16. April 2018
Störerhaftung Suchmaschine
TMC – Technology, Media & Communications

Der BGH zur Störerhaftung von Suchmaschinenbetreibern

Der BGH hat erneut zu den Prüfpflichten von Google bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen entschieden.

Der BGH bestätigt seine Rechtsprechung zur eingeschränkten Haftung von Suchmaschinenbetreibern (Urteil v. 27. Februar 2018 – VI ZR 489/16). Nur beim Erfordernis der „offensichtlichen Rechtsverletzung″ bleibt der BGH missverständlich.

Persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte über Suchmaschine auffindbar

Ein Ehepaar nahm die Betreiberin der Internetsuchmaschine „Google“ auf Unterlassung in Anspruch, bestimmte vermeintlich persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte auf Drittseiten über die Suchmaschine auffindbar zu machen.

Im Jahr 2011 hatte sich einer der Kläger am Aufsetzen eines Internetforums („F-Forum″) beteiligt. Aufgrund einer von dem Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit für das F-Forum eingerichteten E-Mail-Weiterleitung konnten Dritte die IP-Adresse und die Identität des Klägers feststellen. Sie gaben diese Informationen an Mitglieder eines mit dem F-Forum verfeindeten anderen Internetforums weiter. Diese verfassten sodann Online-Beiträge, in denen der Kläger für Handlungen von Mitgliedern des F-Forums (unter anderem angebliches Stalking) verantwortlich gemacht wurde.

Infolge dessen waren auf der Google-Ergebnissuche Inhalte abrufbar, wonach der Kläger das F-Forum betreibe, für die dort veröffentlichten Inhalte (mit-)verantwortlich sei oder von den Inhalten des Forums zumindest Kenntnis gehabt habe. Zudem habe die Klägerin von der Rolle ihres Mannes in diesem Forum Kenntnis gehabt. Dabei wurden in Bezug auf die Kläger Worte gebraucht wie etwa „Arschkriecher″, „Schwerstkriminelle″, „kriminelle Schufte″, „Terroristen″, „Bande″, „Stalker″, „krimineller Stalkerhaushalt″.

BGH: Keine offensichtliche Rechtsverletzung

Der BGH folgte dem Ansinnen der Kläger nicht. Die beanstandeten Inhalte seien keine eigenen Inhalte der Beklagten. Sie seien von anderen Personen ins Internet eingestellt worden. Auch ein Zu-Eigen-Machen der Inhalte durch Aufnahme in den Suchindex liege nicht vor.

In Betracht komme zwar eine Haftung der Beklagten als mittelbare Störerin, wenn sie zu der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch im Rahmen ihrer Suchmaschine auffindbare Beiträge willentlich und mitursächlich beigetragen habe. Dies setze aber die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Von der Beklagten als Suchmaschinenbetreiber könne vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass sie sich vorab vergewissert, ob die von den Suchprogrammen aufgefundenen Inhalte rechtmäßig ins Internet eingestellt worden seien. Eine solche Kontrollpflicht sei praktisch kaum zu bewerkstelligen und würde die Existenz von Suchmaschinen als Geschäftsmodell, das von der Rechtsordnung grundsätzlich gebilligt wird und das gesellschaftlich erwünscht ist, ernstlich in Frage stellen. Ohne die Hilfestellung einer solchen Suchmaschine sei das Internet aufgrund der nicht mehr übersehbaren Flut von Daten für den Einzelnen nicht sinnvoll nutzbar.

Den Betreiber einer Suchmaschine träfen daher erst dann spezifische Verhaltenspflichten, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer „offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung″ erlangt habe.

Eine solche offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung habe jedoch nicht vorgelegen. Die beanstandeten Äußerungen seien zwar ausfallend scharf und durchaus geeignet gewesen, die Kläger in ihrer Ehre zu beeinträchtigen. Ihr ehrbeeinträchtigender Gehalt stünde aber nicht von vornherein außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden Verwendungskontextes. So hätten die Äußerungen ersichtlich im Zusammenhang mit der Rolle, welche der Kläger beim F-Forum spielte, gestanden.

Nach dem Inhalt der Suchergebnisse seien den Mitgliedern des F-Forums u.a. Stalking (Straftat i. S. des § 238 StGB) vorgeworfen worden. Die Beteiligung des Klägers an der Erstellung des F-Forums hätten die Kläger nicht zweifelsfrei klären können. Schließlich habe der Kläger selbst eingeräumt, am „Aufsetzen″ des F-Forums beteiligt gewesen zu sein; zudem war eine von ihm eingerichtete E-Mail-Weiterleitung über das F-Forum an ihn noch Wochen nach dem Aufsetzen des Forums aktiv. Über die eigene, durch eine „eidesstattliche Versicherung″ bekräftigte, jedoch ziemlich allgemein gehaltene und pauschale Behauptung hinaus, mit dem F-Forum nichts zu tun zu haben, habe der Kläger keinerlei belastbare Indizien für die Haltlosigkeit der ihm gemachten Vorwürfe aufgezeigt.

Fazit: Weiterhin keine proaktive Prüfpflicht für Suchmaschinenbetreiber

Mit dieser aktuellen Entscheidung bestätigt der BGH seine bisherige Rechtsprechungslinie zu den begrenzten Prüfpflichten von Internetdienstanbietern. Eine proaktive Prüfpflicht würde die Funktion einer Internet-Suchmaschine konterkarieren und die Informationsfreiheit des Internets erheblich beschränken.

Zur Frage, wann der Suchmaschinenbetreiber tätig werden muss, äußert sich der BGH aber weiterhin nicht eindeutig. „Spezifische Verhaltenspflichten″ träfen den Suchmaschinenbetreiber erst dann, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer „offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung″ erlangt habe. Ähnlich hat der BGH schon in vergangenen Entscheidungen formuliert (s. BGH, GRUR 2012, 311Blog-Eintrag, Urteil vom 18. Juni 2015 – I ZR 74/14 – juris Rn. 27).

Die klare Erkennbarkeit des Rechtsverstoßes an „Verhaltenspflichten″ zu knüpfen, darf aber nicht zur Annahme verleiten, der Suchmaschinenbetreiber müsse überhaupt nur tätig werden – also: die Prüfung auf rechtsverletzende Inhalte einleiten – wenn eine Rechtsverletzung klar und offensichtlich ist. Dem ist nicht so. Der Bereich der Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet verlangt üblicherweise eine genaue Abwägung der widerstreitenden Interessen des Nutzers mit denen des Suchmaschinenbetreibers. Ungeprüft wird man hier nur in seltenen Fällen zu einer Einschätzung gelangen, nach der eine Rechtsverletzung von vornherein klar erkennbar ist.

Würde man die offensichtliche Rechtsverletzung zur Voraussetzung der bloßen Prüfplicht machen, wäre dies für den Suchmaschinenbetreiber eine leichte Ausrede zur Untätigkeit. Das Merkmal der „klaren Rechtsverletzung″ ist deshalb Voraussetzung der Löschungspflicht des Suchmaschinenbetreibers. Den Sachverhalt prüfen muss dieser bereits, sobald ihm der Betroffene ausreichend Informationen zum Inhalt der Rechtsverletzung übermittelt hat. Dies vor allem zur Frage, worin die Rechtsverletzung bestehe, einschließlich weiterer Nachweise.

Kommt der Suchmaschinenbetreiber nach Abschluss der Prüfung zu der Erkenntnis, dass ein offensichtlicher Rechtsverstoß vorliegt, muss er löschen. Eine Fehleinschätzung über die Offensichtlichkeit des Rechtsverstoßes geht zu seinen Lasten, nicht aber eine Einschätzung, die bei unklarer Rechts- und Beweislage auch ein anderes Ergebnis rechtfertigte. Insofern unterscheiden sich die Fälle der Störerhaftung von Suchmaschinenbetreibern von denen der Linkhaftung kommerzieller Webseitenbetreiber (BGH, Urteil vom 18. Juni 2015 – I ZR 74/14 – juris Rn. 27).

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