Eine geschlossene Facebook-Gruppe kann als „Öffentlichkeit“ im Sinne des § 19a UrhG und das Posten von Bildern oder Texten folglich als Urheberrechtsverletzung anzusehen sein.
Immer dann, wenn Nutzer einschlägiger Social Media-Kanäle urheberrechtlich geschützte Inhalte (Fotos, ggfls. Texte) an ihre „Freunde“ bzw. „Follower“ oder an Mitglieder geschlossener Gruppen übermitteln, stellt sich die Frage, ob diese Inhalte öffentlich zugänglich gemacht wurden. Eine öffentliche Wiedergabe der Werke des Urhebers in unkörperlicher Form bedarf nämlich (wenn nicht sog. Schrankenregelungen eingreifen) grundsätzlich der Zustimmung des Urhebers. Die „Öffentlichkeit″ ist Voraussetzung des urheberrechtlichen Verwertungsrechts der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a UrhG (Online-Recht). Was öffentlich ist, lässt sich nicht pauschal an einer Zahl festmachen. Private Nutzer und Unternehmen, die auf Facebook, Twitter etc. geschäftliche Accounts unterhalten, sollten deshalb nicht unüberlegt fremde Inhalte in geschlossene Nutzergruppen posten.
In einem aktuellen Urteil entschied das Landgericht München, dass auch eine geschlossene Facebook-Gruppe als „Öffentlichkeit“ im Sinne des § 19a UrhG anzusehen sein kann (LG München I, Urteil vom 31. Januar 2018 – 37 O 17964/17).
119 Fotos einer Ausstellung in einer geschlossenen Facebook-Gruppe veröffentlicht
In dem Rechtsstreit, den das Landgericht München Anfang 2018 im Wege des Eilrechtsschutzes zu entscheiden hatte, hatte die Verfügungsbeklagte in einer geschlossenen Facebook-Gruppe mit etwa 390 Mitgliedern 119 Fotos einer Ausstellung gepostet, die sich mit dem „Mordfall Hinterkaifeck“ von 1922 befasst. Bei diesem waren sechs Menschen – unter bis heute ungeklärten Umständen – erschlagen worden.
Die von der Verfügungsbeklagten angefertigten Fotos zeigten die Exponate der Ausstellung einschließlich Texten, Schautafeln und Grafiken. Dagegen wehrten sich die Kuratoren der Ausstellung, die die Verfügungsbeklagte zunächst abmahnten und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufforderten. Als dies erfolglos blieb, verfolgten die Kuratoren ihr Unterlassungsbegehren gerichtlich weiter, was letztlich zum Erfolg führte.
Facebook-Gruppe öffentlich, wenn kein enger persönlicher Kontakt der Gruppenmitglieder untereinander besteht
Das Landgericht München sah in der Veröffentlichung der Fotografien in der geschlossenen Facebook-Gruppe eine Urheberrechtsverletzung. Bei der Ausstellung handele sich zunächst um ein Sammelwerk im Sinne des § 4 Abs. 1 UrhG, das – wie selbständige Werke – urheberrechtlichem Schutz genieße. Die nötige Schöpfungshöhe werde erreicht, weil sich Besucher durch die Anordnung der Exponate in die Lage der damals ermittelnden Polizisten versetzen könnten, u. a. durch die Darstellung damaliger Ermittlungsmethoden.
Das Posten der Fotografien der Ausstellung (eine fotografische Umgestaltung, § 23 UrhG) in der geschlossenen Gruppe auf Facebook mit etwa 390 Mitgliedern sei ein öffentliches Zugänglichmachen nach § 19a UrhG, für das eine Einwilligung des Rechteinhabers nicht vorgelegen habe. Dabei sei die Facebook-Gruppe trotz ihrer beschränkten Mitgliederzahl als Öffentlichkeit zu qualifizieren.
Der Begriff der Öffentlichkeit ergebe sich aus § 15 Abs. 3 UrhG. Danach sei maßgeblich, ob die Zugänglichmachung für eine Mehrzahl der Öffentlichkeit bestimmt sei. Von einer Mehrzahl sei jedenfalls bei einer derartigen Gruppengröße ohne weiteres auszugehen. Aber auch das Kriterium der Öffentlichkeit sei erfüllt. Zwar könne laut Landgericht München auch eine Personenmehrzahl nicht-öffentlich sein, wenn der Kreis der Personen hinreichend bestimmt abgegrenzt sei und eine persönliche Verbindung bestehe. Bei der streitgegenständlichen Facebook-Gruppe habe jedoch kein enger persönlicher Kontakt vorgelegen, denn diese hatte die Verfügungsbeklagte auch gänzlich unbekannten Personen freigegen. Diese habe allenfalls nach dem konkreten Interesse des Beitretenden gefragt. Ein enger gegenseitiger Kontakt erscheine auch schon angesichts der Gruppestärke ausgeschlossen.
Jedenfalls bei 400 Personen ist auch eine geschlossene Facebook-Gruppe öffentlich
Das Landgericht München weist zurecht darauf hin, dass der Umstand, ob Nutzergruppen bei Facebook offen oder geschlossen betrieben werden, nichts über die Frage aussagt, ob eine „Öffentlichkeit“ im urheberrechtlichen Sinne vorliegt. Sobald an einen potenziell unüberschaubaren Empfängerkreis kommuniziert wird, handelt es sich um eine „Öffentlichkeit“ im Sinne von § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG. In der Folge liegt dann auch ein Eingriff in die Verwertungsrechte des Urhebers vor, wenn man – wie hier – ohne dessen Einwilligung ein Werk öffentlich zugänglich macht.
Bei einer Gruppenstärke von fast 400 Personen ist dies auch für einen Laien nachvollziehbar. Was aber, wenn urheberrechtlich geschützte Inhalte in einer geschlossenen Nutzergruppe von 100 Personen geteilt würden? Wäre dies eine öffentliche Zugänglichmachung? Und was, wenn Nutzer bei Facebook urheberrechtlich geschützte Inhalte ausschließlich mit ihren Freunden teilen? Wie liegt es, wenn Nutzerinnen und Nutzer eines sozialen Netzwerkes Inhalte nur einem kleinen, überschaubaren Kreis zugänglich machen (bspw. innerhalb der Familie), andere Nutzer diese Inhalte dann aber öffentlich weiterteilen („sharen“, „retweeten“, „reposten“ etc.)?
Wann ist ein Teilen von Inhalten bei Facebook „öffentlich“, wann „nicht-öffentlich“?
Für die Frage, ob ein öffentliches Zugänglichmachen i.S.d. §§ 15 Abs. 3, 19a UrhG vorliegt, ist entscheidend, ob persönliche Beziehungen der Gruppenmitglieder untereinander bestehen. Ist dies der Fall, liegt keine öffentliche Zugänglichmachung vor. Wann eine persönliche Beziehung vorliegt, lässt sich nicht eindeutig bestimmen und muss im Einzelfall entschieden werden. Im Wesentlichen sind zwei Kriterien entscheidend: Die Art der persönlichen Verbindung zueinander und die Anzahl der Personen.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes bedarf es lediglich einer „persönlichen Beziehung“ – es ist also keine freundschaftliche oder familiäre Verbindung erforderlich, auch wenn in diesen Fällen sicherlich eine persönliche Beziehung im Sinne von § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG vorliegen dürfte. Es reicht aus, dass zwischen den Beteiligten ein engerer gegenseitiger Kontakt besteht und das Bewusstsein vorhanden ist, persönlich untereinander verbunden zu sein. Gerade bei Beziehungen in sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder Instagram dürfte es regelmäßig an solch einer inneren Verbundenheit der Nutzerinnen und Nutzer zu ihren „Freunden“ oder „Followern“ fehlen. Ähnlich ist es bei geschlossenen Gruppen in sozialen Netzwerken, auch wenn zwischen Nutzerinnen und Nutzern prinzipiell auch persönliche Beziehungen vorliegen können.
Ein wichtiger Indikator für das Vorliegen einer persönlichen Beziehung ist die Anzahl der Kontakte. Je mehr Nutzerinnen und Nutzer angesprochen werden, desto eher ist die Kommunikation öffentlich. Bei 100 Personen spricht schon die Lebenserfahrung gegen eine persönliche Beziehung. Eine persönliche Beziehung hat das OLG Koblenz sogar bei einer Gruppenstärke von bis zu 60 Personen im Rahmen einer Vorlesung verneint (OLG Koblenz, Urteil vom 07. August 1986 – 6 U 606/83). Damit dürften auch geschlossene Nutzergruppen auf Facebook mit „nur“ 100 Mitgliedern regelmäßig als Öffentlichkeit einzustufen sein.
Posten von Inhalten an „Freunde“ oder „Follower“
Laut einer Studie lag die durchschnittliche Anzahl der Facebook-Freunde im Jahr 2013 mit 342 Freunden deutlich über den hier diskutierten Richtwerten. Dementsprechend dürfte das Posten urheberrechtlich geschützter Werke an „Freunde“ oder „Follower“ in sozialen Netzwerken regelmäßig schon aufgrund der Anzahl der Adressaten als öffentliche Zugänglichmachung im Sinne von § 19a UrhG einzustufen sein.
Bei demjenigen, der lediglich einen kleinen Kreis von Nutzern bedient, z. B. zehn oder 20 Mitglieder in einer geschlossenen Gruppe auf Facebook und wo persönliche Beziehungen der Nutzer untereinander bestehen, dürfte wohl keine Öffentlichkeit vorliegen und eine Verletzung von § 19a UrhG ausscheiden. Teilen jedoch Freunde wiederum das Werk an einen Kreis, der nicht durch persönliche Beziehung verbunden ist, können diese vom Urheber wegen einer Verletzung von § 19a UrhG abgemahnt werden.
Fazit: Vorsicht vor Urheberrechtsverletzungen in Kommunikationsmedien
Einmal mehr macht die Entscheidung des Landgerichts München deutlich: Gerade auf Social Media-Kanälen verschwimmen die Grenzen des klassischen Verständnisses von Öffentlichkeit und Privatheit zusehends. Beim Hochladen und Posten urheberrechtlich geschützter Inhalte in Social Media sollten private Nutzer und Unternehmen, die einen Geschäftsaccount unterhalten, daher Vorsicht walten lassen.
Die vorstehenden Überlegungen beschränken sich auch nicht auf das, was klassisch als soziales Netzwerk verstanden wird, also etwa Facebook, Twitter und Instagram. Auch in Chatprogrammen, die im Kern der Individualkommunikation dienen, bestehen Möglichkeiten, Nutzergruppen oder Kanäle zu bilden, die „öffentlich“ im Sinne des Urheberrechtsgesetzes sein können. Eine öffentliche Zugänglichmachung kann deshalb auch bei Chatprogrammen wie Facebook Messenger, Whatsapp, Discord, Slack oder Telegram gegeben sein.
Als Faustregel lässt sich für alle vorgenannten Dienste festhalten: Je größer der Kreis potenzieller Rezipienten und je loser die persönliche Beziehung der Empfänger untereinander ist, desto größer ist das daraus resultierende Risiko, urheberrechtlich geschützten Content öffentlich zugänglich zu machen und eine Urheberrechtsverletzung zu begehen, wenn derartige Inhalte geteilt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob an „Freunde“ oder „Follower“ kommuniziert wird oder innerhalb geschlossener Nutzergruppen.