7. Mai 2015
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Medienrecht

Presse vs. Rundfunk: Etappensieg für Zeitungsverlage?

Der BGH gab den Zeitungsverlagen im Streit um die „Tagesschau-App“ teilweise Recht. Gleichwohl bleibt in der Sache noch Vieles offen.

In dem langjährigen Streit zwischen Presse und öffentlich-rechtlichem Rundfunk um die Zulässigkeit der sog. „Tagesschau-App“ gab der BGH den Zeitungsverlagen nun mit Urteil vom 30. April 2015 teilweise Recht. Gleichwohl bleibt in der Sache noch Vieles offen.

Die Tagesschau-App

Die ARD (unter der Federführung des NDR) bieten das Telemedienangebot „tagesschau.de″ an, für das ein rundfunkrechtliches Telemedienkonzept besteht und das von der zuständigen Rechtsaufsicht nach Durchlaufen des sog. Drei-Stufen-Tests freigegeben wurde (§ 11f RStV). Dieser soll sicherstellen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Internet nur im Rahmen seines öffentlichen Auftrags tätig wird. Zusätzlich bieten die ARD mit der Tagesschau-App Nachrichten und Information zum Empfang auf Smartphones und sonstigen mobilen Endgeräten an. Das Angebot beinhaltet Videos, aber auch Online-Artikel in Textform.

Was bisher geschah…

Im Juni 2011 erhoben mehrere Presseverlage vor dem LG Köln Klage auf Unterlassung des Angebots der Tagesschau-App gegen die ARD und den NDR. Streitgegenstand war das Angebot der Tagesschau-App an einem bestimmten Tag im Juni 2011, das heute nicht mehr abrufbar ist.

Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Beklagten hätten gegen rundfunkrechtliche Regelungen verstoßen. Sie böten mit der Tagesschau-App unzulässigen (durch Rundfunkbeiträge finanzierten) Wettbewerb im Internet an. Für die Tagesschau-App sei zum einen kein eigener Drei-Stufen-Test durchgeführt worden. Zum anderen verstoße das Angebot gegen § 11d Abs. 2 Nr. 3 RStV, wonach öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten keine sendungsbezogenen und presseähnlichen Telemedienangebote anbieten dürfen.

Bis heute ist umstritten, was unter der „Presseähnlichkeit″ eines digitalen Angebots eigentlich zu verstehen ist. Nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 2 Nr. 20 RStV ist

ein presseähnliches Angebot nicht nur elektronische Ausgaben von Printmedien, sondern alle journalistisch-redaktionell gestalteten Angebote, die nach Gestaltung und Inhalt Zeitungen oder Zeitschriften entsprechen.

Dass diese Definition reichlich unbestimmt ist, versteht sich von selbst. Worauf soll beim Vergleich eines digitalen (unverkörperten) Angebots wie einem Online-Beitrag abgestellt werden, wenn man dieses mit einem (physischen) Zeitungsartikel vergleicht? Als Kriterien werden z. T. der Umfang des Textanteils eines Beitrags oder seine gestalterische Aufmachung (z. B. Spaltensatz, Überschriften, keine oder kaum Videos, keine Verlinkungen etc.) herangezogen. Doch auch hier stellt sich die Frage: Wieviel ist bereits zu viel? Während sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten naturgemäß für ein eher enges Verständnis der „Presseähnlichkeit″ aussprechen, vertreten insbesondere die klassischen Printverlage – insofern ebenso wenig überraschend – die Auffassung, dass der Begriff möglichst weit auszulegen sei.

Das LG Köln hatte der Klage in erster Instanz (Urteil vom 27.09.2012 – 31 O 360/11) teilweise stattgegeben. Das OLG Köln hatte diese auf die Berufung der Beklagten hin dagegen abgewiesen (Urteil vom 20.12.2013 – 6 U 188/12). Das OLG Köln stütze sich hierbei maßgeblich darauf, dass die Niedersächsische Staatskanzlei bereits abschließend die Zulässigkeit des Angebots festgestellt habe.

BGH: Das OLG Köln muss erneut die Presseähnlichkeit prüfen

Der BGH gab den Zeitungsverlagen nun mittels Revisionsurteil vom 30. April 2015 – I ZR 13/14 (vgl. Pressemitteilung) teilweise Recht.

Es entschied zwar, dass die Revision hinsichtlich der ARD keinen Erfolg habe, da es sich bei der ARD um einen Zusammenschluss von Rundfunkanstalten handele, der als solcher nicht rechtsfähig sei und daher nicht verklagt werden könne.

Hinsichtlich des NDR hat der BGH die Sache hingegen an das OLG Köln zurückverwiesen. Dieses habe sich zu Unrecht auf die Freigabe des Telemedienkonzeptes durch die Niedersächsische Staatskanzlei gestützt. Die Staatskanzlei habe nicht bindend für diesen Rechtsstreit festgestellt, dass das streitgegenständliche Angebot vom 15. Juni 2011 nicht presseähnlich gewesen sei. Die Freigabe umfasse allenfalls das zugrunde liegende Konzept, nicht aber dessen konkrete Umsetzung im Einzelfall. Bei dem Verbot nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote handele es sich zudem um eine Marktverhaltensregelung i. S. d. § 4 Nr. 11 UWG, das zumindest auch den Zweck verfolge, die Tätigkeiten öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten im Internet zum Schutz von Presseverlagen zu begrenzen. Ein Verstoß gegen dieses Verbot könne daher wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Verlage begründen.

Das OLG Köln muss nun – erneut – prüfen, ob das von den Klägerinnen beanstandete Angebot von damals presseähnlich ist. Entscheidend sei nach Ansicht des BGH, ob das über die Tagesschau-App abrufbare Angebot des Online-Portals tagesschau.de in der Gesamtheit seiner nichtsendungsbezogenen Beiträge als presseähnlich einzustufen ist. Das sei der Fall, wenn hierbei „der Text deutlich im Vordergrund steht″.

Fazit und Ausblick

Das Urteil war in der Medienbranche mit Spannung erwartet worden. Erhoffte man sich hiervon doch endlich mehr Klarheit zur Befugnis der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Internet – eine Frage, die angesichts der fortschreitenden Medienkonvergenz, also dem stetigen Annähern oder Verschmelzen der verschiedenen Medienformen, immer schwieriger wird.

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV) begrüßt das Urteil. BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff erklärte, damit sei geklärt, dass das bloße Vorhandensein eines Telemedienkonzepts „keinen Freifahrtschein für jedwedes Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ bedeute.

Aber auch der Vorsitzende der ARD und NDR-Intendant Lutz Marmor gibt sich zuversichtlich. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei nach wie vor überzeugt, dass auch das damalige Angebot rechtlich zulässig war. Unabhängig hiervon sei der Online-Auftritt in den vergangenen Jahren weiterentwickelt worden. Auch für Kooperationen mit Presseverlagen sei man weiterhin offen.

Geklärt ist infolge des BGH-Urteils nun zumindest, dass der Textanteil eines Angebots für die Frage nach der Presseähnlichkeit eines Angebots im Vordergrund stehen soll. Was dies konkret bedeutet, bleibt jedoch offen. Zwar sind die Entscheidungsgründe des BGH noch nicht veröffentlicht, die Pressemitteilung verhält sich zu dieser Frage jedoch nicht. Die Entscheidung darüber, wie das damalige Angebot der Tagesschau-App medienrechtlich einzuordnen ist, obliegt damit ein weiteres Mal dem OLG Köln. Ein Sieger dieses Rechtsstreits steht damit noch nicht fest.

Unabhängig vom endgültigen Ausgang dieses Rechtsstreits wäre für die Zukunft angesichts des unklaren Wortlauts der Norm jedenfalls eine entsprechende Klarstellung im RStV durch die Länder wünschenswert.

Tags: digitales Angebot Presseähnlichkeit Rundfunk Tagesschau-App