28. Dezember 2017
203 StGB Outsourcing
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Update § 203 StGB: Rechtssicherheit für Outsourcing bei Berufsgeheimnisträgern?

Nun ist es amtlich. Das Gesetz, dass endlich Rechtssicherheit für Outsourcing bei Berufsgeheimnisträgern schaffen soll, ist in Kraft getreten.

Am 08. November 2017 wurde das „Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen″ im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am 09. November 2017 in Kraft (zum Gesetzesentwurf haben wir bereits berichtet).

Zuvor hatte der Bundestag den Gesetzesentwurf nach erfolgter Stellungnahme des Bundesrats am 27. April 2017 beraten und nochmals in die Ausschüsse verwiesen. Das in der Ausschussfassung beschlossene Gesetz entspricht jedoch im Wesentlichen dem Regierungsentwurf. Lediglich Änderungen strafprozessualer Vorschriften, die zunächst Gegenstand eines anderen Gesetzgebungsverfahrens waren, wurden noch hinzugefügt.

Durch das Gesetz soll der Weg für eine straffreie Auslagerung bestimmter Tätigkeiten auf externe Anbieter auch für Berufsgeheimnisträger geebnet werden. Neben Änderungen des Strafrechts schafft das neue Gesetz hierfür auch berufsrechtliche Befugnisnormen für Anwälte und Steuerberater.

Das Gesetz ist begrüßenswert und bringt in weiten Teilen (endlich) die erhoffte Rechtssicherheit. Einzelfragen zur tatsächlichen Ausgestaltung in der Praxis, vor allem bei Sachverhalten mit internationalem Bezug, bleiben jedoch offen.

Die „mitwirkende Person″ als zentraler Begriff des § 203 StGB

Der zentrale Begriff der neuen Regelungen ist der der mitwirkenden Person. Nach § 203 Abs. 3 StGB sind dies „sonstige Personen″, die an der „beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit mitwirken″.

Die mitwirkende Person ist die Person, die selbst die mitwirkende Tätigkeit ausübt. Der Berufsgeheimnisträger kann jedoch auch mit einem Unternehmen einen entsprechenden Vertrag schließen. In diesem ist das Unternehmen jedoch zu verpflichten, die eingesetzten Personen im Rahmen des Arbeitsvertrags oder einer sonstigen vertraglichen Vereinbarung persönlich entsprechend zu verpflichten. Dies gilt auch in mehrstufigen Auftragsverhältnissen, die grundsätzlich möglich sind, wenn der Berufsgeheimnisträger dies gestattet.

Mit den mitwirkenden Personen hat der Gesetzgeber einen weiten Personenkreis definiert, demgegenüber ein Offenbaren bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen straffrei möglich sein soll. Dies führt unweigerlich zu einer Verwässerung des Geheimnisschutzes, die der Gesetzgeber jedoch aufgrund wirtschaftlicher und technischer Notwendigkeiten grundsätzlich in Kauf nimmt. Eine Kompensation soll durch die Einbeziehung der mitwirkenden Personen in die Strafbarkeit sowie das Kriterium der Erforderlichkeit bei der Informationsweitergabe erfolgen. Aber auch die Professionalisierung bestimmter Tätigkeiten durch Auslagerung auf spezialisierte Anbieter kompensiert die Ausdehnung des berechtigten Personenkreises in gewissem Maße.

Keine konsistente Verwendung des Begriffs der „mitwirkenden Person″

§ 43e BRAO (sowie die entsprechenden gleichlautenden berufsrechtlichen Regelungen für Patentanwälte, Notare, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer) nutzt den Begriff der mitwirkenden Person jedoch nicht, sondern stellt auf den Begriff des Dienstleisters ab.

Gemäß § 43a Abs. 1 Satz 2 BRAO ist Dienstleister „eine andere Person oder Stelle, die vom Rechtsanwalt im Rahmen seiner Berufsausübung mit Dienstleistungen beauftragt wird″. Dies erscheint etwas unglücklich, denn eine Beschränkung auf Dienstleistungen im Sinne des § 611 BGB ist nicht sachgerecht. Man wird den Begriff des Dienstleisters in § 43e BRAO entgegen dem Wortlaut wohl nicht auf Dienstleistungsverträge beschränken dürfen, sondern auf sonstige Vertragsverhältnisse ausdehnen müssen.

Nutzung von Cloud Angeboten zulässig?

Von besonderer praktischer Relevanz ist die Frage, ob die Nutzung von Cloud-Angeboten zulässig ist, was vereinzelt bezweifelt wird. Den Normen selbst ist eine Beschränkung jedoch nicht zu entnehmen. Die Auflistung möglicher auslagerbarer Tätigkeiten in der Gesetzesbegründung umfasst die externe Speicherung von Daten ebenso wie den Betrieb von informationstechnischen Anlagen, Anwendungen und Systemen aller Art.

Von dieser recht weiten und unspezifischen Aufzählung sind – jedenfalls dem Wortlaut nach – sowohl Leistungen im Bereich „Infrastructure as a Service″ als auch im Bereich „Software as a Service″ erfasst, so dass viel für eine grundsätzliche Zulässigkeit der Nutzung von Cloud-Angeboten spricht.

Berufsrechtliche Beschränkung bei unmittelbarem Mandatsbezug

Für den Anwaltsbereich problematisch ist die Regelung in § 43e Abs. 5 BRAO. Nach dieser Vorschrift darf die unmittelbar einem einzelnen Mandat dienende Dienstleistung nicht ohne vorherige Einwilligung des Mandanten erfolgen. Diese Vorschrift führt zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten, da unklar ist, wann ein solcher Mandatsbezug vorliegt und wann nicht.

Offenbarung nur im erforderlichen Umfang

Ein Offenbaren von Geheimnissen ist nur dann straffrei, soweit das Offenbaren für die Inanspruchnahme der Leistungen der mitwirkenden Person erforderlich ist. Der Berufsgeheimnisträger darf also nicht mehr an Geheimnissen preisgeben, als notwendig ist, damit er die Tätigkeit der mitwirkenden Person übertragen und diese die Tätigkeit ausüben kann. Im Einzelfall kann dies zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Letztlich kann jedoch auch eine umfassende Informationsweitergabe erforderlich im Sinne der Regelung sein, wenn die Leistung der mitwirkenden Person nur dann möglich ist. Nach der Gesetzesbegründung ist beispielsweise das Offenbaren im Sinne der Schaffung einer Möglichkeit der Kenntnisnahme gegenüber IT-Spezialisten erforderlich, damit der Berufsgeheimnisträger seine Tätigkeit (Wartung, Einrichtung etc. der IT-Anlagen) überhaupt sinnvoll in Anspruch nehmen kann.

Ausdehnung der Strafbarkeit auf die „mitwirkende Person″

Um zu verhindern, dass die Öffnung des Geheimnisschutzes zu einer Absenkung des Schutzniveaus insgesamt führt, sieht der neue § 203 Abs. 4 StGB eine Strafbarkeit der mitwirkenden Personen vor, sollten diese unbefugt Geheimnisse einem Dritten offenbaren. Ebenfalls strafbar macht sich der Berufsgeheimnisträger, wenn er seiner Verpflichtung nicht nachkommt, die mitwirkenden Personen angemessen zur Vertraulichkeit zu verpflichten. Das Gleiche gilt für mitwirkende Personen, die wiederum weitere mitwirkende Personen als Unterauftragnehmer einsetzen. Auch sie müssen den Unterauftragnehmer zur Vertraulichkeit verpflichten.

Anders als noch im Referentenentwurf ist eine nicht sorgfältige Auswahl oder eine mangelnde Überwachung der mitwirkenden Person nicht strafbar. Aus § 43e Abs. 2 BRAO ergibt sich allerdings im Anwaltsbereich eine berufsrechtliche Pflicht zur sorgfältigen Auswahl und angemessenen Überwachung der Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht.

Beauftragung von Dienstleistern im Ausland grundsätzlich erlaubt

Grundsätzlich ist es erlaubt, dass Dienstleister oder deren Subunternehmer Leistungen im Ausland erbringen. Dies setzt jedoch voraus, dass am Ort der Leistungserbringung ein vergleichbarer Geheimnisschutz wie in Deutschland besteht.

Berufsverbände hatten insoweit Bedenken, dass eine (ständige) Prüfung des angemessenen Schutzniveaus im Ausland kaum mit vertretbaren Mitteln realisierbar sein dürfte. Es wurde daher diskutiert, ob gegebenenfalls von staatlicher Seite die Länder mit vergleichbarem und angemessenem Schutzniveau in einer Positiv-Liste benannt werden könnten.

Zu dieser Lösung konnte sich der Gesetzgeber jedoch nicht durchringen. Es wurde schließlich nur eine kleine Erleichterung dahingehend geschaffen, dass eine Angemessenheit des Schutzniveaus entbehrlich ist, wenn der Schutz der Geheimnisse dies nicht gebietet. Dies soll dann der Fall sein, wenn die übermittelten Daten aus sich selbst heraus kaum verständlich sind, weil sie nur Teile eines umfassenden Prüfungsprozesses sind, oder bei einer Fernwartung aus dem Ausland. Dieser einzelfallorientierte Ansatz dürfte jedoch in vielen Fällen kaum praktikabel sein.

Unabhängig vom Vorliegen eines vergleichbaren Schutzniveaus ist gemäß § 43e Abs. 6 BRAO die Beauftragung ausländischer Dienstleister nur bei Vorliegen einer Einwilligung möglich. Dies schränkt die Nutzung von Leistungen ausländischer Anbieter, insbesondere bei Cloud-Angeboten ein. Es bleibt abzuwarten, ob die Dienstleister dieser Problematik mit nationalen Angeboten begegnen. Zudem stellt sich die Frage der Anwendbarkeit von § 203 StGB auf im Ausland tätige Leistungserbringer.

Änderung der StPO – Zeugnisverweigerungsrecht für mitwirkende Personen

Durch das Gesetz werden mitwirkende Personen auch strafprozessual mit den berufsmäßig tätigen Gehilfen gleichgestellt. Ihnen steht nun auch ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53a StPO zu. Das Gesetz sieht zudem entsprechende Folgeänderungen des Beschlagnahmerechts in § 97 StPO vor.

Datenschutz stets von großer Bedeutung

Von großer Bedeutung für etwaige Auslagerungen von Leistungen durch Berufsgeheimnisträger ist das Datenschutzrecht. Das Datenschutzrecht gilt parallel neben dem Straf- und Berufsrecht. Eine straf- und berufsrechtlich zulässige Auslagerung muss sich auch an den Anforderungen des Datenschutzes messen lassen und es ist nicht zwingend, dass eine straf- und berufsrechtlich zulässige Auslagerung auch immer datenschutzrechtskonform umsetzbar ist

Fazit

Im Ergebnis ist das Gesetz positiv zu bewerten, da es die bestehende Rechtsunsicherheit weitgehend beseitigt und den praktischen Bedürfnissen von Angehörigen der betroffenen Berufsgruppen Rechnung trägt. Allerdings schafft es neue Unsicherheiten, insbesondere im Bereich der Nutzung von Cloud-Angeboten und der Leistungserbringung im Ausland. Ein klareres Bekenntnis, vor allem zur Nutzung von Cloud-Angeboten, wäre wünschenswert gewesen.

Zudem zu begrüßen wäre es, wenn vorhandene berufsrechtliche Hindernisse für weitere Berufsgruppen von der jeweiligen zuständigen Stelle beseitigt werden würden.

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