12. Januar 2024
Tokenisierte Genussrechte
Steuerrecht

Tokenisierte Genussrechte – Die Zukunft der Mitarbeiterbeteiligung?

Tokenisierte Genussrechte stellen ein neues Instrument der Mitarbeiterbeteiligung dar

Das Gewinnen und Halten von Mitarbeitern* im „War for Talents“ sowie die ständige Motivation zu Bestleistungen ist für Unternehmen und insbesondere für Startups eine besondere Herausforderung. Ein geeignetes Mittel ist die Beteiligung von Mitarbeitern am Unternehmenserfolg in Form eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms.

Genussrechte sind eine attraktive Form der Mitarbeiterbeteiligung

Beteiligungsähnliche Genussrechte ermöglichen eine dynamische Ausgabe von Mitarbeiterbeteiligungen unter gleichzeitigem Ausschluss von Einflussnahmemöglichkeiten der Mitarbeiter auf die Unternehmenssteuerung und -politik. Sie vereinen die (steuerlichen) Vorteile von echten Anteilen mit der Flexibilität rein schuldrechtlicher Beteiligungsinstrumente.

  • Vergleich mit echten Anteilen: Genussrechte sind in der Regel lediglich mit bloßen Informationsrechten unter Ausschluss von sonstigen Einflussnahmemöglichkeiten versehen. Im Gegensatz zu echten Anteilen wird der Mitarbeiter bei beteiligungsähnlichen Genussrechten nicht Gesellschafter des Arbeitgeberunternehmens und ihm stehen folglich auch nicht die Vermögens- und Verwaltungsrechte eines Gesellschafters zu. Er wird vielmehr auf Grundlage eines Schuldrechtsverhältnisses am Unternehmenserfolg – vergleichbar einem Gesellschafter – beteiligt. Insofern bedarf es – anders als bei GmbH-Geschäftsanteilen – keines von den Hauptgesellschaftern kontrollierten Bündelungsvehikels oder einer gesonderten stimmrechtslosen Anteilsklasse. 

    Ferner ist bei der Einräumung und Übertragung von Genussrechten im Gegensatz zu GmbH-Geschäftsanteilen keine notarielle Beurkundung erforderlich. Genussrechte sind folglich deutlich flexibler einsetzbar und können grds. jederzeit direkt gewährt oder eingezogen werden.

    Zudem werden die von den Mitarbeitern erzielten Erträge aus den beteiligungsähnlichen Genussrechten (einschließlich Partizipation an Wertsteigerungen nach Einräumung) vergleichbar zu Beteiligungserträgen aus echten Anteilen versteuert, d.h. sie unterliegen dem Abgeltungstarif von rd. 26,4% bzw. Veräußerungsgewinne bei einer Mindestbeteiligung von 1% rd. 28,5% (jeweils ohne Kirchensteuer). Auch die Besteuerung bei der Einräumung von beteiligungsähnlichen Genussrechten ist weitgehend identisch wie bei echten Anteilen und kann unter bestimmten Voraussetzungen steuerbegünstigt sein (s.u.).

  • Vergleich mit VSOP und ESOP: Virtuelle Beteiligungen und Optionsprogramme sind ebenfalls sehr flexibel in ihrer Ausgestaltung und Handhabe, wobei bei Optionen auf GmbH-Geschäftsanteile eine notarielle Beurkundung aufgrund von bestehenden Unsicherheiten ratsam ist. Aus Sicht des begünstigten Mitarbeiters vorteilhaft ist die Vermeidung einer Sofortbesteuerung ohne korrespondierenden Liquiditätszufluss (sog. Dry Income), wie dies bei der unentgeltlichen oder verbilligten Ausgabe von Anteilen oder Genussrechten (vorbehaltlich eines Besteuerungsaufschubs, s.u.) der Fall ist. Nachteilig ist allerdings die Ertragsbesteuerung als Arbeitslohn zum progressiven Steuersatz von bis zu rd. 47,5% in der Spitze (ohne Kirchensteuer), was zu einer Differenz bei der Nachsteuerrendite von bis zu ca. 21% führt (ohne Betrachtung von Opportunitätskosten).

Genussrechte können mit Optionen kombiniert werden

Zur weiteren Flexibilisierung kann die Ausgabe von Genussrechten mit Optionen verbunden werden. Durch eine diskretionäre Optionsausübung kann dem Mitarbeiter die Möglichkeit eingeräumt werden, den Zeitpunkt der Zuteilung des Genussrechts und somit auch des lohnsteuerpflichtigen Zuflusses eines geldwerten Vorteils mitzubestimmen und an seiner persönlichen Liquiditätslage auszurichten. Gewisse praktische Einschränkungen ergeben sich jedoch hinsichtlich des Ausgabezeitpunkts aufgrund von Bewertungserfordernissen der zugeteilten Genussrechte.

Genussrechte können als digitales Asset tokenisiert werden

Als technische Ergänzung können die Genussrechte als digitaler Vermögenswert in Form eines Security Token ausgestaltet werden. Hierdurch können die Genussrechte mittels Blockchain an weitere Personen übertragen werden und der Mitarbeiter kann das Genussrecht bereits vor Eintritt eines Exit-Events monetarisieren, ohne dass es zu einem Liquiditätsabfluss beim Arbeitgeberunternehmen kommt. Zudem lässt sich die Abwicklung von Genussrechtszahlungen über Smart Contracts automatisieren. 

Im Optionsmodell kann die Optionsausübung mit dem Minten der Genussrechts-Token verbunden und durch den Mitarbeiter selbst gesteuert werden. Relevanter Zeitpunkt für den Lohnzufluss ist das Einbuchen des Tokens in der Wallet; hierdurch erlangt der Mitarbeiter die wirtschaftliche Verfügungsbefugnis über das Genussrecht.

Von jungen Unternehmen an Mitarbeiter ausgegebene beteiligungsähnliche Genussrechte sind steuerlich privilegiert

Seit Juli 2021 wird die unentgeltliche oder verbilligte Gewährung einer qualifizierten Unternehmensbeteiligung nach Maßgabe des § 19a Einkommensteuergesetz (EStG) nicht der sofortigen Besteuerung unterworfen, sondern ein Besteuerungsaufschub gewährt. Der Anwendungsbereich wurde durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) mit Wirkung ab 2024 erweitert. Zu den qualifizierten Vermögensbeteiligungen zählen neben Aktien und GmbH-Anteilen auch beteiligungsähnliche Genussrechte am Unternehmen des inländischen Arbeitgebers, sofern eine Rückzahlung zum Nennwert nicht zugesagt ist; eine gewinnunabhängige Mindestverzinsung ist in begrenztem Umfang möglich (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. l) i.V.m. Abs. 4 des Fünften Vermögensbildungsgesetzes). Der im Zeitpunkt der Übertragung nicht besteuerte Arbeitslohn unterliegt erst dann der Besteuerung und dem Lohnsteuerabzug, wenn:

  • das Genussrecht ganz oder teilweise entgeltlich oder unentgeltlich übertragen wird,
  • seit der Einräumung des Genussrechts 15 Jahre vergangen sind oder
  • das Dienstverhältnis zu dem bisherigen Arbeitgeber beendet wird.

Ist der gemeine Wert des Genussrechts (abzüglich geleisteter Zuzahlungen des Mitarbeiters) bei der späteren Übertragung niedriger als der aufgeschoben besteuerte Arbeitslohn bei Genussrechtseinräumung, so unterliegt nur der niedrigere gemeine Wert des Genussrechts (abzüglich geleisteter Zuzahlungen des Mitarbeiters) der Besteuerung bzw. im Falle eines Rückerwerbs des Genussrechts bei Dienstverhältnisbeendigung die tatsächlich gewährte Vergütung (unter Berücksichtigung von Bad Leaver-Abschlägen). 

Die Besteuerung durch Zeitablauf nach 15 Jahren oder bei Beendigung des Dienstverhältnisses verschiebt sich auf eine spätere Übertragung des Genussrechts, wenn der Arbeitgeber spätestens mit der dem betreffenden Ereignis folgenden Lohnsteuer-Anmeldung unwiderruflich erklärt, bei Eintritt der späteren Genussrechtsübertragung für die Lohnsteuer zu haften.

Voraussetzung für die Gewährung des Besteuerungsaufschubs ist, dass 

  • die qualifizierte Unternehmensbeteiligung von seinem Arbeitgeber (oder einem Gesellschafter seines Arbeitgebers) zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn an dem Unternehmen des Arbeitgebers unentgeltlich oder verbilligt eingeräumt wird (d.h. keine Entgeltumwandlung),
  • die Gründung des Arbeitgebers nicht mehr als 20 Jahre zurückliegt und
  • der Arbeitgeber folgende Schwellenwerte im Zeitpunkt der Genussrechtseinräumung nicht überschreitet bzw. in einem der sechs vorangegangenen Kalenderjahre nicht überschritten hat: Jahresumsatz EUR 100 Mio., Jahresbilanzsumme EUR 86 Mio. und 1.000 Mitarbeiter.

Arbeitgeber und Mitarbeiter haben die Möglichkeit, sich für Zwecke des Lohnsteuerabzugsverfahrens die Höhe des vom Arbeitgeber nicht besteuerten Vorteils im Rahmen einer gebührenfreien Anrufungsauskunft nach § 42e EStG durch das Betriebsstättenfinanzamt bestätigen zu lassen. Dies setzt voraus, dass dem Betriebsstättenfinanzamt sowohl der ermittelte Wert als auch die Unterlagen zur Wertermittlung vorgelegt werden und der vom Arbeitgeber gewählte Wertansatz den geltenden Bestimmungen entspricht.

Genussrechte können bis EUR 2.000 p.a. steuerfrei an Mitarbeiter ausgegeben werden

Die unentgeltliche oder verbilligte Gewährung von beteiligungsähnlichen Genussrechten am Arbeitgeberunternehmen ist bis zu einem Freibetrag von EUR 2.000 gemäß § 3 Nr. 39 EStG steuerfrei, wenn der geldwerte Vorteil im Rahmen eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses zufließt. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass die Beteiligung mindestens allen Arbeitnehmern offensteht, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Angebots ein Jahr oder länger ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zum Unternehmen stehen. Ein Freibetrag nach § 3 Nr. 39 EStG ist für die Ermittlung des dem Besteuerungsaufschub nach § 19a EStG unterliegenden Vorteils abzuziehen.

Ob für tokenisierte Genussrechte neben oder zusätzlich zur Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 39 EStG auch noch die Freigrenze für steuerfreie Sachbezüge nach § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG zur Anwendung kommt, ist fraglich. Dies wäre jedoch nur bei einer monatlichen Ausgabe von Genussrechten sinnvoll, da die Freigrenze von EUR 50 monatlich bemessen wird und nicht in die Folgemonate vorgetragen oder auf einen Jahresbetrag hochgerechnet werden kann. Im Hinblick auf laufende Bewertungserfordernisse ist die monatliche Genussrechtsausgabe jedoch in der technischen Umsetzung limitiert und daher für die Praxis unerheblich. 

Genussrechtseinräumung führt zu steuerlich abzugsfähigem Lohnaufwand 

In der Steuerbilanz des Arbeitgebers sind die an Mitarbeiter ausgegebenen beteiligungsähnlichen Genussrechte als Fremdkapital auszuweisen. Von einer wirtschaftlichen Belastung sollte insbesondere bei einer Kündigungsmöglichkeit nach einer Mindestlaufzeit, einem Andienungsrecht oder einer Exitbeteiligung regelmäßig auszugehen sein. Die erstmalige Passivierung sollte zum gemeinen Wert des ausgegebenen Genussrechts erfolgen und einen in Höhe des geldwerten Vorteils (d.h. abzüglich geleisteter Zuzahlungen des Mitarbeiters) steuerlich abzugsfähigen Lohnaufwand darstellen.

Im Vergleich zur Gewährung eigener Anteile kann die verbilligte Ausgabe von beteiligungsähnlichen Genussrechten an Mitarbeiter auf Ebene des Arbeitnehmerunternehmens steuerlich vorteilhaft sein. Nach Ausgabe des Genussrechts erfolgt die Besteuerung nach den für Genussrechte allgemein geltenden Bilanzierungs- und Einkommensermittlungsvorschriften (vgl. BMF-Schreiben vom 11.April 2023).

Fazit: Tokenisierte Genussrechte sind ein ideales Instrument der Mitarbeiterbeteiligung

Tokenisierte Genussrechte stellen ein neues Instrument der Mitarbeiterbeteiligung mit vielfältigen Möglichkeiten dar. Neben der steuerlich privilegierten Behandlung vergleichbar mit echten Anteilen bieten diese die Flexibilität rein schuldrechtlicher Beteiligungsinstrumente und erfordern zudem bei Einräumung und Übertragung – im Gegensatz zu GmbH-Geschäftsanteilen – keine notarielle Beurkundung.

Maßgeblich für die künftige Erfolgsgeschichte wird u. E. die steuerliche Begünstigung nach § 19a EStG bei der Ausgabe durch junge Unternehmen (insbesondere Startups) sein. Diese sollte durch die jüngste Erweiterung des Anwendungsbereichs durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz zusätzlichen Rückenwind bekommen.

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Tags: Corporate / M&A Steuerrecht Tokenisierte Genussrechte