26. Juli 2023
Recht auf Löschung
Datenschutzrecht

Update: Neues zum Recht auf Löschung bei Suchmaschinenbetreibern

Der BGH hat in einem wegweisenden Urteil über Auslistungsbegehren gegen Suchmaschinenbetreiber entschieden. Das Urteil betrifft vorrangig das Recht auf Vergessenwerden.

Der BGH hatte final über ein sog. Auslistungsbegehren eines Ehepaars (Kläger) gegen eine Internet-Suchmaschine zu entscheiden. Dabei ging es zum einen um eine Berichterstattung über die Kläger auf einer Dritt-Webseite und zum anderen um die Anzeige von sog. Vorschaubildern (sog. Thumbnails) mit Fotos der Kläger, die bei der Bildersuche erschienen, wenn man die Namen der Kläger eingab.

Die Kläger argumentierten, die Berichterstattung auf der Dritt-Webseite enthalte wahrheitswidrige Angaben und unzulässige Meinungsäußerungen. Der Suchmaschinenbetreiber argumentierte, den Wahrheitsgehalt der in den Suchergebnissen verlinkten Artikel nicht beurteilen zu können.

Dritt-Website veröffentlichte kritische Beiträge über Anlagemodelle mit Beteiligung eines Ehepaares

Das Kläger-Ehepaar war in der Finanzdienstleistungsbranche tätig. Die Artikel auf der Dritt-Webseite stammten aus dem Jahr 2015 und setzten sich kritisch mit dem Anlagemodell einzelner Gesellschaften auseinander, für die die Kläger in verantwortlicher Position tätig und teilweise an ihnen beteiligt waren.

Der Anbieter der Dritt-Webseite verfolgte mit den Artikeln nach eigenen Angaben die Zielsetzung, durch aktive Aufklärung und permanente Transparenz nachhaltig zur Betrugsprävention in der Wirtschaft und in der Gesellschaft beitragen zu wollen. Es gab aber über diesen Anbieter Veröffentlichungen, die ihm vorwarfen, Unternehmen erpressen zu wollen, in dem er zunächst negative Berichte publiziere und den Betroffenen dann anbiete, diese gegen ein Schutzgeld zu löschen. Die Kläger behaupteten, ebenfalls zu den Erpressungsopfern zu gehören.

Einer der Artikel war mit drei Fotos des Klägers (am Steuer eines Autos, im Innenraum eines Hubschraubers und vor einem Flugzeug) sowie mit einem Foto der Klägerin (in einem Cabrio) bebildert. Diese Fotos wurden bei einer Bildersuche unter Angabe des Namens des Klägers bzw. der Klägerin sog. als Vorschaubilder angezeigt. Die Vorschaubilder verlinkten auf die jeweiligen Artikel auf der Dritt-Webseite, enthielten aber darüber hinaus keine Informationen zu dem Kontext, in den sie in den Artikeln gesetzt waren.  

Die Berufungsinstanz (OLG Köln) hatte das klägerische Begehren zurückgewiesen. Der Suchmaschinenbetreiber hafte als mittelbarer Störer nur dann, wenn er durch einen konkreten Hinweis des Betroffenen Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlange. Die Nachweise hierfür hätten die Kläger nicht erbracht.

EuGH: keine gerichtliche Entscheidung gegen den Inhalteanbieter notwendig, aber „relevante und hinreichende Nachweise“ für die Unwahrheit müssen vorliegen

Im Rahmen dieses Rechtsstreits kam es auf die Auslegung von Unionsrecht an. Konkret ging es um das sog. Recht auf Vergessenwerden in Art. 17 DSGVO, für das der Europäische Gerichtshof die alleinige Deutungshoheit hat.

Das Recht auf Vergessenwerden ist das Recht einer Person, von einem Verantwortlichen die Löschung seiner personenbezogenen Daten zu verlangen. Verantwortlicher war hier der Betreiber der Internet-Suchmaschine, gegen den die Kläger ihr Recht auf Auslistung geltend machten. Dieses Recht wird von der DSGVO jedoch nicht einschränkungslos gewährt. Vielmehr ist eine Interessenabwägung erforderlich. Abzuwägen sind das Recht auf freie Meinungsäußerung des Inhalteanbieters und das Recht der Internetnutzer auf Information mit dem Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit und seiner personenbezogenen Daten (Art. 17 Abs. 3 lit. a) DSGVO). Wenn und soweit die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung sowie auf Information erforderlich ist, besteht kein Löschungsanspruch.

Der BGH wollte vom EuGH wissen, ob es für die Beurteilung der Frage, ob die in dem verlinkten Artikel aufgestellten Tatsachenbehauptungen der Wahrheit entsprechen oder nicht, darauf ankommt, dass der Kläger die Möglichkeit hat, gegen die Tatsachenbehauptungen gerichtlich vorzugehen, zumindest im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (Vorlagebeschluss vom 27. Juli 2020).

Der EuGH hat diese Frage verneint (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2022 – C-460/20): Der Betroffene sei nicht verpflichtet, zunächst gerichtliche Schritte gegen den Inhalteanbieter einzuleiten. Allerdings müsse er – so der EuGH- „relevante und hinreichende Nachweise“ vorlegen, aus denen sich die Unwahrheit der Tatsachenbehauptungen ergibt. Denn ihn treffe die Darlegungs- und Beweislast, dass die Berichtserstattung unwahre Tatsachen enthalte. Der Suchmaschinenbetreiber müsse keine eigenen Nachforschungen dazu anstellen. Welche Nachweise der Betroffene erbringen muss, sei vom Einzelfall abhängig; dabei spiele die Zumutbarkeit für den Betroffenen eine Rolle.    

BGH: Nachweise nicht erbracht, Auslistungsbegehren ging für die Kläger daher ins Leere

Auf der Grundlage dieser Entscheidung musste der BGH nun beurteilen, ob im konkreten Fall die von den Klägern vorgelegten Nachweise ausreichend waren, um von einer Unwahrheit der Behauptungen in den Artikeln auf der Dritt-Website ausgehen zu können.

Der BGH stellt zunächst noch einmal klar, dass die Grundsätze der sog. mittelbaren Störerhaftung im Rahmen der Beurteilung eines Auslistungsbegehrens nach Art. 17 DSGVO nicht anwendbar sind. Vielmehr müssten im Rahmen von Art. 17 Abs. 3 lit. a) DSGVO die sich gegenüberstehenden Grundrechte gegeneinander abgewogen werden. Gleichwohl meint der BGH, dass hierbei die gleichen Maßstäbe anzuwenden seien, wie zur Beurteilung einer „offensichtlichen und relevanten Rechtsverletzung“. Dabei habe der Betroffene die Nachweise zu erbringen, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von ihm „vernünftigerweise verlangt werden können″, um diese offensichtliche Unrichtigkeit festzustellen. Entscheidend seien die Umstände des Einzelfalls. Die Anforderungen müssten für den Betroffenen aber zumutbar sein.

Aufgrund des Sachverhaltsvortrags der Kläger sei das Berufungsgericht zutreffend zu der Auffassung gelangt, dass es an einer offensichtlichen Rechtsverletzung fehle. Eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“, dass die Tatsachenbehauptungen unwahr seien, reiche nicht aus.

Auslistungsantrag in Bezug auf die Vorschaubilder hat demgegenüber Erfolg

Erfolgt hatten die Kläger demgegenüber mit ihrer Klage gegen die Anzeige ihrer Fotos, die bei der Eingabe ihrer Namen in die Bildersuche der Suchmaschine als Vorschaubilder erschienen.  

EuGH: Maßgeblich ist der Kontext, in dem die Vorschaubilder angezeigt werden

Auch zu dieser Frage holte der BGH zunächst die Auffassung des EuGH ein. Der EuGH entschied: Vorschaubilder sind immer dann zu löschen, wenn dem Auslistungsantrag hinsichtlich ihres ursprünglichen Kontextes (also des in den Vorschaubildern verlinkten Artikels) stattzugeben ist. Die Begründung liegt hier auf der Hand: Können Internetnutzer über den im Vorschaubild enthaltenen Link nach wie vor auf den ursprünglichen Artikel zugreifen, ist der Artikel weiterhin zugänglich und das Auslistungsbegehren würde praktisch nicht vollständig umgesetzt werden.

In allen anderen Fällen – so der EuGH – sei die Rechtmäßigkeit der Anzeige von Vorschaubildern eigenständig zu beurteilen. Im Rahmen dieser Beurteilung komme es auf jedes Textelement an, das zusammen mit dem Vorschaubild veröffentlicht wird.

Im vorliegenden Fall enthielten die Vorschaubilder nur die Fotos der Kläger, jedoch keine weiteren Informationen zum Kontext (d.h. die Berichterstattung über das kritische Anlagemodell der Kläger). Da die Fotos als solche  nicht aussagekräftig seien und keinen Informationswert hätten, der bei der Interessenabwägung zugunsten des Informationsinteresses der Öffentlichkeit zu berücksichtigen wäre, entschied der BGH, dass vorliegend  dem Recht der Kläger am eigenen Bild im Rahmen der Interessenabwägung der Vorrang einzuräumen sei. Die Fotos seien daher zu löschen.

Wer vergessen werden will, muss hinreichende Nachweise für die Unrichtigkeit der verlinkten Inhalte vorlegen

Aus Praxissicht ist festzuhalten, dass der Betroffenen  verpflichtet ist, hinreichende Nachweise dafür vorzulegen, dass in den Suchmaschinen-Ergebnislisten verlinkte Artikel unwahre Tatsachenbehauptungen enthalten. Welche Nachweise erforderlich sind, werden die Instanzgerichte im Einzelfall beurteilen müssen. Klar ist der Fall, wenn der Betroffenen gegen den Inhalteanbieter eine gerichtliche Entscheidung erwirkt hat, die die Unrichtigkeit der verlinkten Inhalte bestätigt. Hierzu ist der Betroffene aber nicht verpflichtet.  

Löschung von Thumbnails ohne Kontext wird in der Regel erfolgreich sein

Ob Auslistungsbegehren gegen sog. Thumbnails erfolgreich sind, wird davon abhängen, ob das Auslistungsbegehren gegen die eigentliche und in den Thumbnails verlinkte Veröffentlichung erfolgreich ist. Wenn ja, muss der Suchmaschinenbetreiber auch die Thumbnails löschen.

In allen anderen Fällen ist der BGH-Entscheidung zu entnehmen, dass die Löschung der Thumbnails erfolgen muss, wenn diese ohne Kontext angezeigt werden. Denn ohne entsprechende erläuternde Texte sind Vorschaubilder von Personen in der Regel nicht aussagekräftig und bei der Interessenabwägung dürfte daher in der Regel das Recht am eigenen Bild der Betroffenen überwiegen.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Auslistungsbegehren Datenschutzrecht Recht auf Vergessen Vorschaubild