführen, Einnahmenüberschussrechnungen oder Bilanzen, Umsatzsteuer‑Voranmeldungen und Steuererklärungen erstellen.
Gerade für die o.g. Sachleistungen, gilt es zwingend die Marktwerte zu dokumentieren, um sich gegen den Vorwurf wehren zu können, dass man höhere Einnahmen erzielt, als angegeben, hat.
Verteidigung gegen Ermittlungsmaßnahmen und Steuerfesetzungen
Bei der strafbefreienden Selbstanzeige hat man nur eine einzige Chance. Daher empfiehlt es sich, diesen Schriftsatz mit der Unterstützung von erfahrenen Steuerberatern/Rechtsanwälten anzugehen, die auch das Geschäftsmodell und die Branche verstehen. Die Einbeziehung von Steuerberatern/Rechtsanwälten schafft auch kommunikativ eine gewisse Distanz zwischen dem Steuerpflichtigen und Finanzamt und sorgt für eine professionelle und sachliche Atmosphäre.
Regelmäßig enden die Ermittlungsmaßnahmen aber in neuen Steuerfestsetzungen, die profiskalisch sind. Die Finanzbehörden können hierzu auch Betriebsprüfungen durchführen und/oder unter gewissen Voraussetzungen Schätzungen vornehmen. Letztere sind regelmäßig für den Steuerpflichtigen nicht interessengerecht und werden in Einspruchs‑ und Klageverfahren angefochten.
Das Influencer‑Marketing boomt – und die Finanzverwaltung schaut genau hin
Die Fälle aus NRW zeigen, dass eine professionelle rechtliche sowie steuerliche Gestaltung und ordnungsgemäße Deklaration unerlässlich sind. Wer Einnahmen oder Sachleistungen verschweigt, riskiert nicht nur hohe Nachzahlungen, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen. Mit einer sorgfältigen Strukturierung Ihrer Tätigkeit, einer lückenlosen Dokumentation und gegebenenfalls rechtzeitigen Selbstanzeige lassen sich Risiken minimieren.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.