Unbestritten, es ist ein Ärgernis: Produktpiraterie verursacht enorme wirtschaftliche Schäden. Doch häufig ist es nicht einfach, die Quellen, aus denen die Piraterieware stammt, auszutrocknen. Wichtige Hinweise auf Produktpiraten lassen sich zwar u.a. über die Grenzbeschlagnahme gewinnen. Doch auch der Zoll kann seine Augen nicht überall haben, so dass letztlich doch Piraterieprodukte auf den Markt gelangen.
Wenn man als Originalhersteller nur ein Heer von Mitarbeitern hätte, das systematisch und weltweit die Piraterieware im Internet, im stationären Handel und bei den fliegenden Händlern am Strand aufspüren würde! Aber die Kosten? Auf diesen Überlegungen basiert wohl die von einer New Yorker Anwaltskanzlei entwickelte Plattform uFaker .
Jagd auf Produktpiraten mit der Crowd
So soll die Plattform nach der Vorstellung der Entwickler funktionieren: Über eine App kann jeder an jedem Ort der Welt zum sog. Brand Hunter werden und Informationen über möglicherweise markenverletzende Piraterieprodukte an uFaker senden. Idealerweise werden dabei Produktfotos und Namen des Händlers/Herstellers mitgeliefert. Nutzt der Inhaber der Marke, die möglicherweise von der Fälschung betroffen ist, uFaker, erhält der Online-Detektiv eine Belohnung – derzeit in Form eines Rabattgutscheins. Entscheidet sich der Markeninhaber dann, auf Basis der Information gegen den Markenfälscher vorzugehen, steht es dem Markeninhaber frei, dem Informanten weitergehende Belohnungen zukommen zu lassen. Für die Nutzung der Plattform uFaker muss der Markeninhaber in jedem Fall eine Gebühr entrichten. Dafür kann der Markeninhaber auf uFaker u.a. erläutern, an welchen Kriterien man erkennt, ob es sich bei seinen Produkten um Originale oder Fälschungen handelt.
Wann wird die Crowd zum Jäger?
Ob dies funktionieren wird? Gewiss, die Crowd hat ihre Augen und Smartphones zwar tatsächlich überall, wie nicht zuletzt die Aufdeckung von Plagiatsfällen über Online-Plattformen zeigt. Wer wird aber als Brand Hunter aktiv werden? Brand Hunter könnten aus der Überzeugung handeln, dass Produktpiraterie illegal und mit erheblichen Nachteilen verbunden ist. Zudem mag ein Brand Hunter über eine Meldung bei uFaker ebenfalls einmal ein privates Hähnchen mit dem Produktpiraten rupfen wollen. Vielleicht entsteht aber auch (ggf. begünstigt durch Rabattgutscheine) eine Art „Sport″, Markenverletzer zu entlarven.
Sieht man allerdings, welche enorme Verbreitung der Vertrieb von Piraterieprodukten auch über das Internet erreicht hat, wäre es spannend zu wissen, wie viele der Brand Hunter tatsächlich aus moralischen Gründen Meldungen bei uFaker absetzen werden. Denn mit der Produktpiraterie ist so ähnlich wie mit dem Parken ohne Parkschein: Fraglos ist dies ein Verstoß gegen die geltenden Vorschriften und fraglos führt dies zu wirtschaftlichen Schäden. Doch wer zeigt einen Parksünder tatsächlich an und wer geht (vielleicht in Gedenken an eigene nicht erworbene Parkscheine) einfach an dem Parksünder vorüber?
Nicht alle Hinweise der Crowd werden nützlich sein
Ob hingegen Markeninhaber uFaker oder ähnliche System zukünftig nutzen werden, hängt letztlich von der durchschnittlichen Qualität der von der Crowd gelieferten Hinweise ab. Denn mit der Verfolgung von Produktpiraterie sind erhebliche Kosten auf Seiten der Markeninhaber verbunden. Gerade bei Klein- und Kleinsthändlern, die Piraterieware nur in sehr geringem Umfang vertreiben, rechnen sich die Kosten eines Vorgehens häufig nur, wenn zugleich in Erfahrung gebracht werden kann, woher die gefälschten Produkte eigentlich stammen.
Der typische Detektiv aus der Crowd dürfte jedoch gerade auf solche Kleinhändler stoßen – wer denkt nicht an den vielleicht erst kurz zurückliegenden Sommerurlaub und die fliegenden Händler an manchen Badestränden oder in Fußgängerzonen. uFaker bezieht das Melden solcher Klein- und Kleinsthändler auch ausdrücklich in das Konzept mit ein. Denn ob es für die Crowd selbst nach „Schulungen″ zum Erkennen gefälschter Produkte über uFaker wirklich möglich sein wird, Piraterieware im regulären stationären Handel aufzuspüren, dürfte fraglich bleiben: Nicht immer erkennen die Händler selbst, dass es sich bei der ihnen angebotenen Ware um Fälschungen handelt.
Markeninhaber müssen bei der Nutzung von Plattformen wir uFaker also ein System zur Auswertung der Hinweise der Crowd installiert werden, das sinnvolle Filter enthält. Denn ansonsten kann man sich auch im Dickicht von Meldungen über gesichtete Fälschungen rund um den Globus verirren.
Patent ist nichtig – Crowd sei Dank!
Doch Plattformen wie uFaker sind nicht die Einzigen, die im Bereich des Gewerblichen Rechtschutzes auf die Macht der Crowd setzen: So gibt es z.B. auch Anbieter wie BluePatent, die in ihren Recherchen zur Rechtsbeständigkeit von Patenten gerne die Crowd mit einbeziehen: Denn bei dem im Patentrecht grundsätzlich geltenden weltweiten Neuheitsbegriff reicht ja schon eine neuheitsschädliche Veröffentlichung im weit entfernten Ausland aus, um ein Patent zum Fall zu bringen. Und wie erfahren Patentrechercheure auch immer sein mögen – z.B. sprachliche Grenzen lassen sich nicht immer ohne weiteres in den Griff bekommen.
Aus der Crowd können daher wertvolle Rechercheergebnisse kommen. Belohnung dafür gibt durch den Auftraggeber der Recherche und auch durch ein Ranking bei BluePatent selbst: Denn für jede erfolgreiche Beteiligung werden Punkte verteilt, so dass man sich als Crowd-Rechercheur auch eine Reputation „zusammenrecherchieren″ kann. Auch das ist mit einem gewissen sportlichen Anreiz verbunden – und vielleicht ein bisschen wie Plagiatssuche im Internet.
Grenzen der Crowd: Wie rechtstreu wollen wir alle sein?
Sicherlich können Hinweise aus der Crowd auf Markenverletzer oder neuheitsschädliche Publikationen im Einzelfall extrem ergiebig sein. Dann hätte sich das Internet nicht nur zu einer Plattform für Schutzrechtsverletzer entwickelt – vielmehr könnte eine Art Selbstkontrolle über die Crowd zumindest in gewissem Umfang Produktpiraten disziplinieren. Aber eines darf man bei aller Euphorie nicht vergessen: Solange es Originale gibt, gibt es Fälschungen. Und daran wird eine Crowd, die zumindest immer zum Teil selbst Konsument der Fälschungen ist, wohl auch nichts ändern können.