Der Regierungsentwurf zur Umsetzung der globalen Mindeststeuer markiert den nächsten Schritt beim „Bau“ von Säule 2 in Deutschland.
Nachdem das Bundesministerium der Finanzen (BMF) am 20. März 2023 den Diskussionsentwurf zur Umsetzung der europäischen Mindestbesteuerungsrichtlinie veröffentlicht hat und am 07. Juli 2023 der Referentenentwurf hierzu ergangen ist, stellt der Regierungsentwurf vom 16. August 2023 einen weiteren Schritt zur Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung in Deutschland dar.
Einführung einer globalen effektiven Mindeststeuer zur Beendigung des Steuerwettbewerbs und BEPS
Der Kern von der auf Ebene des Inclusive Framework on BEPS beschlossenen Säule 2 und der Bekämpfung von Gewinnverkürzung und -verlagerung durch Unternehmen besteht in der Einführung einer effektiven globalen Mindeststeuer von 15 % auf Unternehmensgewinne von großen multinationalen Konzernen. Ziel ist es, durch die Einführung einer solchen Mindeststeuer den schädlichen Steuerwettbewerb zwischen Staaten (sog. „race to the bottom“) zu beenden und aggressiver Steuergestaltung von Unternehmen entgegenzuwirken.
Die zur Einführung notwendigen, international koordinierten Regelungen hierzu (die sog. Global Anti-Base Erosion Model Rules; kurz GloBE Rules) hat das Inclusive Framework on BEPS im Dezember 2021 veröffentlicht. Die von der EU im Dezember 2022 verabschiedete Mindestbesteuerungsrichtlinie, welche sich regeltechnisch sehr stark an den GloBE Rules orientiert, verpflichtet die Mitgliedstaaten bis zum 31. Dezember 2023 die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Dem Ziel kommt Deutschland mit dem nunmehr vorliegenden Regierungsentwurf einen weiteren Schritt näher.
Neben der Änderung des geplanten Mindeststeuergesetzes enthält der Regierungsentwurf auch Änderungen anderer Steuergesetze
Der Regierungsentwurf enthält gegenüber dem Diskussions- und dem Referentenentwurf einige Detailänderungen des geplanten Mindeststeuergesetz (MinStG-E). Die Grundkonzeption der Mindeststeuer bleibt jedoch bestehen. So soll durch eine Primärergänzungssteuerregelung, Sekundärergänzungssteuerregelung und eine nationale Ergänzungssteuer sichergestellt werden, dass niedrig besteuerte Unternehmensgewinne von Geschäftseinheiten einer Unternehmensgruppe auch in Deutschland nachversteuert bzw. ergänzungsbesteuert werden können, um so eine effektive Mindestbesteuerung von 15 % zu erzielen. Besteuert wird jeweils ein den in Deutschland befindlichen Geschäftseinheiten zuzurechnender Steuererhöhungsbetrag, der sich aus der Multiplikation der niedrig besteuerten Unternehmensgewinne mit einem Ergänzungssteuersatz ergibt. Der Ergänzungssteuersatz ist dabei die positive Differenz zwischen dem effektiven Steuersatz der Unternehmensgruppe im jeweiligen Steuerhoheitsgebiet und dem Mindeststeuersatz in Höhe von 15 %.
Eine detaillierte Darstellung der Konzeption und Funktionsweise der Mindeststeuer finden Sie hier.
Wichtige Änderungen bzw. Ergänzungen des Referentenentwurfs gegenüber dem Diskussionsentwurf, die im Regierungsentwurf bestehen geblieben sind
Ausgleichsverpflichtung für einzelne in Deutschland belegene Geschäftseinheiten
Der Referentenentwurf hat eine Ausgleichsverpflichtung für einzelne in Deutschland belegene Geschäftseinheiten einer Unternehmensgruppe gegenüber der die Mindeststeuer zahlenden Geschäftseinheit vorgesehen. Umgekehrt hat die zahlende Geschäftseinheit etwaige Mindeststeuererstattungen auszugleichen. Hintergrund dieser Regelung ist die Mindeststeuergruppe nach § 3 MinStG-E, die die Konzentration der Steuerschuld beim Gruppenträger zur Folge hat. Ausgleichsansprüche erhöhen oder mindern das Einkommen nach dem Einkommensteuergesetz oder Körperschaftsteuergesetz nicht.
Weitere Umsetzung der sogen. Agreed Administrative Guidance der OECD
Hervorzuheben sind auch weitere Regelungen des Referentenentwurfs zur Umsetzung der im Rahmen des Inclusive Framework on BEPS im Februar 2023 beschlossenen sog. Agreed Administrative Guidance. Hierbei handelt es sich um international vereinbarte Ergänzungen der GloBE Rules bzw. um koordinierte Auslegungsbestimmungen. Die im Referentenentwurf aufgenommen Regelungen betreffen dabei u.a. Wahlrechte zur Steuerpflicht von Portfoliodividenden (§ 35 MinStG-E), von Gewinnen/Verlusten aus Eigenkapitalbeteiligungen (§ 36 MinStG-E) und von qualifizierten Sanierungserträgen (§ 38 MinStG-E) sowie die übergangsweise Verteilung des Steueraufwands aus sog. gemischten Hinzurechnungsregimen, insbesondere aus den GILTI-Regelungen der USA (§ 84 MinStG-E).
Sanktionshöhe für Verstöße gegen Übermittlungspflicht des Mindeststeuerberichts
Eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit soll vorliegen, wenn der zu übermittelnde Mindeststeuerbericht vorsätzlich oder leichtfertig nicht, nicht rechtzeitig oder nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht richtig oder nicht vollständig übermittelt wird. Der Diskussionsentwurf enthielt noch keinen abschließenden Vorschlag zur Sanktionshöhe. Diese legte der Referentenentwurf auf nunmehr bis 30.000 Euro fest. Allerdings soll während der Übergangszeit (Geschäftsjahre, die am oder vor dem 31. Dezember 2026 beginnen, aber vor dem 1. Juli 2028 enden; vgl. § 80 Abs. 1 MinStG-E), keine Ordnungswidrigkeit vorliegen, wenn nachgewiesen wird, dass angemessene Maßnahmen zur Erfüllung der Übermittlungspflichten ergriffen wurden (§ 92 Abs. 5 MinStG-E).
Gegenüber dem Diskussionsentwurf enthält der Referentenentwurf folgende grundlegende Änderungen bzw. Ergänzungen:
- § 15 Abs. 1 Satz 2 RegE: Bei der Ermittlung des Mindeststeuer-Gewinns oder Mindeststeuer-Verlusts dürfen Auswirkungen aus der Anpassung des Buchwerts aufgrund der Anwendung der Erwerbsmethode bei Beteiligungserwerb (push-down accounting) nicht berücksichtigt werden, es sei denn, der Erwerb erfolgte vor dem 01.12.2021 und eine Anpassung ist nicht möglich.
- § 16 RegE: Grenzüberschreitende Geschäftsvorfälle zwischen Geschäftseinheiten der Gruppe, die in den Jahresabschlüssen der jeweiligen Geschäftseinheiten nicht in derselben Höhe erfasst sind oder nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen, sind dahingehend anzupassen, dass sie betragsmäßig korrespondieren und dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Nunmehr ist eine solche Korrektur bei unilateralen Verrechnungspreiskorrekturen nicht anzuwenden, wenn der nominale Steuersatz unter dem Mindeststeuersatz liegt oder wenn das relevante Steuerhoheitsgebiet in den beiden der Verrechnungspreiskorrektur vorangehenden Geschäftsjahren ein Niedrigsteuerhoheitsgebiet war. Sind die relevanten Geschäftseinheiten zum Zweck der Ermittlung des effektiven Steuersatzes von der Unternehmensgruppe getrennt zu betrachten, ist diese Regelung auch auf Geschäftsvorfälle zwischen in demselben Steuerhoheitsgebiet belegenen Geschäftseinheiten anzuwenden.
- § 17 RegE: Diese Vorschrift regelt, dass die Einstufung eines Finanzinstruments als Eigenkapital oder Fremdkapital, für den Emittenten und den Inhaber einheitlich zu erfolgen hat. Bei einer Abweichung ist die Einstufung des Instruments beim Emittenten für den Inhaber bindend.
- § 35 RegE: Nach dieser Vorschrift können auf Antrag der berichtspflichtigen Geschäftseinheit Erträge, Aufwendungen, Gewinne oder Verluste aus Geschäftsvorfällen zwischen Geschäftseinheiten, die in demselben Steuerhoheitsgebiet belegen sind und einem gemeinsamen Gruppenbesteuerungssystem unterliegen, nach den Konsolidierungsgrundsätzen der obersten Muttergesellschaft zusammengefasst werden. Während im RefE vorgesehen war, dass das Wahlrecht für alle in einem Steuerhoheitsgebiet belegenen Geschäftseinheiten innerhalb des Gruppenbesteuerungssystems, ist im RegE nunmehr geregelt, dass es für alle in einem Steuerhoheitsgebiet belegenen Geschäftseinheiten einheitlich auszuüben ist. Darüber hinaus ist im RegE nicht mehr die Regelung enthalten, dass das vorzeitige Ausscheiden einzelner Geschäftseinheiten aus dem Gruppenbesteuerungssystem innerhalb der fünf Jahre durch Kündigung aus wichtigem Grund unschädlich ist.
- § 91 Abs. 1 Satz 7 RegE: Nach dieser Regelung sind alle Geschäftseinheiten sowie Joint Venture und Joint-Venture-Tochtergesellschaften dem Steuererklärungspflichtigen gegenüber zur Erteilung der Auskünfte verpflichtet, die dieser zur Erstellung der Steuererklärung benötigt.
- § 80 RegE: Die Vorschrift sieht eine Erleichterung für Unternehmensgruppen vor, die eine untergeordnete internationale Tätigkeit aufweisen; solche Unternehmensgruppen sind in den ersten fünf Jahren von der Mindeststeuer befreit. Die untergeordnete internationale Tätigkeit ist für ein Geschäftsjahr wie folgt definiert: Die Unternehmensgruppe verfügt über Geschäftseinheiten in höchstens sechs Steuerhoheitsgebieten und der Gesamtwert der materiellen Vermögenswerte aller Geschäftseinheiten, die in allen Steuerhoheitsgebieten außer dem Referenzsteuerhoheitsgebiet belegen sind, 50 Millionen Euro nicht übersteigt. Ein Mindeststeuer-Bericht ist trotzdem abzugeben. Neu im RegE ist, dass diese Steuerbefreiung nicht für einen Primärergänzungssteuerbetrag gilt, soweit dieser auf einem von einer ausländischen niedrig besteuerten Geschäftseinheit zuzurechnenden Steuererhöhungsbetrag beruht.
Weitere Begleitmaßnahmen / Änderungen weiterer Gesetze
Anders als im Referentenentwurf vorgesehen, soll nach dem Regierungsentwurf die in § 4j EStG geregelte Lizenzschranke nicht aufgehoben werden. Ferner soll auch die Gewerbesteuerpflicht von Hinzurechnungsbeträgen nach dem AStG durch Aufhebung der § 7 Satz 7 bis 9 GewStG nicht aufgehoben werden. Demgegenüber soll – wie ursprünglich vorgesehen – die Niedrigsteuergrenze des § 8 Abs. 5 AStG von 25% auf 15% gesenkt werden.
Hervorzuheben sind auch die im Zusammenhang mit dem HGB vorgesehenen Änderungen: Insbesondere soll § 274 HGB angepasst werden, so dass bei der Ermittlung latenter Steuern Differenzen auf der Basis des deutschen oder eines ausländischen Mindeststeuergesetztes nicht zu berücksichtigen sind (das ausländische Mindeststeuergesetz soll die Vorgaben der EU-Richtlinie oder der OECD-Mustervorschriften umsetzen).
Darüber hinaus sind im Anhang sowie im Konzernanhang Angaben zum tatsächlichen Steueraufwand oder Steuerertrag sowie etwaiger Auswirkungen der Anwendung des Mindeststeuergesetzes (deutsch/ausländisch) zu machen. Da diese Regelung bereits auf Geschäftsjahre anzuwenden ist, die nach dem 30. Dezember 2023 enden, besteht die Pflicht bereits für Jahres- und Konzernabschlüsse auf den 31. Dezember 2023.
Das weitere Gesetzgebungsverfahren bleibt zu beobachten
Der Bundesrat wird sich voraussichtlich ab dem 29. September 2023 mit dem Gesetzentwurf befassen. Anschließend wird der Bundestag hierüber beraten und das Gesetz rechtzeitig verabschieden, da dieses bis Ende 2023 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und in Kraft treten muss.
Zu erwähnen ist, dass die von der OECD (d.h. das Inclusive Framework) am 17. Juli 2023 veröffentlichten zusätzlichen Dokumente in Bezug auf Säule 2 noch keinen Eingang in den aktuellen Gesetzgebungsprozess gefunden haben; die weitere Entwicklung in diesem Zusammenhang bleibt demnach abzuwarten.