25. Juni 2015
Sanierungserlass auf dem Prüfstand
Steuerrecht

Sanierungserlass auf dem Prüfstand: Was kann sich ändern?

Verstößt der Sanierungserlass gegen Verwaltungsgrundsätze? Der Große Senat des BFH prüft die Rechtmäßigkeit des Erlasses!

Soweit einem Unternehmen der finanzielle Zusammenbruch droht, sind verschiedene Maßnahmen zum Zwecke dessen Verhinderung denkbar. Die Maßnahmen betreffen überwiegend die Passivseite der Bilanz, darunter der Rangrücktritt, der Forderungsverzicht unter Anwendung des Sanierungserlasses und der Debt-Equity Swap.

Rangrücktritt und Forderungsverzicht als Gestaltungsmittel

Der Rangrücktritt stellt im Hinblick auf die von der Finanzverwaltung mit BMF Schreiben vom 08. September 2006 aufgestellten Anforderungen an deren Formulierung ein heimtückisches Gestaltungsmittel dar. Dies gilt umso mehr seit dem Urteil des BFH vom 05. Februar 2014 (Az.: I R 34/12) im Besonderen für die Fälle, bei denen der Rangrücktritt in der Liquidation erklärt wird.

In der Vergangenheit wurde der vollständige bzw. teilweise Forderungsverzicht vorgezogen, soweit das BMF Schreiben vom. 27. März 2003 (sog. „Sanierungserlass″) Anwendung fand. In Folge dessen Anwendung unterbleibt die Besteuerung der Buchgewinne, die vorrangig mit etwaig bestehenden Verlustvorträgen zu verrechnen sind. Selbige Rechtsfolge gilt nach dem BMF Schreiben vom 22. Dezember 2009 bei Forderungsverzichten im Rahmen eines Insolvenzplans.

Verstößt Sanierungserlass gegen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung?

Nun hat der 10. Senat des BFH dem Großen Senat die Frage vorgelegt, ob der Sanierungserlass gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt (Az. X R 23/13). Diese dem BFH zuletzt im Zusammenhang mit Urteil vom 13. März 2014 vorgelegte, dort jedoch unbeantwortete Problematik, wird in Rechtsprechung und Literatur kontrovers diskutiert.

Der vorlegende Senat meint, dass ein Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt nicht zu konstatieren sei. Insofern habe der Gesetzgeber durch die § 163 AO und § 227 AO die gesetzlichen Grundlagen für einen Steuererlass festgelegt. Der Sanierungserlass enthalte sodann die Leitlinien zur erforderlichen Ermessensausübung, um in Hinblick auf § 85 AO ein bundesweit einheitliches Besteuerungsverfahren gewährleisten zu können. Außerdem verhalte sich der Sanierungserlass nicht unionsrechtswidrig, da er keine selektiv begünstigende Ausnahmeregel beinhalte, sondern zu Gunsten aller Unternehmen gleichermaßen Anwendung finden könne, soweit die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt seien.

Dahingegen begründen ein Teil der Finanzgerichtsrechtsprechung und Teile der Literatur die Rechtswidrigkeit des Sanierungserlasses mit der bewussten Abschaffung des § 3 Nr. 66 EStG a.F.. Der Gesetzgeber habe zu erkennen gegeben, dass er an der weiteren Privilegierung von Sanierungsgewinnen nicht mehr festhalten wolle. Der 10. Senat ersieht in dem Sanierungserlass jedoch keine an die Rechtslage vor Abschaffung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. anknüpfende Rechtsverordnung: § 3 Nr. 66 EStG a.F. war in Folge des Inkrafttretens des § 10d EStG und der damit einhergehenden steuerlichen Doppelbegünstigung von Sanierungsgewinnen abzuschaffen. Eine solche Doppelbegünstigung vermöge der Sanierungserlass gerade nicht zu begründen, da der Buchgewinn als Folge des Wegfalls von Verbindlichkeiten zunächst mit den Verlustvorträgen zu verrechnen sei. Diese können demnach nicht mehr zur Saldierung mit späteren, positiven Einkünften herangezogen werden.

Es stellt sich nun die Frage, welche Konsequenzen eine mögliche negative Entscheidung für den Steuerpflichtigen haben wird.

Für die Vergangenheit gilt: schützenswerte Rechtsposition maßgebend

Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Frage, ob ein auf dem Sanierungserlass beruhende Stundung, Steuererlass oder verbindliche Auskunft für den Steuerpflichtigen weiterhin Gültigkeit hat, ist das Bestehen einer schützenswerten Rechtsposition. Das Vorliegen einer solchen ist bei einem bereits vollzogenen Steuererlass grundsätzlich anzunehmen. Ebendieses Ergebnis ist auch für solche Maßnahmen zu erwarten, die der Steuerpflichtige in Folge und im Vertrauen einer verbindlichen Auskunft getroffen hat, die die Anwendbarkeit des Sanierungserlasses zum Gegenstand hat. Insofern kann die Finanzverwaltung die Auskunft nach der einschlägigen Auskunftsverordnung lediglich mit Rechtswirkung für die Zukunft (ex nunc) aufheben, wenn der Sachverhalt noch nicht im Wesentlichen verwirklicht worden ist. Bei Vorliegen eines Insolvenz- oder Sanierungsplans ist eine schützenswerte Rechtsposition anzunehmen, wenn der Plan aufgestellt ist sowie die Beteiligten und Gläubiger diesen bestätigt haben. In anderen Fällen wohl nur dann, wenn die wesentlichen Sanierungsbeiträge der Gläubiger bereits geleistet wurden.

Für die Zukunft gilt: Sanierungserlass ist (noch) anzuwenden

Derzeit ist der Sanierungserlass noch gültig und damit grundsätzlich von der Finanzverwaltung anzuwendendes Recht. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung in Anbetracht des anhängigen Vorlageverfahrens den Erlass in den nächsten Wochen aufhebt oder vorläufig in allen Bundesländern nicht mehr anwendet.

Falls der Große Senat dazu tendieren sollte, den Sanierungserlass als unzulässige Beihilfe anzusehen, wäre er dazu verpflichtet, dem EuGH die Frage im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens vorzulegen.

Das dem Großen Senat vorgelegte Verfahren sowie die weiteren in Theorie und Praxis bestehenden Unsicherheiten in Zusammenhang mit dem Sanierungserlass zeigen, welche Dringlichkeit der vom Bundesrechnungshof und der Kommission zur Harmonisierung von Insolvenz- und Steuerrecht geforderten Gesetzesinitiative zur (unionskonformen) Umsetzung des Sanierungserlasses in formelles Recht zu attestieren ist. Insoweit kann der Entscheidung des Großen Senats nur mit Spannung entgegengesehen werden.

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