27. September 2023
TMC – Technology, Media & Communications

„Vermittlungsdienste“ im DSA

Der Digital Services Act gilt nur für sog. „Vermittlungsdienste“. Hinter diesem Begriff steht ein gestuftes Regelungskonzept mit einigen Besonderheiten.

Der Europäische Verordnungsgeber verfolgt mit dem Digital Services Act (DSA) das Ziel, rechtswidrige Inhalte im Internet effizienter zu bekämpfen. Dadurch soll der Grundrechtsschutz im Netz verbessert und ein sichereres und vertrauenswürdigeres Online-Umfeld geschaffen werden. Zu diesem Zweck legt der DSA einer Vielzahl von Anbietern verschiedener Online-Dienste umfassende Pflichten auf. Diese Vorgaben müssen alle betroffenen Unternehmen spätestens bis zum 17. Februar 2024 umsetzen.

Der DSA gilt nur für sog. „Vermittlungsdienste“. Die Definition dieses Begriffs ist denkbar weit gefasst. Jede Darstellung von Nutzerinhalten kann dazu führen, dass der Anwendungsbereich eröffnet ist (z.B. Hosting von Bildern, Kommentaren, Nutzerbewertungen). Bei einem Verstoß gegen die DSA-Pflichten drohen empfindliche Bußgelder von bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes. Daher sollten potenziell betroffene Unternehmen genau prüfen, ob ihr Geschäftsmodell vom Anwendungsbereich erfasst ist.

Intermediär-Dienstleister im Internet werden in die Pflicht genommen 

Der Anwendungsbereich des DSA erstreckt sich auf alle „Vermittlungsdienste“, die für Nutzer in der Europäischen Union angeboten werden. „Vermittlungsdienste“ sind in Art. 3(g) DSA definiert als eine der folgenden „Dienstleistungen der Informationsgesellschaft“:

  1. eine „reine Durchleitung“, die darin besteht, von einem Nutzer bereitgestellte Informationen in einem Kommunikationsnetz zu übermitteln oder den Zugang zu einem Kommunikationsnetz zu vermitteln,
  2. eine „Caching“-Leistung, die darin besteht, von einem Nutzer bereitgestellte Informationen in einem Kommunikationsnetz zu übermitteln, wobei eine automatische, zeitlich begrenzte Zwischenspeicherung dieser Informationen zu dem alleinigen Zweck erfolgt, die Übermittlung der Information an andere Nutzer auf deren Anfrage effizienter zu gestalten,
  3. ein „Hosting“-Dienst, der darin besteht, von einem Nutzer bereitgestellte Informationen in dessen Auftrag zu speichern.

Die Tätigkeit eines Vermittlungsdienstes beinhaltet den Umgang mit von Nutzern bereitgestellte Daten in der Funktion als Intermediär. Abzugrenzen sind Vermittlungsdienste daher insbesondere von der Bereitstellung eigener Inhalte der Anbieter, z.B. in Form von Blogbeiträgen, Informationsseiten, Rechtstexten oder sonstigem eigenen Content. Auch Dienstleistungen, die lediglich „durch Inanspruchnahme“ eines Vermittlungsdienstes erbracht werden, sind nach Art. 2 Abs. 2 ausdrücklich nicht vom DSA erfasst.

Vermittlungsdienste werden in den Erwägungsgründen näher charakterisiert

Die gesetzliche Definition hilft Digitalanbietern bei der Einordnung ihres Geschäftsmodells nur bedingt. Zusätzliche Orientierung bieten die in Erwägungsgrund 29 des DSA exemplarisch aufgezählten Dienste.

  • Reine Durchleitungsdienstleistungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich in der Informationsübermittlung oder Zugangsvermittlung erschöpfen und die Informationen darüber hinaus bis auf das zur Übermittlung technisch Notwendige nicht wesentlich verändert werden. Erfasst sind insbesondere Access-Provider wie Telekommunikationsunternehmen. Als Beispiele für Dienstleistungen zur reinen Durchleitung nennt Erwägungsgrund 29 folgende Dienste:
    • Betrieb von Austauschknoten (z.B. DE-CIX)
    • Bereitstellung drahtloser Zugangspunkte (z.B. WLAN-Anbieter)
    • VPN-Anbieter (z.B. Nord-VPN)
    • DNS-Dienste und DNS-Resolver
    • Dienste von Namenregistern der Domäne oberster Stufe (z.B. DENIC, EURid)
    • Registrierungsstellen
    • Zertifizierungsstellen, die digitale Zertifikate ausstellen
    • Internet-Sprachtelefonie (VoIP, z.B. über Skype oder WhatsApp)
    • andere interpersonelle Kommunikationsdienste
  • Caching beinhaltet eine zeitlich begrenzte Zwischenspeicherung der vom Nutzer bereitgestellten Informationen, sodass sie bei späterem Bedarf schneller abgerufen werden können. Als Beispiele nennt Erwägungsgrund 29:
    • das alleinige Betreiben von Netzwerken zur Bereitstellung von Inhalten
    • Reverse-Proxys
    • Proxys zur Anpassung von Inhalten
  • Die größte praktische Bedeutung kommt der Kategorie der Hosting-Anbieter zu. Als Beispiele nennt Erwägungsgrund 29:
    • Cloud-Computing-Dienste
    • Webhosting-Dienste (Bereitstellen von Speicherplatz (Webspace) für das Veröffentlichen von Websites (z.B. STRATO, IONOS, Jimdo)
    • Entgeltliche Referenzierungsdienste (z.B. Google Ads)
    • Dienste, die den Online-Austausch von Informationen und Inhalten ermöglichen – darunter die Speicherung und der Austausch von Dateien (z.B. Online-Marktplätze wie Amazon und eBay, soziale Netzwerke wie Facebook und Instagram, Sharehosting-Dienste oder Videosharingplattformen)

Innerhalb des Hostings gibt es weitere Unter-Kategorien, insbesondere (sehr große) „Online-Plattformen“. Eine Sonderkategorie stellen zudem (sehr große) Online-Suchmaschinen dar.

Bei hybriden Dienstleistungen erfolgt „funktionelle Betrachtung“

Das Produkt eines Anbieters kann verschiedene der oben genannten Dienstleistungen beinhalten. Zudem können auch nur Teile der Dienstleistungen unter die Verordnung fallen, während andere nicht erfasst sind. Derartige Angebote werden als „Hybride Dienste“ bezeichnet. Der Europäische Verordnungsgeber hat in Erwägungsgrund 15 des DSA klargestellt, dass die rechtliche Einstufung für jeden Dienstleistungsteil gesondert vorzunehmen ist (funktionelle Betrachtung). Der DSA gilt also immer nur für den Teil, der unter den Anwendungsbereich der Verordnung fällt.

Bei hybriden Angeboten muss also für jeden Bestandteil eines Dienstes funktionell geprüft werden, ob dieser z.B. ein „Hosting“ i.S.d. DSA darstellt. Das bedeutet beispielsweise, dass eine Online-Plattform nur als Hosting-Provider bezüglich der Website-Teile einzustufen ist, auf denen Nutzerinhalte angezeigt werden (z.B. ein Angebot auf einem Online-Marktplatz). Nicht vom DSA reguliert werden hingegen die Teile der Plattformen, auf denen lediglich eigene Informationen des Anbieters wiedergegeben sind, z.B. Hilfeseiten, AGB oder das Impressum.

Je größer die Plattform, desto strenger die DSA-Pflichten

Bezüglich der zu erfüllenden Sorgfaltspflichten folgt der DSA einem gestuften Regelungsansatz. Es wird unterschieden zwischen fünf Regelungsebenen, die je nach Art und Größe des Vermittlungsdienstes die anwendbaren Pflichten definieren. Je größer und marktmächtiger ein Dienst ist, desto strenger sind die Pflichten nach dem DSA. Die fünf Regelungsebenen sind:

  1. (alle) Vermittlungsdienste (VD)
  2. Hosting-Dienste (HD)
  3. Online-Plattformen (OP)
  4. B2C Online-Marktplätze (OMP)
  5. Sehr große Online-Plattformen (SGOP)

Grafisch lässt sich dieser gestufte Aufbau wie folgt wiedergeben:

Die unterste Regulierungsstufe gilt für alle Vermittlungsdienste, unabhängig von ihrer Größe oder ihrem Tätigkeitsbereich. Die insofern anwendbaren Art. 11 bis 15 DSA enthalten allgemeine Sorgfaltspflichten für Vermittlungsdienste, z.B. Einrichtung einer Kontaktstelle für Behörden und Nutzer, und besondere Vorgaben für AGB.

Ergänzende Pflichten für Hosting-Anbieter und Online-Plattformen

Die zweite Ebene betrifft Anbieter von Hosting-Diensten. Zusätzlich zu den allgemeinen Verpflichtungen für Vermittlungsdienste kommen für Hosting-Anbieter unabhängig von Größe und Geschäftsfeld in Art. 16 bis 18 DSA weitere Verpflichtungen hinzu. Sie müssen z.B. ein formalisiertes Melde- und Abhilfeverfahren einrichten, Moderationsentscheidungen begründen und dokumentieren und bei einem Verdacht auf Straftaten Meldung an Strafverfolgungsbehörden erstatten.

Online-Plattformen sind eine Unterkategorie der Hosting-Dienste. Um als Online-Plattform i.S.d. DSA zu gelten, muss ein Anbieter die fremden Informationen nicht nur im Auftrag des Nutzers speichern, sondern diese auch veröffentlichen (es sei denn, es handelt sich dabei um eine unbedeutende, reine Nebenfunktion des Dienstes, Art. 3(i) DSA). Online-Plattformen treffen neben den Verpflichtungen für Vermittlungsdienste und Hosting-Anbieter zusätzliche spezielle Pflichten aus den Art. 19 bis 28 DSA. Sie müssen unter anderem ein Beschwerdemanagementsystem einrichten und an außergerichtlicher Streitbeilegung teilnehmen. Zudem unterliegen sie erweiterten Transparenzanforderungen für Werbung und Empfehlungssysteme.

Diese zusätzlichen Verpflichtungen gelten grundsätzlich nicht für Kleinst- oder Kleinunternehmen i.S.d. Empfehlung 2003/361/EG, d.h. Unternehmen, die weniger als 50 Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz bzw. Jahresbilanz 10 Mio. EUR nicht übersteigt.

Sonderfall: B2C Online-Marktplätze

Online-Plattformen, die Verbrauchern den Abschluss von Fernabsatzverträgen mit Unternehmern ermöglichen, stellen die vierte Regierungsebene dar. Sie sind zusätzlich zu den allgemeinen Verpflichtungen für Vermittlungsdienste sowie den Vorgaben für Hosting-Anbieter und Online-Plattformen weitergehenden Regelungen unterworfen, die sich aus den Art. 29 bis 32 DSA ergeben.

Sie müssen z.B. die Nachverfolgbarkeit der auf ihrer Plattform aktiven Unternehmer gewährleisten („Know your trader“) sowie diesen durch spezielle Websitegestaltung ermöglichen, ihren gesetzlichen Informationspflichten nachzukommen („Compliance by Design“).

Sehr große Online-Plattformen unterliegen strengsten Pflichten

Am stärksten reguliert sind Online-Plattformen, die monatlich durchschnittlich mehr als 45 Millionen aktive Nutzer in der Europäischen Union haben (ca. 10 % der EU-Bevölkerung, siehe zur Zählweise hier). Dazu zählen nach Bekanntmachung der Europäischen Kommission aktuell u.a. Booking.com, Amazon, Zalando, Facebook und LinkedIn. Diese Plattformen spielen eine bedeutende Rolle bei der Verbreitung von Inhalten und unterliegen daher zusätzlichen strengen Anforderungen (Art. 33 bis 43 DSA).

Zu diesen Anforderungen gehören u.a. Kontroll- und Informationspflichten hinsichtlich rechtswidriger Inhalte, die Einrichtung einer eigenen DSA-Compliance Abteilung und die Zahlung einer jährlichen Aufsichtsgebühr. Sowohl Zalando als auch Amazon haben seit der Bekanntmachung durch die Kommission Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die Einstufung als sehr große Online-Plattformen erhoben.

Grenzfälle in der Praxis – Anbieter müssen ihre Dienste funktionell prüfen

Das im Rahmen des DSA angewandte Regelungssystem führt in der Praxis immer wieder zu Grenzfällen. Wie sind beispielsweise Nutzer-Inhalte zu bewerten, die vor der Veröffentlichung durch einen automatischen Wort-Filter laufen? Fallen kuratierte Inhalte automatisch aus dem Anwendungsbereich? Wann gilt ein Inhalt noch als „fremd“ und ab wann mach sich der Anbieter die Inhalte „zu eigen“? Die Liste ließe sich beliebig fortführen. Diese Abgrenzungsprobleme sind nicht neu, gewinnen durch den DSA und die extrem hohen Bußgelder aber signifikant an Bedeutung.

Anbieter von Online-Diensten müssen ihre Angebote genau überprüfen. Durch die vom DSA vorgegebene funktionelle Überprüfung müssen jede (Unter-)Seite und die darin jeweils enthaltenen Inhalte gesondert bewertet werden. Dies erfordert hohen zeitlichen und inhaltlichen Aufwand. Doch dieser Aufwand lohnt sich, denn Fehler können die Unternehmen teuer zu stehen kommen. Die Uhr tickt – ab dem 17. Februar 2024 gilt der DSA in allen Teilen verbindlich.

Tags: Digital Services Act Vermittlungsdienste
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Julia Marie Hellmann