5. Dezember 2022
Vorsteueraufteilung gemischt genutztes Grundstück
Steuerrecht

Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Grundstücken

Das BMF setzt die EuGH- und BFH-Rechtsprechung zur Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Grundstücken um und ergänzt den Umsatzsteueranwendungserlass.

Unternehmer dürfen angefallene Vorsteuerbeträge für die Lieferung/Einfuhr von Gegenständen und für in Anspruch genommene sonstige Leistungen nur insofern abziehen, als diese im Zusammenhang mit steuerpflichtigen Ausgangsleistungen stehen. Führen also Grundstückseigentümer* sowohl steuerpflichtige (z.B. im Rahmen einer Vermietung, bei der zur Umsatzsteuerpflicht optiert wurde) als auch steuerfreie Umsätze (z.B. wenn eine Option nicht möglich ist, weil der Mieter steuerfreie Umsätze im Grundstück tätigt) aus, ist die Vorsteuer in einen abziehbaren und einen nicht abziehbaren Teil aufzuteilen.  

Bisher war nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung auf Aufwendungen im Zusammenhang mit der Herstellung oder dem Erwerb eines gemischt genutzten Gebäudes i.d.R. der Flächenschlüssel anzuwenden, d.h., die Vorsteuerbeträge waren nach dem Verhältnis der steuerpflichtigen und steuerfreien verwendeten Flächen aufzuteilen. 

Ausnahmen gab es aber auch, z.B. wenn die Nutzflächen nicht miteinander vergleichbar waren. Nur bei Aufwendungen für die Nutzung, die Erhaltung und die Unterhaltung des Grundstücks galt eine direkte Zuordnung zu einem Gebäudeteil, es sei denn, solche Aufwendungen waren dem gesamten Gebäude zuzurechnen. 

Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Grundstücken nach dem BMF-Schreiben vom 20. Oktober 2022

Nach dem BMF-Schreiben vom 20. Oktober 2022 bleibt die o.g. Unterscheidung zwischen den Aufwendungen im Zusammenhang mit der Herstellung und dem Erwerb und den Aufwendungen für die Nutzung, die Erhaltung und die Unterhaltung eines gemischt genutzten Grundstücks weiterhin bestehen. 

Neu sind die Regelungen, nach denen, wenn neben dem Gesamtumsatzschlüssel (gleichbedeutend mit gesamtumsatzbezogenem oder gesamtunternehmensbezogenem Umsatzschlüssel) auch andere Aufteilungsschlüssel in Betracht kommen, ein anderer Schlüssel anzuwenden ist, wenn dieser ein präziseres Ergebnis liefert. In Betracht kommen insbesondere 

  • ein (objektbezogener) Flächenschlüssel, 
  • ein objektbezogener Umsatzschlüssel oder 
  • ein Schlüssel nach dem umbauten Raum. 

Weitere Schlüssel können im Einzelfall sachgerecht sein. 

Die Vorsteueraufteilung muss nach einem sachgerechten Aufteilungsschlüssel erfolgen. Wenn neben dem Gesamtumsatzschlüssel mehrere präzisere Aufteilungsschlüssel in Frage kommen, ist nicht zwingend die präziseste Methode anzuwenden. Die Auswahl obliegt dem Unternehmer, während das Finanzamt daraufhin überprüfen kann, ob sie sachgerecht ist. Dies hat das BMF auch mit einem weiteren Schreiben vom 18. November 2022 zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG (hier zur Umsetzung der BFH-Urteile vom 16. November 2016 – V R 1/15, vom 23. Oktober 2019 – XI R 18/17 und vom 23. Oktober 2019 – V R 46/176) bestätigt. In dem genannten Schreiben führt das BMF auch aus, dass ein präziserer anderer (sachgerechter) Aufteilungsschlüssel dem Umsatzschlüssel immer vorgeht.  

Aufteilungsschlüssel nach dem BMF-Schreiben bei gemischt genutzten Grundstücken 

Das BMF-Schreiben beinhaltet Details zu den diversen Aufteilungsschüsseln: 

Der objektbezogene Flächenschlüssel stellt gegenüber einer umsatzbezogenen Aufteilung regelmäßig eine präzisere Bestimmung dar.

Folgendes ist bei der Flächenberechnung zu berücksichtigen:

  • Die Flächenberechnung ist nach den Gebäudeinnenflächen vorzunehmen, Außenstellplätze sind nicht einzubeziehen. 
  • Es sind die Grundflächen aller Räume zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob es sich um Wohn- oder Gewerbeflächen handelt.
  • Flächen, die zur Versorgung des Gebäudes verwendet oder nur gemeinsam genutzt werden (z.B. Technikräume, Treppenhaus, Fahrradabstellräume, Waschküchen), bleiben unberücksichtigt. Ebenso sind von vornherein nicht zum Ausbau vorgesehene Räume nicht in die Flächenberechnung mit einzubeziehen. Die Grundflächen sind auch bei Dachschrägen in vollem Umfang anzusetzen. Die Flächen von Terrassen oder Balkonen zählen zur Hälfte zu der maßgeblichen Grundfläche.
  • Weitere anerkannte Methoden zur Flächenberechnung (z.B. nach DIN 277 oder der Wohnflächenverordnung) können auch für Zwecke der Vorsteueraufteilung angewandt werden, wenn die gewählte Methode bereits für andere (z.B. mietvertragliche) Zwecke angewandt wird, die Flächenberechnung für das gesamte Gebäude einheitlich erfolgt und das Ergebnis sachgerecht ist.

Die Feststellungslast, dass der Flächenschlüssel präziser als ein Umsatzschlüssel ist, liegt beim Finanzamt, jedoch nur, wenn dem Finanzamt alle für eine entsprechende Beurteilung erforderlichen Informationen vorliegen (insbes. Bezugnahme auf die Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen). Ist dies nicht der Fall, ist davon auszugehen, dass der Flächenschlüssel grundsätzlich die präziseren Ergebnisse liefert.

Die Aufteilung nach einem objektbezogenen Umsatzschlüssel kommt nur nach den vom BFH aufgestellten Voraussetzungen in Frage, d.h. bei erheblichen Abweichungen bei der Ausstattung der unterschiedlich genutzten Räume, weil hier regelmäßig auch die tatsächlichen erzielbaren Mieteinnahmen ggf. erheblich voneinander abweichen.

Erhebliche Unterschiede können immer angenommen werden, wenn Abweichungen in der Dicke der Decken und Wände oder in der Innenausstattung bestehen. Erheblich sind die Unterschiede bei einem deutlich unterschiedlichen Bauaufwand für den einen Gebäudeteil im Gegensatz zum anderen Gebäudeteil; eine bloße unterschiedliche Nutzung allein reicht nicht aus. Als Beispiele werden u.a. die Fälle genannt, in denen die einen Räume luxuriös, die anderen hingegen schlicht ausgebaut sind oder wenn für einen Gebäudeteil ein besonderer Herstellungsaufwand angefallen ist (z.B. traglastverstärkte Böden für bestimmte gewerbliche Nutzungen).

Die Aufteilungsmethode nach dem umbauten Raum oder nach Nutzungszeiten kommt wie folgt in Betracht:

  • Umbauter Raum: Wenn die Methode eine präzisere wirtschaftliche Zuordnung der Vorsteuerbeträge ermöglicht, was bei erheblichen Abweichungen in der Geschosshöhe der Fall sein kann.
  • Aufteilung nach Nutzungszeiten: Wenn dieselben Flächen abwechselnd genutzt werden. 

BMF-Schreiben zur Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Grundstücken ist auf offene Fälle anzuwenden

Das BMF-Schreiben ist auf alle offenen Fälle anzuwenden. Es wird aber durch die Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn sich Steuerpflichtige vor der Veröffentlichung des BMF-Schreibens auf die bisherige Fassung des Umsatzsteueranwendungserlasses berufen haben, sofern der gewählte Aufteilungsschlüssel sachgerecht war.

Die Grundsätze der Vorsteueraufteilung nach dem BMF-Schreiben sind auch hinsichtlich der Zuordnung eines gemischt genutzten Grundstücks zum Unternehmen entsprechend anzuwenden (z.B. Feststellung der mitunternehmerischen Mindestdauer, s. § 15 Abs. 1 S. 2 UStG).

Das BMF-Schreiben ist für die Praxis wichtig und grds. zu begrüßen. Hervorzuheben sind dabei insbesondere

  • die Tatsache, dass für den Steuerpflichtigen nach dem BMF-Schreiben mehrere Methoden für die Aufteilung der Vorsteuer in Frage kommen, während die Finanzverwaltung (nur) überprüfen kann, ob die ausgewählte Methode sachgerecht ist,
  • die Tatsache, dass die unterschiedlichen Ausstattungen auch aus Sicht der Finanzverwaltung bei der Aufteilungsmethode eine Rolle spielen, sowie
  • die Details zur Flächenberechnung bei der Anwendung des Flächenschlüssels und die Beispiele der Unterschiede, die im Rahmen der Anwendung des objektbezogenen Umsatzschlüssels als erheblich oder unerheblich anzusehen sind.

Es bleibt abzuwarten, wie die Anwendung des BMF-Schreibens in der Praxis der Außenprüfungen erfolgen wird.

Unternehmen sollten überprüfen, inwiefern die bei ihnen umgesetzten Methoden zur Aufteilung der Vorsteuern aufgrund des BMF-Schreibens angepasst werden können, damit eine höhere Abzugsfähigkeit von Vorsteuern erreicht werden kann. Sollte eine Änderung möglich sein, sollte die jeweilige Methode regelmäßig überprüft und bei Änderungen angepasst werden. 

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: gemischt genutztes Grundstück Real Estate Steuerrecht Vorsteueraufteilung