Laut BGH hat ein Facebook-Nutzer gegenüber Meta den Klarnamen anzugeben. Auf der Plattform kann er u.U. jedoch unter Verwendung eines Pseudonyms agieren.
Der dritte Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschied am 27. Januar 2022, dass der Netzwerkbetreiber Facebook, mittlerweile in Meta umbenannt, seinen Nutzern* u.U. die Verwendung eines Pseudonyms zu gestatten hat.
Die Nutzer hätten ihren Klarnamen zwar gegenüber Meta (im Innenverhältnis) anzugeben, anschließend könnten sie (im Außenverhältnis) bei der Nutzung von Facebook aber ein Pseudonym verwenden.
Zwei Fälle aus Bayern: Meta sperrte die Nutzerkonten
Gegenstand der Entscheidungen waren zwei Fälle aus Bayern: Geklagt hatten zwei Facebook-Nutzer, die sich jeweils mit falschem Namen, nämlich einem Pseudonym, auf der Plattform des kalifornischen Konzerns angemeldet hatten. Meta sperrte die Konten. Zur Begründung verwies Meta auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die dem Gebrauch von Facebook zugrunde lagen. Diese bestimmten, dass Nutzer ihren „richtigen“ Namen bzw. ihren im täglichen Leben gebrauchten Namen (sog. „Alltagsname“ oder „Klarname“) nutzen müssen.
Einer der beiden Kläger (BGH, Urteil v. 27. Januar 2022 – III ZR 3/21) konnte erst nach Änderung seines Nutzernamens wieder auf sein Konto zugreifen. Da der Kläger jedoch weiterhin den Wunsch hatte, sein Pseudonym zu verwenden, suchte er gerichtlichen Rechtsschutz. Der Kläger nahm die Beklagte in Anspruch, es zu unterlassen, zukünftig Änderungen seines von ihm verwendeten Pseudonyms zu verlangen. Meta stützte die Pflicht zur Verwendung des Klarnamens auf die dem Nutzungsvertrag zugrundeliegenden AGB aus April 2018.
Im zweiten Fall (BGH, Urteil vom 27. Januar 2022 – III ZR 4/21) begehrte die Klägerin die bis zuletzt nicht erfolgte Aufhebung der Sperrung ihres Nutzerkontos sowie die Gestattung der Nutzung des Profils unter Verwendung eines Pseudonyms. Auch in diesem Fall stützte Meta die Pflicht zur Verwendung des Klarnamens auf seine AGB, dieses Mal in der Fassung vom Januar 2015.
Urteile der Vorinstanzen widersprüchlich – BGH setzt vermeintlichen Schlussstrich unter Fragen nach der Klarnamenpflicht
Die vorherigen Instanzen – LG Traunstein, LG Ingolstadt und OLG München – waren sich bei der Behandlung der Fälle uneinig. Während das LG Ingolstadt erstinstanzlich die Verwendung eines Pseudonyms gestattete, lehnte das LG Traunstein die Nutzung eines Pseudonyms ab. Das OLG München versagte sodann in beiden Fällen die Nutzung von Facebook unter Verwendung eines Pseudonyms.
Doch nach der Rechtsprechung des BGH können die beiden Kläger zum Gebrauch des Pseudonyms zurückkehren.
Den Entscheidungsgründen des ersten Verfahrens (Az.: III ZR 3/21) zufolge reiche es aus, dass die Nutzer lediglich bei der Registrierung die wirkliche Identität hinterlegen (im Innenverhältnis). Auf diese Weise wird es Facebook ermöglicht, den Nutzer im Falle von Störungen in Regress zu nehmen. Im Rahmen der Verwendung des Profils (im Außenverhältnis) sei hingegen der Gebrauch eines Pseudonyms möglich. Die in den AGB enthaltene Vorgabe, den Alltagsnamen nach außen hin zu gebrauchen, stelle eine entgegen dem Gebot von Treu und Glauben erfolgende unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB dar und sei somit unwirksam.
Gestützt wird die Entscheidung des dritten Zivilsenats auf § 13 Abs. 6 S. 1 Telemediengesetz (TMG) in der bis zum 30. November 2021 geltenden Fassung. § 13 Abs. 6 S. 1 TMG a.F. sah vor, dass der Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien anonym oder unter einem Pseudonym zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Der Senat ist der Ansicht, dass diesen Anforderungen bereits dadurch Genüge getan werde, dass der Nutzer im Innenverhältnis seine wahre Identität preisgebe. Im Außenverhältnis überwiege hingegen das Interesse der Nutzer an ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie daran, ihre Meinung anonym zu äußern. Die in den AGB enthaltene Pflicht zur Verwendung des Klarnamens nach außen verstoße somit vor dem Hintergrund des § 13 Abs. 6 S. 1 TMG a.F. gegen § 307 Abs. 1 BGB und ist daher ersatzlos zu streichen. Dies hat zur Folge, dass der Kläger einen Anspruch hat, das Netzwerk unter einem Pseudonym zu nutzen.
Auch in dem zweiten Verfahren (Az.: III ZR 4/21) gelang der BGH zu einem vergleichbaren Ergebnis. Dieses beruht jedoch im Wesentlichen auf der Bindungswirkung des Unterlassungsurteils des LG Berlin vom 16. Januar 2018 (Az.: 16 O 341/15), da sich die Klägerin auf die Wirkung des vorgenannten Urteils berief (vgl. § 11 S. 1 Unterlassungsklagengesetz, UKlaG). Bereits in dem Unterlassungsurteil hatte die Kammer bei dem „Klarnamenprinzip“ einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB angenommen.
Beschränkte Aussagekraft der Entscheidungen des BGH zur Klarnamenpflicht auf Facebook für die Zukunft
Die Aussagekraft der Entscheidungen des BGH für zukünftige Fälle ist begrenzt. Denn die Fälle waren nach einer heutzutage veralteten Rechtslage zu beurteilen.
Die maßgebende Rechtslage richtet sich nach dem Zeitpunkt der Einbeziehung der AGB in das Vertragsverhältnis. In den vom BGH entschiedenen Fällen lagen Facebook-Nutzungsbedingungen aus Januar 2015 und April 2018 zugrunde. Die erst seit dem 25. Mai 2018 geltende Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) – das „neue“ Datenschutzrecht – blieb somit unberücksichtigt. Vielmehr kam es auf den bis zum 30. November 2021 geltenden § 13 Abs. 6 TMG an.
Wie die Möglichkeit der Verwendung eines Pseudonyms nach aktueller Rechtslage zu beurteilen ist, blieb daher offen.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.