Entwurf zur Neuregelung des § 203 StGB: Auch Berufsgeheimnisträgern soll es zukünftig möglich sein, bestimmte Tätigkeiten auf externe Anbieter auszulagern.
Durch eine Änderung von § 203 StGB sowie durch neue berufsrechtliche Regelungen sollen rechtliche Hürden beseitigt werden, die bislang einer Auslagerung von technischen und sonstigen Leistungen durch Berufsgeheimnisträger im Wege stehen – jedenfalls soweit die Gesetzgebungskompetenz des Bundes reicht.
„Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen″ – so lautet der etwas sperrige Titel des Gesetzentwurfs, der insbesondere die Änderung von § 203 StGB vorsieht.
Das Gesetz soll Berufsgeheimnisträgern – insbesondere Anwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern sowie Ärzten und Krankenversicherern – das Outsourcing von technischen und sonstigen (büro)organisatorischen Unterstützungsleistungen ermöglichen. Der Fokus liegt dabei auf der Ermöglichung von IT-Outsourcing.
Auch Berufsgeheimnisträger haben Interesse an der Auslagerung bestimmter Leistungen
Wie viele andere Unternehmen haben auch die Mitglieder der geheimnisverpflichteten Berufsgruppen ein erhebliches Interesse daran, technische und organisatorische Leistungen auf spezialisierte Anbieter auszulagern. Dieses Interesse liegt zum einen darin begründet, dass spezialisierte Unternehmen technische und organisatorische Unterstützungsleistungen effizienter und qualitativ hochwertiger erbringen können.
Sie verfügen in dem entsprechenden Bereich über deutlich mehr Erfahrung und Know-how als die auslagernden Kanzleien und Unternehmen selbst. Die Anbieter solcher Leistungen können diese zudem in aller Regel deutlich günstiger erbringen, da die auslagernden Kanzleien und Unternehmen das entsprechende Personal sowie teure technische Einrichtungen dann nicht mehr vorhalten müssen.
Im Anwaltsbereich benötigen Kanzleien zukünftig vermehrt punktuell ganz erhebliche Rechnerleistung für die Nutzung von Legal Tech Anwendungen. Auch insoweit besteht ein erhebliches Interesse an der Möglichkeit, externe technische Ressourcen zu nutzen.
Auslagerung bislang strafbar wegen Verstoßes gegen § 203 StGB
Allein die rechtlichen Rahmenbedingungen erlaubten dies den Berufsgeheimnisträgern bislang nicht. Denn die Weitergabe von einem Berufsgeheimnis unterliegenden Informationen an externe Dritte ist bislang gemäß § 203 StGB unter Strafe gestellt. Eine Informationsweitergabe war straffrei nur an „berufsmäßig tätige Gehilfen und Personen, die bei dem Berufsgeheimnisträger zur Vorbereitung auf den Beruf tätig sind″, möglich.
Externe Dritte waren hiervon aber gerade nicht umfasst, sondern nur Angestellte, die nicht der geheimnisverpflichteten Berufsgruppe angehören. Hierzu zählen etwa Assistentinnen und Assistenten, IT-Mitarbeiter oder angestellte Übersetzer, Auszubildende, Referendare und auch Praktikanten.
Auch berufsrechtlich gab es bislang keine entsprechende Erlaubnis. Die für die Anwaltschaft geltende satzungsrechtliche Erlaubnis gemäß § 2 Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) sah sich dem Einwand ausgesetzt, dass durch Satzungsrecht die strafrechtliche Norm des § 203 StGB nicht geändert werden kann.
Gesetzentwurf eröffnet Möglichkeit zur Auslagerung
Der Bundesgesetzgeber eröffnet mit dem Gesetzentwurf nunmehr einen Weg, eine Auslagerung auch für Berufsgeheimnisträger straffrei zu gestalten. Zugleich schafft der Gesetzentwurf für Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer sowie Notare und Patentanwälte auch berufsrechtliche Befugnisnormen.
Für weitere Berufsgruppen, für die die Gesetzgebungskompetenz für die berufsrechtlichen Vorschriften nicht beim Bund liegt, müssten vorhandene berufsrechtliche Hindernisse durch die insoweit zuständigen Gesetzgeber beseitigt werden. Strafrechtliche Hindernisse werden mit dem Neuentwurf des § 203 StGB jedoch beseitigt.
Weitergabe von Geheimnissen zukünftig straffrei gestaltbar
§ 203 Abs. 3 StGB-E stellt klar, dass die Weitergabe von Geheimnissen an berufsmäßig tätige Gehilfen oder bei den zur Geheimniswahrung verpflichteten Berufsgruppen zur Vorbereitung auf den Beruf tätigen Personen bereits den Tatbestand des Offenbarens nicht erfüllt.
Darüber hinaus schafft der Gesetzgeber eine weitere Kategorie von Personen, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit mitwirken („mitwirkende Personen″). Die Weitergabe von Informationen, die dem Geheimnisschutz unterliegen, an mitwirkende Personen stellt zwar ein Offenbaren im Sinne des Neuentwurfs von § 203 StGB dar. Allerdings erfolgt die Weitergabe nicht unbefugt, das heißt, die Rechtswidrigkeit der Informationsweitergabe entfällt. Nach der Entwurfsbegründung muss eine mitwirkende Person
- in die berufliche Tätigkeit der schweigepflichtigen Person einbezogen sein und
- die Einbeziehung muss im Einvernehmen mit der schweigepflichtigen Person, gerade auch in mehrstufigen Auftragsverhältnissen, geschehen.
Die mitwirkende Person ist die Person, die selbst die mitwirkende Tätigkeit ausübt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Berufsgeheimnisträger auch mit dieser Person selbst eine unmittelbare vertragliche Beziehung unterhalten muss. Allerdings muss eine lückenlose Vertragskette gewährleistet sein. Der Berufsgeheimnisträger kann also auch mit einem Unternehmen einen entsprechenden Vertrag schließen. In diesem ist das Unternehmen zu verpflichten, die eingesetzten Personen im Rahmen des Arbeitsvertrags oder einer sonstigen vertraglichen Vereinbarung entsprechend zu verpflichten.
Offenbarung der Informationen nur im erforderlichen Umfang
Ein Offenbaren von Geheimnissen ist jedoch nur straffrei, soweit das Offenbaren für die Inanspruchnahme der Leistungen der mitwirkenden Person erforderlich ist. Werden darüber hinaus weitere Geheimnisse offenbart, bleibt es bei einer Strafbarkeit. Der Berufsgeheimnisträger darf also nicht mehr an Geheimnissen preisgeben, als notwendig ist, damit er die Tätigkeit der mitwirkenden Person übertragen kann.
Um zu verhindern, dass die Öffnung des Geheimnisschutzes zu einer Absenkung des Schutzniveaus insgesamt führt, erstreckt § 203 Abs. 4 StGB-E die Strafbarkeit auch auf die mitwirkenden Personen, sollten diese unbefugt Geheimnisse einem Dritten offenbaren.
Flankiert wird dies durch eine weitere Strafbarkeit des Berufsgeheimnisträgers, wenn er seiner Verpflichtung nicht nachkommt, die mitwirkenden Personen angemessen zur Vertraulichkeit zu verpflichten. Das Gleiche gilt für mitwirkende Personen, die wiederum weitere mitwirkende Personen als Unterauftragnehmer einsetzen. Auch sie müssen den Unterauftragnehmer zur Vertraulichkeit verpflichten. Tun sie dies nicht, machen sie sich ebenfalls strafbar.
Berufsrechtliche Befugnisnormen ergänzen den Entwurf des § 203 StGB
Soweit der Bundesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz hat, schafft er auch entsprechende berufsrechtliche Regelungen, namentlich im Bereich der Rechts- und Steuerberatung (Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Notare, Patentanwälte).
Ein Outsourcing kann daher insoweit nicht nur straffrei, sondern auch ohne berufsrechtliche Konsequenzen zulässig gestaltet werden. Die Änderungen sind für die jeweiligen Berufsgruppen (nahezu) identisch. Die wesentlichen Inhalte seien exemplarisch an dem neu in die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) einzufügenden § 43e BRAO-E erläutert.
§ 43e BRAO-E ist die zentrale Vorschrift zur Zulässigkeit einer Inanspruchnahme von Dienstleistungen. Danach darf der Rechtsanwalt Dienstleistern den Zugang zu geschützten Informationen eröffnen, soweit dies für die Inanspruchnahme der Dienstleistung erforderlich ist.
Auffällig ist hierbei, dass der Gesetzgeber von Dienstleistungen spricht, wobei hierunter – allerdings gegen den Wortlaut der Norm – auch Werkleistungen oder mietvertragliche Leistungen bei der Zurverfügungstellung von Software as a Service zu subsumieren sein dürften. Eine Beschränkung auf Dienstleistungen im Sinne des § 611 BGB erscheint nicht sachgerecht.
Etwas überraschend erscheint auf den ersten Blick, dass der Vertrag mit dem Dienstleister lediglich der Textform bedarf (§ 43e Abs. 3 BRAO-E). Ein Vertragsschluss per E-Mail ist damit ausreichend. Dies ist letztlich jedoch konsequent, um dem technischen Fortschritt Rechnung zu tragen und sich an entsprechende datenschutzrechtliche Vorschriften anzulehnen (vgl. Art. 28 Abs. 9 EU-Datenschutzgrundverordnung).
Angesichts der auch strafrechtlichen Bedeutung des Vertrags zur Dokumentation der Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Geheimhaltungsverpflichtung empfiehlt sich jedoch, soweit praktikabel, die Schriftform.
Berufsrechtliche Anforderungen an den Auslagerungsvertrag gemäß § 43e BRAO-E
§ 43e Abs. 3 BRAO-E legt weitere Anforderungen an den Auslagerungsvertrag fest. Bei der Gestaltung eines Auslagerungsvertrags ist danach zwingend darauf zu achten, dass
- der Dienstleister über die strafrechtlichen Folgen einer Pflichtverletzung zur Verschwiegenheit belehrt wird,
- ein striktes need to know-Prinzip gilt, der Dienstleister also verpflichtet wird, sich nur insoweit Kenntnis von fremden Geheimnissen zu verschaffen, als dies zur Vertragserfüllung erforderlich ist und
- eine Vereinbarung hinsichtlich der Zulässigkeit oder des Verbots des Einsatzes von Subunternehmern getroffen wird. Sollte der Einsatz von Subunternehmern zulässig sein, muss zudem die Verpflichtung aufgenommen werden, dass auch der Subunternehmer (und die zur Leistungserbringung eingesetzten Personen) mindestens in Textform zur Verschwiegenheit verpflichtet wird.
Aus § 43e Abs. 4 BRAO-E ergibt sich, dass Dienstleister oder deren Subunternehmer Leistungen auch im Ausland erbringen dürfen. Dies setzt jedoch voraus, dass am Ort der Leistungserbringung ein vergleichbarer Geheimnisschutz wie in Deutschland besteht. Zu fordern sein dürfte insoweit ebenfalls ein strafrechtlicher Schutz.
Welche Leistungen können ausgelagert werden?
Die Ermöglichung des Outsourcings, sowohl strafrechtlich als auch berufsrechtlich, bezieht sich nach der Entwurfsbegründung auf folgende beispielhaft und nicht abschließend aufgeführte technische und organisatorische Unterstützungsleistungen:
- Schreibarbeiten
- Rechnungswesen
- Annahme von Telefonanrufen
- Aktenarchivierung und -vernichtung
- Einrichtung, Betrieb, Wartung – einschließlich Fernwartung – und Anpassung informationstechnischer Anlagen, Anwendungen und Systeme aller Art, beispielsweise auch von entsprechend ausgestatteten medizinischen Geräten,
- Bereitstellung von informationstechnischen Anlagen und Systemen zur externen Speicherung von Daten,
- Mitwirkung an der Erfüllung von Buchführungs- und steuerrechtlichen Pflichten des Berufsgeheimnisträgers.
Berufsrechtlich geht die Beschränkung auf unterstützende technische und organisatorische Leistungen insbesondere aus § 43e Abs. 5 BRAO hervor. Nach dieser Vorschrift darf die unmittelbar einem einzelnen Mandat dienende Dienstleistung nicht ohne vorherige Einwilligung des Mandanten erfolgen. In der Entwurfsbegründung werden insoweit Sachverständigenleistungen, Detektivleistungen und Übersetzungsleistungen genannt. In der Praxis dürfte diese Regelung jedoch auch das sogenannte Legal Outsourcing umfassen.
Beim Legal Outsourcing werden originäre Rechtsberatungsleistungen für ein konkretes Mandat an einen Dienstleister ausgelagert, ohne dass dieser nach außen auftritt. Da die zu beauftragenden Leistungen in aller Regel konkrete Einzelfragen für ein spezifisches Mandat umfassen, wäre eine solche Beauftragung gemäß § 43e Abs. 5 BRAO ohne vorherige Zustimmung des Mandanten unzulässig.
Ob das Legal Outsourcing ohne Zustimmung des Mandanten auch strafbar ist, kann nicht ausgeschlossen werden. Denn die Leistungen überschreiten die Grenze einer bloßen Mitwirkung und beinhalten eine vollständige Übernahme von Teilen der in der Mandatsvereinbarung zwischen Rechtsanwalt und Mandant vereinbarten Rechtsberatungsleistungen.
Die Entwurfsbegründung geht hierauf nicht ein, sondern führt als mitwirkende Tätigkeiten lediglich die vorstehend aufgeführten unterstützenden Tätigkeiten an. Es ist daher fraglich, ob ein Legal Outsourcing Provider als mitwirkende Person im Sinne des § 203 StGB-E angesehen werden kann.
Stand des Gesetzgebungsverfahrens
Der Bundestag hat den Gesetzesentwurf nach erfolgter Stellungnahme des Bundesrats am 27. April 2017 beraten und nochmals in die Ausschüsse verwiesen (BT-Drs. 18/11936; BT-Plenarprotokoll 18/231, S. 23354B und S. 23403 ff.). Diskutiert werden insbesondere noch sprachliche Anpassungen.
Auch die Frage, ob die fehlende Sanktionierung einer fahrlässigen Geheimnispreisgabe zu einem Absinken des Geheimnisschutzes führt und sich hieraus weiterer Handlungsbedarf ergibt, soll in den Ausschüssen diskutiert werden. Zudem steht eine Verschärfung der Regelung zum Einsatz von Subunternehmern, insbesondere solchen im Ausland, zur Debatte.
Die Änderung von § 203 StGB ist darüber hinaus noch strafprozessrechtlich zu ergänzen. Zu klären ist dabei, in welchem Umfang auch den mitwirkenden Personen, wie bislang nur den Berufsgehilfen, ein Zeugnisverweigerungsrecht zugestanden werden soll. Diese Änderung fand sich zunächst in einem anderen Gesetzesentwurf (Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe (BT-Drs. 18/9521), dort Art. 12). In der Ende März beschlossenen Gesetzesfassung war die Regelung jedoch nicht mehr enthalten (vgl. BT-Drs. 18/1468, dort Nr. 9) und dürfte daher so oder in ähnlicher Form noch Eingang in den hier vorgestellten Gesetzentwurf finden.
Parlamentarisch ist der letzte Schritt also noch zu gehen. An der grundsätzlichen Regelung dürfte sich jedoch wenig ändern.
Gesetzentwurf ist zu begrüßen
Im Ergebnis ist der Entwurf positiv zu bewerten. Insbesondere deshalb, weil er es nunmehr auch Berufsgeheimnisträgern ermöglicht, sich durch die Auslagerung bestimmter Leistungen an professionelle Anbieter in der internen Organisation wettbewerbsfähiger aufzustellen und Kosten einzusparen.
Aber auch hinsichtlich der Qualität des Geheimnisschutzes kann sich vor allem die Möglichkeit der Auslagerung von IT-Leistungen positiv auswirken. So wird der Kreis derer, die Kenntnis von den entsprechenden Informationen haben, zwar vergrößert. Allerdings dürften die Informationen bei einem professionellen Dienstleister häufig sicherer und professioneller aufbewahrt sein als in den internen IT-Systemen. Denn diese werden nicht selten von fachlich nicht ausreichend qualifizierten Mitarbeitern betreut oder entsprechen nicht dem aktuellen Stand der Technik, insbesondere im Hinblick auf die Datensicherheit.
Zu kritisieren wäre für den anwaltlichen Bereich gegebenenfalls der fehlende Mut, auch das Legal Outsourcing in gleichem Umfang zu ermöglichen. Dieser Schritt wäre zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit hiesiger Kanzleien sicher förderlich.
Update § 203 StGB
Das Gesetz, dass endlich Rechtssicherheit für Outsourcing bei Berufsgeheimnisträgern schaffen soll, ist in Kraft getreten.