1. August 2018
Verordnung Transparenz Fairness
TMC – Technology, Media & Communications

Neue EU-Verordnung: Mehr Transparenz und Fairness bei Online-Vermittlungsdiensten und Suchmaschinen

Die EU will Online-Plattformen zu mehr Transparenz und Fairness verpflichten. Gerade für kleinere Händler ist dies ein wichtiges Signal.

Die EU-Kommission will in einem neuen Verordnungs-Entwurf Online-Vermittlungsdienste sowie Suchmaschinen gegenüber Business-Nutzern zu mehr Fairness und Transparenz verpflichten („Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten“).

Sollte der Entwurf vom 26. April 2018 umgesetzt werden, könnte dies erhebliche Auswirkungen für Anbieter derartiger Portale und deren geschäftliche Nutzer haben.

Hintergrund: (Markt)Macht von Vermittlungsdiensten und Suchmaschinen einschränken

Die EU-Kommission ist stets bemüht, die Macht der Anbieter von Online-Plattformen einzuschränken – das Google-Shopping Verfahren mit einer Rekordgeldbuße von 2,42 Mrd. Euro sei nur exemplarisch genannt.

Der nun von der EU-Kommission vorgelegte Entwurf zielt darauf ab, v. a. kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gegenüber marktmächtigen Online-Vermittlungsdiensten und Suchmaschinen zu stärken, indem die oftmals finanzstarken Anbieter von Suchmaschinen und Vermittlungsplattformen diesen gegenüber zu mehr Transparenz und Fairness verpflichtet werden. Als kleine und mittlere Unternehmen gelten nach Empfehlung der Kommission solche mit bis zu 250 Beschäftigten, Umsatzerlösen von unter 50 Mio. Euro oder einer Bilanzsumme von unter 43 Mio. Euro jährlich (vgl. Kommissionsempfehlung 2003/361/EG).

Allgemeine und spezialisierte Soziale Netzwerkdienste, Hotel- und Flugsuchmaschinen, Lieferdienst-Plattformen, Preisvergleichs-, Handels-, Immobilien- oder Auktionsportale sind für Endnutzer u. a. vor allem dann attraktiv, wenn sich möglichst viele Unternehmensangebote auf ihnen konzentrieren. Umgekehrt können sich viele – vor allem kleine Anbieter – nicht mehr leisten, auf derartigen Portalen nicht gelistet zu sein und geraten potenziell in Abhängigkeit. Nicht selten verzichten Anbieter (z. B. im Bereich der Lieferservices) sogar darauf, eigene Online-Angebote aufzusetzen, um sich die technische Wartung zu sparen und Compliance-Kosten zu vermeiden – dies vergrößert jedoch die Abhängigkeit von Online-Vermittlungsdiensten. Diese Abhängigkeit führt laut EU-Kommission dazu, dass Online-Vermittlungsdienste schädliche Handelspraktiken anwenden, gegen die sich die geschäftlichen Anbieter kaum wehren können.

Gleiches gilt für Suchmaschinen: Auch in diesem Bereich sind insbesondere gewerbliche Anbieter eher unbekannter Services stark abhängig von guten Platzierungen in den Suchergebnissen. Regelmäßig können diese Nischenangebote gute Platzierungen im sog. „Long Tail Keyword“-Bereich erreichen, also aus mehreren Wörtern zusammengesetzten Sucheingaben, sind dann aber auch weitgehend auf diese Suchmaschinen-Weiterleitungen angewiesen. Große und etablierte (Medien-) Marken dominieren bei einfachen Keywords (sog. „Short Tail, z. B. „Nachrichten“), erreichen aber auch einen deutlich höheren Anteil an Direktaufrufen. Auch in diesem Bereich bestehen insbesondere für KMU asymmetrische Abhängigkeitsverhältnisse: Vereinfacht gesagt kann zwar der Suchmaschinenanbieter auf einzelne Anbieter im Long Tail-Bereich verzichten, ohne große Qualitätsverluste bei der Suche zu erleiden. Umgekehrt sind kleine und mittelgroße Anbieter regelmäßig aber stark von einer (guten) Platzierung bei Suchmaschinen abhängig.

Die EU-Kommission verfolgt mit dem Verordnungsentwurf für Suchmaschinen einen ganz ähnlichen Ansatz wie für Online-Vermittlungsdienste. Lediglich der Anknüpfungspunkt ist anders: Da Angebote in Suchmaschinen standardmäßig indiziert werden (es sei denn, der Anbieter erklärt explizit sein „Opt-Out“), liegt hier – anders als bei Online-Vermittlungsdiensten – regelmäßig kein Vertragsverhältnis vor. Insoweit können in diesem Bereich spezifische Regeln für die Ausgestaltung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) nicht abhelfen. Stattdessen hat sich die EU-Kommission in ihrem Entwurf dazu entschlossen, Transparenzpflichten zu kodifizieren, die vergleichbar zu den Impressumspflichten aus der E-Commerce-Richtlinie (vgl. Art. 5 EC-RL, Richtlinie 2000/31/EG) sind.

Jeder mit Website in der EU soll sich auf die Verordnung berufen dürfen

Wie auch bei der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) soll bei dem Verordnungsentwurf das Marktortprinzip gelten:

Jedes Unternehmen und jeder gewerbliche Nutzer mit eigener Website innerhalb des EU soll sich gegenüber Unternehmen, die Online-Vermittlungsdienste oder Suchmaschinen anbieten, auf die Verordnung berufen können, auch wenn diese außerhalb der EU ihren Sitz haben. Voraussetzung ist lediglich, dass diese Angebote den entsprechenden Nutzern innerhalb der EU bereitgestellt werden.

Neue Regeln für Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten für mehr Fairness und Transparenz

Der Verordnungsentwurf legt – zusätzlich zu den ohnehin schon umfangreichen Anforderungen im Hinblick auf AGB im nationalen Recht – neue Anforderungen für die Geschäftsbedingungen bei Online-Vermittlungsdiensten fest, die vom Anbieter einseitig festgelegt worden sind.

Neben allgemeinen Bedingungen (klare Formulierung, Verfügbarkeit während und vor Vertragsabschluss) sollen Anbieter von Online-Vermittlungsplattformen dazu verpflichtet werden, anzugeben, nach welchen objektiven Kriterien entschieden wird, ob Angebote gewerblicher Anbieter auf ihrer Plattform ausgesetzt oder beendet werden. Aus dem Entwurf folgt damit zum einen, dass nicht jeder Grund ausreicht, sondern objektive Kriterien bestimmt werden müssen. Zum anderen müssen diese angegeben werden.

Damit soll mehr Transparenz erreicht werden für Anbieter, deren gewerbliche Betätigung teilweise oder sogar ausschließlich davon abhängig ist, dass ihre Angebote z. B. bei Lieferservice-Portalen oder Immobilienplattformen auch tatsächlich jederzeit für Endkunden verfügbar sind. Erfüllen die AGB der Anbieter von Online-Plattformen die genannten Voraussetzungen nicht, so können sie gegenüber ihren gewerblichen Kunden ggf. rechtlich nicht mehr verbindlich sein, sofern ein Gericht dies feststellt.

Ähnliche Neuerungen gelten für Änderungen an den AGB: Diese sollen den gewerblichen Teilnehmern dem Entwurf nach je nach Schwere der Änderungen, aber mindestens 15 Tage vor dem Inkrafttreten der Änderungen, mitgeteilt werden. Findet eine solche Unterrichtung nicht statt und der gewerbliche Teilnehmer hat auch nicht auf die Frist verzichtet, sind die Änderungen nichtig. Hier besteht aber eine Ausnahme: Kann der Anbieter einer Online-Vermittlungsplattform die Frist nicht einhalten, weil er aufgrund rechtlicher Verpflichtungen die AGB in einer Art und Weise ändern muss, die es ihm nicht gestatten, die Frist einzuhalten, so gilt das Fristerfordernis ausnahmsweise nicht.

Für Aussetzungs- und Beendigungsentscheidungen des Anbieters einer Online-Vermittlungsplattform bestehen außerdem Rechenschaftspflichten, denen er unverzüglich nach einer derartigen Entscheidung nachkommen muss. Dies bedeutet, dass er immer dann, wenn das Angebot eines gewerblichen Anbieters zeitweise ausgesetzt oder von der Plattform genommen wird, die zugrundeliegende Entscheidung diesem gegenüber unter Angabe der konkreten Tatsachen oder Umstände sowie unter Bezugnahme auf die in den AGB festgesetzten objektiven Gründe darlegen muss.

Außerdem sollen Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten laut Entwurf dazu verpflichtet werden, geschäftlichen Nutzern in ihren AGB die wichtigsten Parameter für das Ranking der gelisteten Angebote offenzulegen und ggf. darzustellen, wie sich ein Entgelt auf die Listung von Waren und Dienstleistungen auswirken kann. Dadurch soll für die gelisteten Anbieter nachvollziehbarer werden, welche Kriterien für eine priorisierte Anzeige in bestimmten Kategorien oder Suchmaschinenergebnissen angelegt werden. Sie werden allerdings – dies betont die Richtlinie – nicht verpflichtet, Geschäftsgeheimnisse offenzulegen. Darüber hinaus sollen Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten dazu verpflichtet werden anzugeben, ob und wie sie ggfs. eigene Waren oder Dienstleistungen auf ihrer Plattform gegenüber anderen gewerblichen Nutzern privilegieren (z. B. durch eine höhere Listung in bestimmten Kategorien).

Der Anbieter einer Online-Vermittlungsplattform soll nach dem Kommissionsentwurf ggf. begründen, warum dem geschäftlichen Nutzer versagt wird, seine Waren oder Dienstleistungen auf anderen Wegen zu vertreiben (sog. „Exklusivitätsvereinbarungen“). Diese müssen dann sogar in den AGB genau beschrieben werden unter Bezugnahme auf die Gründe.

Neben diesen auszugsweise dargestellten materiellen Regeln sieht der Entwurf vor, dass ein internes Beschwerdemanagement eingerichtet werden muss, das sich mit den Regelungen des Verordnungsentwurfs auseinandersetzt. Für dieses Beschwerdemanagement soll sogar jährlich eine öffentliche Bilanz erstellt werden.

Neue Regeln für Suchmaschinenanbieter für mehr Fairness und Transparenz

Parallel zu den obigen Ausführungen für Online-Vermittlungsdiensteanbieter sollen Suchmaschinenanbieter die wichtigsten Ranking-Parameter mittels klarer und eindeutiger Formulierungen öffentlich und leicht verfügbar bereitstellen und für Aktualität dieser Erläuterungen sorgen. Im Gegensatz zu den Online-Vermittlungsplattformen besteht hier kein Bedürfnis danach, neue Regelungen für Geschäftsbedingungen einzuführen, da Website-Betreiber nicht zwingend Verträge mit Suchmaschinenanbietern schließen.

In diesem Bereich wird es also ausreichend sein, die entsprechenden Listungskriterien in verständlicher Sprache auf einer separaten Website zu veröffentlichen und diese ständig aktuell zu halten. Auch für Suchmaschinen gilt natürlich, dass diese nicht ihre Quellcodes oder andere Geschäftsgeheimnisse veröffentlichen müssen, sondern nur die grundlegende Funktionsweise sowie die Ranking-Kriterien beschreiben sollen.

Kritik am Entwurf: Markteintrittsbarrieren, unklares Verhältnis zum Kartellrecht und immer unübersichtlichere AGB

Sollte der Verordnungsentwurf der EU-Kommission in dieser Form verabschiedet werden, kommen auf die Anbieter von Online-Vermittlungsdiensten und Suchmaschinen umfassende Pflichten zu, v. a. im Hinblick auf die Anpassung ihrer Geschäftsbedingungen und die dem Nutzer bereitgestellten Informationen.

Wie auch schon bei der am 25. Mai 2018 in Kraft getretenen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist der Verordnungsentwurf derzeit als „One-Size-Fits-All“-Regulierung ausgestaltet. D. h. es gibt keine spezifischen Schwellen für die Anwendbarkeit der Verordnung. Große, etablierte Portale mit Millionenumsätzen werden rechtlich genauso behandelt wie kleine Unternehmen, Start-Ups oder mittelständische Unternehmen, die ihren Digitalauftritt mit einem der Regulierung unterfallenden Angebot erweitern wollen. Dies kann – so auch der Bundesrat in einer Stellungnahme (170/1/18 Ausschussempfehlung) – zu Markteintrittsbarrieren führen und die Dominanz finanzstarker Anbieter von Suchmaschinen und Vermittlungsdiensten verfestigen, da diese bereits über die notwendigen Ressourcen verfügen dürften, um auch komplexe Regulierungen rechtssicher umzusetzen. Daher hat der Bundesrat in seiner Ausschussempfehlung auch dazu geraten, KMU vom Anwendungsbereich der Verordnung auszunehmen.

Im Ergebnis könnte eine solche Regulierung dazu führen, dass die Marktmacht bestehender Online-Vermittlungsportale und Suchmaschinen weiter steigt, da die rechtlichen Anforderungen verschiedener Rechtsbereiche sowie nationaler und europäischer Regelungen sich überschneiden und die Komplexität bereits jetzt sehr hoch ist. Mit dem Entwurf dürfte es nochmals wesentlich aufwändiger werden, die betroffenen Dienste zu betreiben.

Zurecht kritisiert der Bundesrat in seiner o. g. Stellungnahme auch, dass das Verhältnis der Verordnung zum Kartellrecht unklar ist. Gerade im Bereich der Privilegierung eigener Dienstleistungen sind die Überschneidungen deutlich, denn gerade in den hochkonzentrierten Märkten der Online-Vermittlungsdienste sowie Suchmaschinen können derartige Handlungen auch bereits gegen das Missbrauchsverbot in § 19 GWB verstoßen.

Darüber hinaus ist fraglich, ob der Ansatz, AGB durch immer mehr gesetzliche Pflichtinformationen aufzublähen, zielführend ist. Zum einen sind diese Pflichten – wie bereits oben erläutert – Markteintrittsbarrieren für neue Anbieter, zum anderen müssen die Informationen auch auf der Marktgegenseite nachvollzogen werden können. Konservativ betrachtet dürften allein die Informationen zu Ranking-Mechanismen bei Online-Vermittlungsdiensten, die mittlerweile hochkomplex sind, mit Leichtigkeit zehn und mehr Seiten füllen.

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