Update: BGH lehnt Beschwerde gegen Urteil des KG Berlin ab – Bestell-Button und Preisanpassungsklausel von Netflix somit endgültig rechtswidrig.
Im Dezember 2019 entschied das KG Berlin, dass die AGB-Preisänderungsklausel des Online-Streamingdienstes Netflix sowie der zum Online-Abschluss von Abonnements verwendete Bestell-Button rechtswidrig sind (Urteil v. 20. Dezember 2019 – 5 U 24/19).
Das KG ließ die Revision zum BGH nicht zu; und da der Streitwert mit EUR 17.500 unter der Zulässigkeitsschwelle für Nichtzulassungsbeschwerden von EUR 20.000 (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) liegt, verwarfen die Karlsruher Richter die Beschwerde von Netflix als unzulässig (Beschluss v. 15.04.2021 – I ZR 23/20). Damit ist die Entscheidung des KG Berlin rechtskräftig.
Die Klage des Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) richtete sich maßgeblich gegen zwei Praktiken von Netflix: Die Verwendung einer konturlos weiten Preisanpassungsklausel und die Ausgestaltung des Bestell‑Buttons für den Online-Abschluss von Streaming-Abos.
BGH: Preisänderungsklauseln in AGB können zulässig sein
Die gegenständliche Preisänderungsklausel in den Nutzungsbedingungen von Netflix hatte folgenden Wortlaut:
Änderungen am Preis und Abo‑Angebot. Unser Abo-Angebot und die Preise für Netflix‑Dienste können sich gelegentlich ändern. Sie werden jedoch mindestens 30 Tage vor deren Inkrafttreten über jegliche Änderungen an Preisen und unserem Abo‑Angebot informiert.
In dieser Form verstößt die Klausel nach nunmehr rechtskräftiger Ansicht des KG Berlin gegen geltendes Recht und ist unwirksam. Die Berliner Richter bemängeln, dass die Preisänderung in der Klausel nicht von einer Kostenerhöhung für Netflix abhängig ist. Darin liege nicht nur eine unangemessene Benachteiligung (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB), sondern auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB), da die Klausel keinerlei Faktoren nenne, von denen eine Preisanpassung abhängig sei. Diese werde vollständig ins Belieben von Netflix gestellt und eröffne „einen unkontrollierbaren Preiserhöhungsspielraum“. Die Beurteilung ändere sich auch nicht durch das in den Nutzungsbedingungen von Netflix enthaltene jederzeitige Kündigungsrecht.
Der BGH setzte sich in seinem Beschluss nicht mit den inhaltlichen Argumenten des KG auseinander, hob jedoch die Ansicht des KG hervor, dass Preisanpassungsklauseln nicht grundsätzlich unzulässig seien:
(…) [D]as Berufungsgericht [hat] Preisanpassungsklauseln wie die der Beklagten nicht generell für unzulässig erachtet hat, sondern nur insoweit, als sie es der Verwenderin ermöglichten, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen.
Preisanpassungsklauseln seien (nur) zulässig, wenn die Befugnis der Verwenderin zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht werde und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offengelegt würden. (…).
Netflix reagiert auf Urteil des KG und ändert AGB
Netflix hat mittlerweile seine Preisänderungsklauseln angepasst (siehe hier, Ziff. 3.5). Nunmehr werden Beispiele für Kostenelemente aufgeführt, die den Preis der Abo-Angebote beeinflussen. Dazu zählen
Produktions- und Lizenzkosten, Kosten für die technische Bereitstellung und die Verbreitung unseres Dienstes, Kundendienst und andere Kosten des Verkaufs (z. B. Rechnungsstellung und Bezahlung, Marketing), allgemeine Verwaltungs- und andere Gemeinkosten (z. B. Miete, Zinsen und andere Finanzierungskosten, Kosten für Personal, Dienstleister und Dienstleistungen, IT-Systeme, Energie) sowie staatlich auferlegte Gebühren, Beiträge, Steuern und Abgaben.
Zudem wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Nutzer ihre Mitgliedschaft jederzeit während der Kündigungsfrist kündigen könnten,
um zukünftige Belastungen zu vermeiden.
Werbung mit Gratismonat auf Bestell-Button ebenfalls unzulässig
Das KG Berlin entschied zudem, dass die Ausgestaltung des von Netflix verwendeten Bestell-Buttons zum Online‑Abschluss von Streaming-Abos unzulässig sei. Die rote, rechteckige Schaltfläche trug folgende Beschriftung:
MITGLIEDSCHAFT BEGINNEN
KOSTENPFLICHTIG NACH
GRATISMONAT
Das KG Berlin sah in dieser Ausgestaltung einen Verstoß gegen § 312j Abs. 3 BGB, wonach die Schaltfläche
mit nichts anderem als den Wörtern ‚zahlungspflichtig bestellen‘ oder mit einer entsprechenden Formulierung beschriftet
sein darf. Weitere Angaben sind grundsätzlich unzulässig.
Der entscheidungserhebliche Bestell-Button von Netflix sei mit diesen Vorgaben nicht vereinbar. Der Verbraucher werde durch die Werbung mit einem kostenlosen Gratismonat von der Tatsache abgelenkt, dass bereits die Betätigung des Buttons eine Zahlungspflicht begründe. Es überwiege die Anlockwirkung durch die Gratisleistung. Dies gelte insbesondere, wenn die Werbung mit dem „Gratismonat“ durch die zentrierte Alleinstellung in der dritten Zeile in den Blickfang gestellt werde.
Auch insofern hat Netflix reagiert: Aktuell enthält der Bestell-Button lediglich die Aufschrift „MITGLIEDSCHAFT KOSTENPFLICHTIG BEGINNEN“.
Transparenz ist Trumpf, auch bei AGB
Das nunmehr rechtskräftige Urteil des KG Berlin zeigt, dass von Unternehmen bei der Kommunikation mit Verbrauchern im Internet eine verständliche und transparente Sprache gefordert wird. Selbst kleinere Abweichungen von den gesetzlichen Vorgaben werden nicht geduldet. Das mag man kleinkariert finden – zumindest dient es aber der Rechtssicherheit. Unternehmen sollten dies bei der rechtssicheren Gestaltung ihrer AGB und Online-Auftritte beachten.