16. Juli 2020
Recht auf Vergessen
Medienrecht Presserecht

Neues zum Recht auf Löschung gegen Google

Wir zeigen aktuelle Entwicklungen zum Recht auf Vergessenwerden nach Art. 17 DSGVO gegen Suchmaschinenbetreiber wie Google ("Auslistungsanspruch").

Der datenschutzrechtliche Löschungsanspruch gegen Suchmaschinenbetreiber und das sog. Recht auf Vergessenwerden waren in der Vergangenheit Gegenstand mehrerer Gerichtsentscheidungen auf europäischer und deutscher Ebene. Es findet sich seit dem Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordung (DSGVO) am 24. Mai 2018 kodifiziert in deren Artikel 17.

Der nachfolgende Beitrag analysiert im Lichte einer anstehenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zwei oberlandesgerichtliche Entscheidungen zu sog. Auslistungsersuchen von Betroffenen gegen den Betreiber einer Internet-Suchmaschine.

1. Fall: Geschäftsführer verlangt Löschung von Google-Ergebnisse mit Angaben zu seiner Gesundheit

Bei der ersten Entscheidung (OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 6. September 2018 – 16 U 193/17) geht es um die Berichterstattung über Gesundheitsdaten des Geschäftsführers eines bedeutenden überregionalen Unternehmens, das in finanzielle Schwierigkeiten geraten war und ein Defizit von knapp einer Millionen Euro aufwies. Kurz vor Bekanntwerden dieser finanziellen Schwierigkeiten meldete der Geschäftsführer sich krank, war in der Folge nicht erreichbar und stand für die Restrukturierung des Unternehmens nicht zur Verfügung.

Der Geschäftsführer verlangt von Google, es zu unterlassen, bei Eingabe seines Namens fünf konkrete URL anzuzeigen, die zu ebendiesen Presseberichten führen.

Löschungsanspruch nach DSGVO entspricht dem Rechtsschutzziel des Klägers

Das OLG Frankfurt a.M. prüft den datenschutzrechtlichen Löschungsanspruch (Art. 17 DSGVO) und stellt dazu zunächst fest, dass das Rechtsschutzziel des Klägers (sog. Auslistungsersuchen) von Art. 17 Abs. 1 DSGVO erfasst ist.

Der Begriff „Löschung″ dürfe nicht zu starr als bloßes Vernichten von Daten verstanden werden. Vielmehr werde hiervon auch das Unkenntlichmachen von personenbezogenen Daten und im Ergebnis auch die Unterlassung der erneuten Anzeige bestimmter URLs erfasst. Darüber hinaus sei Art. 17 DSGVO die richtige Rechtsgrundlage, da die Vorschrift als Reaktion auf die EuGH-Entscheidung zum Recht auf Vergessenwerden in Sachen Google Spain (EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014 – C 1-131/12) geschaffen worden sei. In dieser Entscheidung verpflichtete der EuGH Google basierend auf der damals anwendbaren Datenschutzrichtlinie (DSRL) dazu, Links von Dritten aus der Ergebnisliste zu entfernen.

Datenschutzrechtlicher Löschungsanspruch besteht im konkreten Fall jedoch nicht

Die Voraussetzungen des datenschutzrechtlichen Löschungsanspruchs sieht das Gericht jedoch nicht als erfüllt an.

Die Anzeige der Suchergebnisse sei nicht wegen Zweckerreichung (Art. 17 Abs. 1 lit a) DSGVO) rechtswidrig, da sich das Informationsinteresse der Öffentlichkeit noch nicht durch Zeitablauf erledigt habe. Zudem sei die Datenverarbeitung auch keine „unrechtmäßige Verarbeitung (Art. 17 Abs. 1 lit. d) DSGVO). Zwar werden Gesundheitsdaten verarbeitet, deren Verarbeitung gemäß Art. 9 Abs. 1 DSGVO grundsätzlich unzulässig ist. Die Anzeige der Presseberichte über den erkrankten Geschäftsführer in der Ergebnisliste von Google sei jedoch für die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information (Art. 17 Abs. 3 lit. a) DSGVO) „erforderlich″. Durch diese Regelung würden die Vorgaben des EuGHs umgesetzt, wonach der Schutz personenbezogener Daten der DSGVO stets in ein angemessenes Verhältnis mit den Grundrechten Dritter zu setzen ist.

Bei der Interessenabwägung greift das Gericht dann aber auf die Rechtsprechung des BGH zur mittelbaren Störerhaftung zurück. Danach haftet ein Suchmaschinenbetreiber erst dann, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis

von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung

erlangt hat (BGH, Urteil v. 27. Februar 2018 – VI ZR 489/16; BGH, Urteil v. 24. Juli 2018 – VI ZR 330/17). Das OLG geht davon aus, dass es bereits an einer offensichtlichen und klar erkennbaren Persönlichkeitsrechtsverletzung fehle, da ein erhebliches Interesse an der Berichterstattung bestanden habe und der Gesundheitszustand des Klägers nur vage beschrieben worden sei. Zudem diene der Hinweis auf den Gesundheitszustand des Klägers zur Erklärung, warum der Kläger nicht an der Restrukturierung des Unternehmens mitwirken konnte. Nach Ansicht des OLG treffe Google auch aufgrund der Rechtsprechung des BGH zum Recht auf Vergessenwerden keine reaktive Prüfpflicht: Der Zeitablauf von sechs bis sieben Jahren lasse nicht auf eine, auf den ersten Blick ersichtliche, Rechtsverletzung schließen.

Das OLG Frankfurt a.M. erwägt zudem, ob die Entscheidung des EuGHs in Sachen Google Spain zu einem anderen Ergebnis führt. Danach überwiegen die Grundrechte der in der Ergebnisliste aufzufindenden Person grundsätzlich, wenn nicht besondere Gründe ergeben, dass ein Zugang zu der Information gerechtfertigt ist. Das OLG geht davon aus, dass dieser Regel-Ausnahme-Mechanismus unter Geltung der DSGVO nicht mehr anwendbar ist. Eine derartige Wertung habe in der DSGVO an keiner Stelle Einzug gefunden habe, daher dürfe der Abwägungsmechanismus des EuGHs nicht schematisch angewendet werden.

Verhältnis von DSGVO und zivilrechtlichen Ansprüchen bleibt offen

Die Frage, ob Art. 17 DSGVO Löschungsansprüche gegen Suchmaschinenbetreiber abschießend regelt, lässt das OLG Frankfurt a.M. offen, da nach Auffassung des Gerichts auch bei Anwendung des allgemeinen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB (analog) i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 GG Suchmaschinenbetreiber erst bei einer für sie offensichtlichen und klar erkennbaren Persönlichkeitsrechtsverletzung haften, an der es vorliegend fehle.

2. Fall: Täter verlangt Löschung einer Berichterstattung über seine Strafverfahren

Bei der zweiten Entscheidung (OLG Karlsruhe, Urteil v. 10. Juni 2020 – 6 U 129/18) geht es um die Berichtserstattung über Straftaten des Klägers aus dem Jahr 1988. Beklagte war in diesem Fall wieder die Suchmaschine selbst und nicht der Herausgeber des berichterstattenden Magazins.

Der Kläger war wegen Raubmordes angeklagt und freigesprochen worden, überfiel und ermordete im selben Jahr jedoch gemeinsam mit einem weiteren Täter drei Menschen und wurde wegen dieser Taten zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Kläger wurde schließlich 2014 aus der Haft entlassen. Der maßgebliche Artikel, der bei Eingabe seines Namens in die Google-Suche erschien, beschäftigt sich mit der grundsätzlichen Problematik, dass Täter, denen ein Verbrechen nicht nachgewiesen werden kann, freigesprochen werden und dann gegebenenfalls sofort das nächste Verbrechen begehen. Er befasst sich im Wesentlichen mit der Verzweiflung der Richter sowie der Angehörigen der Opfer in einem solchen Fall. In 2016 stellte der Kläger bei Google einen Antrag auf Löschung seiner Daten, den Google ablehnte.

In der Berufungsinstanz stützte der Kläger seinen gegen Google gerichteten Löschungsanspruch vor allem auf den Tatbestand der unrechtmäßigen Datenverarbeitung (Art. 17 Abs. 1 lit. d) DSGVO). Er warf Google vor, dass das Unternehmen kein berechtigtes Interesse an der Verarbeitung seiner Daten habe, da seine Grundrechte im Vergleich zu dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers der Vorzug zu geben. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sei ca. 30 Jahren nach den Geschehnissen nur noch sehr beschränkt und werde durch die Entfernung des Artikels aus der Suchliste nur geringfügig eingeschränkt, da der Artikel weiterhin im Online-Archiv des Magazins abrufbar sei.

Gericht prüft zivilrechtliche Ansprüche neben Anspruch auf Löschung aus DSGVO

Das OLG Karlsruhe prüft – anders als das OLG Frankfurt a.M. – zunächst, ob ein zivilrechtlicher Anspruch des Klägers (§§ 823 Abs. 1, Abs. 2; 1004 BGB iVm Art. 2 Abs. 1, 1 GG –Persönlichkeitsrecht) besteht. Wie auch das OLG Frankfurt a.M. bezieht sich das OLG Karlsruhe dabei auf die Rechtsprechung des BGH zur mittelbaren Störerhaftung. Ein Anspruch gegen den Suchmaschinenbetreiber bestehe daher nur, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt hat (BGH, Urteil v. 27. Februar 2018 – VI ZR 489/16; BGH, Urteil v. 24. Juli 2018 – VI ZR 330/17).

Anhand dieses Prüfungsmaßstabes kommt das Gericht zu der Auffassung, dass der Anspruch des Klägers nicht besteht: Zwar überwiege das Interesse der Öffentlichkeit an der Bereitstellung der Informationen aufgrund des langen Zeitablaufs gegenüber dem Interesse des Klägers nicht mehr offensichtlich. Allerdings genieße das Recht des Klägers angesichts der Schwere der Tat und des Charakters des Artikels auf den ersten Blick ebenfalls keinen erkennbaren Vorrang

Datenschutzrechtlicher Löschungsanspruch besteht ebenfalls nicht

Als Anspruchsgrundlage zieht das OLG Karlsruhe zweitens Art. 17 DSGVO in Betracht, konkret zunächst den Zweckfortfall (Art. 17 Abs. 1 lit a) DSGVO) und den Tatbestand der unrechtmäßigen Datenverarbeitung (Art. 17 Abs. 1 lit. d) DGSVO). Insofern besteht ein Gleichklang zum Urteil des OLG Frankfurt a.M. Auch der Ausschlusstatbestand nach Art. 17 Abs. 3 DSGVO („Verarbeitung ist zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich„) wird vom OLG Karlsruhe erörtert. Für alle diese Normen sei eine Interessenabwägung vorzunehmen, die sich an Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO (sog. Erlaubnistatbestand für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung aufgrund berechtigter Interessen des Verantwortlichen) auszurichten habe.

Im Ansatz richtig sind die Ausgangsüberlegungen des Gerichts, dass die Interessenabwägung nach der DSGVO nicht identisch ist mit der im Rahmen des zivilrechtlichen Anspruchs nach §§ 823, 1004 BGB: Die DSGVO stellt vollständig harmonisiertes Unionsrecht dar. Dementsprechend muss sich ihre Auslegung allein am Unionsrecht und insbesondere an der Charta der Grundrechte der Europäischen Union („GRCh″) orientieren (BVerfG, Beschluss v. 19. November – 1 BvR 276/16) sowie an den Grundsatzurteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum „Recht auf Vergessenwerden″. Für den Kläger streiten im vorliegenden Fall seine Grundrechte auf Achtung seines Privat- und Familienlebens (Art. 7 GRCh) und auf Schutz seiner personenbezogenen Daten (Art. 8 GRCh). Google kann sich nicht auf die Freiheit der Meinungsäußerung berufen (Art. 11 GRCh), jedoch auf das Recht auf unternehmerische Freiheit (Art. 16 GRCh). Zu berücksichtigen sind weiter die Grundrechte der betroffenen Dritten, namentlich die Meinungsfreiheit des Magazins als Inhalteanbieter und die Informationsinteressen der Internetnutzer (BVerfG, Beschluss v. 19. November – 1 BvR 276/16). Den Grundrechten des betroffenen Klägers komme – so das Gericht – höheres Gewicht zu, je größer der Zeitabstand zwischen Straftat bzw. Berichterstattung und Löschbegehren ist.

Gleichwohl wendet das Gericht dann im Rahmen der datenschutzrechtlichen Abwägung faktisch die oben aufgezeigten Grundsätze des BGH zur Störerhaftung von Suchmaschinenbetreibern an. Es kommt nach umfangreichen Erörterungen zu dem Schluss, dass die Interessen des Klägers denen des Suchmaschinenbetreibers, der Öffentlichkeit und des Inhalteanbieters

nicht offensichtlich und auf den ersten Blick klar erkennbar überwiegen.

Vielmehr stünden sich alle Interessen mit vergleichbarem Gewicht gegenüber.

Vorrang des Vorgehens gegen den Inhalteanbieter

Im Rahmen der Interessenabwägung wirft das Gericht in die Waagschale, dass im vorliegenden Fall ein Vorgehen gegen das Online-Magazin als sog. Inhalteanbieter vorrangig sei. Dies gelte insbesondere, weil dieser im Inland sitzt, damit für den Kläger greifbar sei und die Beeinträchtigung, die von dem Artikel für den Kläger insgesamt ausgeht, nur vom Inhalteanbieter abgestellt werden könne.

Richtige Anspruchsgrundlage – Verhältnis von Datenschutzrecht und Zivilrecht

Beide Entscheidungen werfen grundsätzliche Rechtsfragen auf, die bisher in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt sind.

Die Rechtsfragen betreffen zunächst die „richtige″ Anspruchsgrundlage für die Geltendmachung des Rechts auf Vergessenwerdens gegenüber den Betreibern von Suchmaschinen:

Unzweifelhaft ist der datenschutzrechtliche Löschungsanspruch die richtige Anspruchsgrundlage für Auslistungsersuchen gegen Suchmaschinenbetreiber. Das OLG Frankfurt a.M. begründet dies wie oben dargestellt überzeugend. Art. 17 DSGVO trägt zudem nicht ohne Grund die offizielle Überschrift Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden″).

Das Verhältnis zwischen Datenschutzrecht und allgemeinem Zivilrecht bleibt jedoch weiterhin ungeklärt. Die Oberlandesgerichte Karlsruhe und Frankfurt a.M. greifen als Anspruchsgrundlagen sowohl auf den Löschungsanspruch gemäß Art. 17 DSGVO als auch auf den allgemeinen zivilrechtliche Unterlassungsanspruch wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung gemäß §§ 823 Abs. 1, Abs. 2; 1004 BGB iVm Art. 2 Abs. 1, 1 GG zurück. Während das OLG Karlsruhe beide Anspruchsgrundlagen anwendet, wirft das OLG Frankfurt a.M. die Frage auf, ob der allgemeine zivilrechtliche Unterlassungsanspruch bei Auslistungsbegehren gegen Suchmaschinenbetreiber seit Inkrafttreten der DSGVO überhaupt noch anwendbar ist.

Aus der Normenhierarchie ergibt sich jedenfalls, dass Art. 17 DSGVO Vorrang gegenüber nationalen Vorschriften hat, sofern keine Ausnahmen wie das Medienprivileg vorliegen.

Die Frage ob Art. 17 DSGVO bei Löschungsansprüchen gegen Suchmaschinenbetreiber nicht nur vorrangig, sondern auch abschließend Anwendung findet, hängt davon ab, ob die DSGVO den Persönlichkeitsrechtsschutz gegen Suchmaschinenbetreiber vollständig und abschließend regeln soll. Da das Datenschutzrecht nur einen Teil des Persönlichkeitsschutzrechts darstellt, muss dies wohl verneint werden. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber die Rechte der Betroffenen mit Einführung der DSGVO nicht einschränken, sondern stärken wollte.

Umfassende Prüfung der Löschungsgründe aus Art. 17 DSGVO

Offen ist, warum sich beide Gerichte im Rahmen der Prüfung des Rechts auf Vergessenwerden nicht mit einem weiteren, in Art. 17 DSGVO genannten Löschungsgrund befasst haben: Nach Art. 17 Abs. 1 lit. c) DSGVO besteht ein Anspruch auf Löschung des Betroffenen, wenn dieser gegen die Verarbeitung Widerspruch eingelegt hat (Art. 21 Abs. 1 DSGVO) und keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung bestehen. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis wird hier zugunsten des Betroffenen umgekehrt.

Rückgriff auf die Grundsätze der mittelbaren Störerhaftung im Rahmen der datenschutzrechtlichen Interessenabwägung?

Kritisch ist der Rückgriff beider Gerichte auf die Rechtsprechung des BGH zur mittelbaren Störerhaftung bei Suchmaschinenbetreibern. Das Kriterium der offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung findet sich in Art. 17 DSGVO nicht wieder.  Die Interessenabwägung, die der EuGH in Sachen Google Spain vorgenommen hat, geht von einer grundsätzlich anderen Gewichtung aus, nämlich dem Überwiegen die Grundrechte des Betroffenen, aus.

Vorrang des Vorgehens gegen den Herausgeber der Internetseite?

Kritisch ist zudem die Ansicht des OLG Karlsruhe, dass der Kläger im entschiedenen Fall vorrangig gegen den Inhalteanbieter (Magazin) und nicht gegen Google vorgehen müsse. Hiergegen spricht zunächst, dass nach der DSGVO beide – Inhalteanbieter und Suchmaschinenbetreiber – verantwortlich für die Datenverarbeitung sind. Ein Vorrangverhältnis für die Ausübung von Betroffenenrechte sieht die DSGVO nicht vor. Es widerspricht zudem den eindeutigen Ausführungen des EuGHs in seiner Google Spain Entscheidung. Denn hierin hat der EuGH festgestellt, dass sich die Datenverarbeitung des Suchmaschinenbetreibers von der des Herausgebers einer Website unterscheidet, zusätzlich zu dieser erfolgt und die Grundrechte der betroffenen Person in zusätzlicher Weise beeinträchtigt. Insbesondere erleichtert die Auffindbarkeit eines Beitrags bei der Namenseingabe in der Google-Suche die Zugänglichkeit des Beitrags für Internetnutzer und spielt eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung des Beitrags. Sie kann mithin einen stärkeren Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen darstellen als die Veröffentlichung durch den Herausgeber der Internetseite selbst (EuGH, Urteil v. 13. Mai 2014 – C- 131/12,). Zu einem anderen Ergebnis darf auch nicht die Besonderheit des entschiedenen Falles führen, dass der Kläger ausschließlich die Entfernung eines einzelnen Artikels begehrt.

Ausblick: BGH wird Leitlinie zum Recht auf Vergessen vorgeben

Der Beitrag zeigt, dass seit Inkrafttreten der DSGVO erheblicher Klärungsbedarf hinsichtlich der rechtlichen Anforderungen für ein Auslistungsbegehren gegen Suchmaschinenbetreiber wie Google besteht.

Der BGH wird am 27. Juli 2020 in zwei Verfahren seine Entscheidung verkünden und es bleibt zu hoffen, dass er den Landes- und Oberlandesgerichten klare Leitlinien vorgibt, um somit auch den betroffenen Personen mehr Rechtssicherheit zu bieten.

Tags: Auslistungsanspruch Grundrechtsabwägung Informationsinteresse Meinungsfreiheit Persönlichkeitsrecht Recht auf Vergessen