Grenzüberschreitende Finanzierungen gehören zu den streitanfälligsten Bereichen des Transfer Pricings. Aktuelle Neuregelungen und Praxisfragen im Überblick.
In den vergangenen Jahren haben sich die Finanzgerichte in zahlreichen Urteilen mit § 1 Außensteuergesetz (AStG) zum Thema der grenzüberschreitenden Finanzierungen auseinandersetzt. In diesem regelmäßig streitanfälligen Punkt kam es zu viel beachteten Entscheidungen durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH, Urteil v. 31. Mai 2018, C-382/16 – Hornbach-Baumarkt) sowie durch das Bundesverfassungsgericht (Beschluss v. 4. März 2021, 2 BvR 1161/19).
Der EuGH und das BVerfG bestehen darauf, dass Verrechnungspreise für Finanzierungen gemäß § 1 Abs. 1 AStG die ökonomische Realität der Unternehmen widerspiegeln müssen und pauschale Vorgaben unzulässig sind. Daraufhin ist der Gesetzgeber aktiv geworden und hat 2024 mit § 1 Abs. 3d und Abs. 3e AStG spezielle Regelungen zur Einschränkung des Zinsaufwands bei konzerninternen Inbound-Finanzierungen und zu konzerninternen Finanzierungsgesellschaften sowie Cash Pools eingeführt. Diese Bestimmungen enthalten pauschale Vorgaben zum Fremdvergleich bei Finanzierungen mit Gegenbeweismöglichkeit. Sie sind teilweise sehr vage formuliert und haben in der Praxis für erhebliche Rechtsunsicherheit gesorgt. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nimmt in den Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise (VWG VP) vom 12. Dezember 2024 ausführlich zu § 1 Abs. 3d und § 1 Abs. 3e AStG Stellung und gibt für die Praxis wichtige Hinweise.
Im folgenden Beitrag erläutern wir wesentliche Aspekte der Neuregelungen von § 1 Abs. 3d und § 1 Abs. 3e AStG unter Berücksichtigung der VWG VP anhand von typischen Praxis-Fragen zu Finanzierungsbeziehungen:
Was bedeutet Finanzierungsbeziehung dem Grunde nach?
Zunächst kann nur eine grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehung eine relevante Finanzierungsbeziehung sein. Als Finanzierungsbeziehung kann nach dem Gesetzestext insbesondere ein Darlehensverhältnis sowie die Nutzung oder die Bereitstellung von Fremdkapital und fremdkapitalähnlichen Instrumenten gelten.
Damit eine Finanzierungsbeziehung dem Grunde nach anerkannt wird, muss der Steuerpflichtige nach § 1 Abs. 3d Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) und b) AStG glaubhaft machen können, dass folgende drei Kriterien (kumulativ) erfüllt sind:
- Der Kapitaldienst kann für die gesamte Laufzeit dieser Finanzierungsbeziehung erbracht werden und es liegt eine ernstliche Abrede der Überlassung von Kapital auf Zeit vor: Nach den VWG VP gilt es im Hinblick auf dieses Kriterium insbesondere festzustellen, ob von Anfang an ausreichende Vermögenswerte/Zuflüsse zu erwarten sind, um den Darlehensgeber zu befriedigen. Maßgeblich ist die Gesamtschau. Mit Bezug auf die BFH-Rechtsprechung und die OECD-Leitlinien erwähnt das BMF als weitere Indikatoren das Vorhandensein eines festen Rückzahlungstermins, die Verpflichtung und die Modalitäten zur Zahlung von Zinsen, das Recht auf Durchsetzung der Kapital- und Zinszahlung sowie die Fähigkeit des Empfängers der finanziellen Mittel, Darlehen unter vergleichbaren Bedingungen von unabhängigen Dritten aufzunehmen.
- Die Finanzierung wird wirtschaftlich benötigt: Das BMF sieht dieses Kriterium insbesondere dann als erfüllt, wenn die Finanzierung für den Betrieb oder zur Aufrechterhaltung der Geschäftstätigkeit erforderlich ist (z.B. für die Finanzierung von Betriebsmitteln oder Investitionen in Anlagen).
- Die Finanzierung wird für den Unternehmenszweck benötigt: Nicht vereinbar mit dem Kerngeschäft eines Unternehmens kann nach Ansicht des BMF z.B. eine Anlage auf dem Tagesgeldkonto oder eine Einlage in einen unternehmensgruppeninternen Cash Pool sein, insbesondere wenn damit keine höhere Rendite erwartet wird. Wichtig ist die Klarstellung durch das BMF, dass eine Darlehensaufnahme für Zwecke einer Gewinnausschüttung im Rahmen der unternehmensüblichen Ausschüttungspolitik des ausschüttenden Unternehmens grundsätzlich nicht dem Unternehmenszweck widerspricht. Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung den Begriff „unternehmensübliche Ausschüttungspolitik“ in der Praxis auslegen wird.
Eine substantiierte und in-sich schlüssige Darlegung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass diese drei Kriterien erfüllt werden, genügt nach den Erläuterungen des BMF in den VWG VP. Kann der Steuerpflichtige die Erfüllung der drei Kriterien nicht glaubhaft machen, ist die Finanzierungsbeziehung dem Grunde nach nicht fremdvergleichskonform.
Für die Praxis bedeutet dies einen erhöhten Dokumentationsaufwand. Die Unternehmen können die mögliche Erbringung des Kapitaldiensts und die Notwendigkeit der Finanzierung beispielsweise anhand von Prognose- beziehungsweise Investitionsrechnungen belegen, die ggf. auch geplante Anschlussfinanzierungen einbeziehen können,
Kann das Unternehmen Liquiditätsreserven bilden? (Verhältnis Eigenkapital, Fremdkapital)
In den VWG VP wird erläutert, dass das Vorhalten von fremdüblichen Liquiditätsreserven oder Kapitalpuffern mit dem Kriterium des „wirtschaftlichen Benötigens″ nicht per se unvereinbar ist, obwohl eine solche Vorgehensweise in seltenen Fällen einen Bezug zum Kerngeschäft eines Unternehmens aufweisen dürfte.
Zu dieser Thematik nimmt das BMF in den VWG VP auch mittels eines Beispiels weiter Stellung: Die Planung eines Kapitalpuffers und dessen kurzfristige Anlage z.B. im unternehmensgruppeninternen Cash-Pool, wenn eine Akquisition ansteht, ist nicht per se fremdunüblich.
Auch aus diesen Aussagen der Finanzverwaltung wird ersichtlich, dass die Gesamtschau maßgeblich ist und das Ergebnis einzelfall- und teilweise branchenbezogen sein kann. Unternehmen, die im Zusammenhang mit einer konzerninternen Fremdfinanzierung größere Liquiditätsreserven bilden, sollten die wirtschaftlichen Gründe dafür genau dokumentieren.
Kann § 1 Abs. 3d AStG dazu führen, dass Fremdkapital steuerlich in Eigenkapital umqualifiziert wird?
Erfüllt eine Fremdfinanzierung nicht die Kriterien von § 1 Abs. 3d AStG, zum Beispiel weil nicht klar ist, ob das Unternehmen ein durch die ausländische Muttergesellschaft gewährtes Darlehen jemals mit Zinsen zurückzahlen kann, gilt nach Auffassung des BMF:
Gemäß § 1 Absatz 1 AStG ist die durch die Finanzierungsbeziehung verursachte Minderung der Einkünfte in Höhe des fremdunüblichen Teils rückgängig zu machen.
Rechtsfolge ist also eine Anpassung des Zinsabzugs. Eine steuerliche Umqualifizierung des Darlehens in Eigenkapital mit entsprechenden Folgen für die Kapitalertragsteuer kann dagegen nicht auf § 1 Abs. 3d AStG gestützt werden.
Finanzierungsbeziehungen – Gibt es Besonderheiten bei Start Ups?
Auch Start-Ups erhalten häufig grenzüberschreitende Fremdfinanzierungen, z.B. in Form von Wandeldarlehen oder bei Akquisitionen durch ausländische Gesellschafter. Ob das Start-Up, in der Lage sein wird, das Darlehen mit Zinsen zurückzubezahlen, lässt sich meistens nur sehr schwer vorhersagen. Die Geschäftsmodelle von Start-Ups, die noch nie dagewesene Produkte entwickeln oder neue Märkte schaffen wollen, bringen besondere Wachstumschancen und Risiken. Dazu stellt das BMF in den VWG VP klar, dass besonders risikobehaftete Finanzierungen, z.B. von Start-Ups, durchaus fremdüblich sein können. Dennoch sollten auch Start-Ups anhand von Business-Plänen oder Prognoserechnungen belegen können, dass der Kapitaldienst bei Erreichung der (ggf. hochgesteckten) Ziele erfüllt werden kann.
Wie wird der fremdübliche Zinssatz ermittelt?
Die Bestimmung des fremdüblichen Zinssatzes ist meistens der aufwändigste und streitanfälligste Teil einer Verrechnungspreisdokumentation zu konzerninternen Finanzierungen. In der Praxis wird hierzu auf Benchmarking-Studien oder vergleichbare Finanzierungsangebote von unabhängigen Dritten wie Banken oder Debt-Fonds zurückgegriffen. § 3 Abs. 3d Satz 1 Nr. 2 AStG regelt, dass der Zinssatz bei Inbound-Finanzierungen grundsätzlich anhand der Kreditwürdigkeit der gesamten Unternehmensgruppe bestimmt werden muss. Die VWG VP enthalten umfangreiche Ausführungen, wie mit diesem Verweis auf das Unternehmensgruppenrating und weiteren Faktoren, wie der Frage der Besicherung des Darlehens, umzugehen ist
Welche Unterschiede bestehen zwischen den Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise und den OECD-Richtlinien, Kapitel 10?
Die VWG VP sehen vor, dass grundsätzlich auf das Konzernrating abzustellen ist und ein sogenannter Top-down-Ansatz den angemessenen Zinssatz liefert. Dies gilt vor allem dann, wenn der Darlehensnehmer strategisch eine wesentliche Rolle in dem Konzern spielt.
Die OECD-Richtlinien sehen anders als das BMF-Schreiben vor, dass zunächst die Kreditwürdigkeit des Schuldners und sein Kreditrisiko zu bewerten ist. Die Konzernzugehörigkeit ist lediglich ein wirtschaftlich relevanter Faktor.
Das Konzernrating wird im Rahmen der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien nur dann angewendet, wenn das Einzelrating des Darlehensnehmers zu unzuverlässigen Ergebnissen führt oder wenn die Indikatoren der Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers sich nicht wesentlich von denen des Konzerns unterscheiden und der Darlehensnehmer eine wichtige Rolle für den Konzern spielt.
Das BMF-Schreiben verweist zu Beginn der Ausführungen zu den Finanzierungsbeziehungen auf das entsprechende Kapitel 10 der OECD-Verrechnungspreisrichtlinie. Fügt jedoch hinzu, dass die OECD-Grundsätze in Übereinstimmung der gesetzlichen Regelungen anzuwenden sind.
Was hat nun Vorrang?
Ein besonderes Augenmerk ist darauf zu lenken, dass § 1 Abs. 3d AStG keinen Treaty Override vorsieht. Dies könnte bedeuten, dass in Fällen, in denen ein Doppelbesteuerungsabkommen Anwendung findet, Artikel 9 DBA vorrangig ist und nach der Rechtsprechung des BFH-Sperrwirkung entfaltet. Daraus könnte gefolgert werden, dass in DBA-Fällen sämtliche Fremdvergleichspreise, die nach den Grundsätzen der OECD-Verrechnungspreise ermittelt sind, anzuerkennen sind.
Im Unterschied zu den OECD-Richtlinien finden die neuen gesetzlichen Regelungen nur dann Anwendung, wenn Zinsaufwand im Inland geltend gemacht wird. Eine Korrektur von Zinseinnahmen, kann auf Grundlage dieser Vorschiften nicht herbeigeführt werden.
Was ist bei einem Cash Pool zu beachten?
Die Regelung des § 1 Abs. (3e) AStG hat den Cash Pool als Regelfall vor Augen. Bei Finanzierungstransaktionen innerhalb einer Gruppe bei denen der Darlehensgeber die Darlehen lediglich weiterleitet bzw. vermittelt, handelt es sich um eine funktions- und risikoarme Dienstleistung. Dies bedeutet, dass ein Cash Pool Führer, der rein administrative Leistung erbringt, die Kostenaufschlagsmethode als Methode zur Bestimmung des Verrechnungspreises zu wählen hat. Angemessen ist mithin ein geringer Kostenaufschlag von 5% bis 10%, wobei Finanzierungskosten, das heißt vor allem der Zinsaufwand, nicht in die Bemessungsgrundlage eingehen sollen.
Eine Öffnungsklausel ist vorgesehen und erlaubt den Nachweis einer funktions- und risikobehafteten Tätigkeit wie sie bei Banken z.B. üblich ist.
In der Praxis sollten Jahresendanpassungen vereinbart werden, damit sichergestellt ist, dass die positiven Effekte des Cash Pools zwischen den Cash Pool Mitgliedern sachgerecht aufgeteilt werden. Andernfalls besteht das Risiko, dass die Finanzverwaltung den Zins als teilweise unangemessen betrachtet.
Fazit: Die neuen Regelungen im AStG und die Klarstellungen in den VWG VP bringen in einigen wesentlichen Punkten Rechtssicherheit für die Steuerpflichtigen
Die Regelungen bringen Rechtssicherheit, führen aber auch dazu, dass der Dokumentationsbedarf gestiegen ist; insbesondere müssen die Finanztransaktionen nunmehr dem Grunde und der Höhe nach bereits zu Beginn der Finanzierungsbeziehung dokumentiert werden. Ob die neuen Regelungen häufiger zu Doppelbesteuerungen führen, wird sich insbesondere in der Betriebsprüfungspraxis zeigen.