BGH entwickelt einen neuen Löschungsanspruch: Wer unwahre Behauptungen im Internet verbreitet, muss auf die Löschung von Drittveröffentlichung hinwirken.
Der Rechtsschutz gegenüber geschäftsschädigenden Äußerungen, die über das Internet verbreitet werden, erscheint vielfach unbefriedigend. Oft gibt es praktische Probleme der Rechtsverfolgung, wenn die Adressaten anonym oder nicht erreichbar sind.
Ferner gibt es Haftungsbeschränkungen bei der Verbreitung von fremden Äußerungen. In jüngerer Zeit sind die Gerichte indes bestrebt, die Schutzmöglichkeiten Betroffener zu verbessern.
Einen weiteren Schritt in diese Richtung ist nun der BGH gegangen, indem er einen so bisher nicht bestehenden Löschungsanspruch entwickelt hat. Damit erfasst er Fälle, in denen eine rechtsverletzende Äußerung von Dritten weiterverbreitet worden ist.
BGH: Auf Löschung von Drittveröffentlichung hinwirken
Im zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der beklagte Rechtsanwalt eine unwahre Tatsachenbehauptung über die Klägerin, eine Aktiengesellschaft, ins Internet gestellt. Diese Behauptung wurde auf Webseiten Dritter weiterverbreitet, und zwar ohne Zutun des Beklagten.
Die Aktiengesellschaft verlangte von ihm, die Löschung auch dieser Drittveröffentlichung zu bewirken, was er ablehnte. Die Vorinstanzen hatten einen Löschungsanspruch verneint, da der Beklagte keinen Zugriff auf fremde Internetauftritte habe.
Der BGH sah dies anders. Er bejahte die sogenannte Störerhaftung des Beklagten, weil dieser die maßgebliche Ursache für die beanstandeten Veröffentlichungen gesetzt habe. Es sei eine internettypische Gefahr, dass Meldungen von Dritten verlinkt oder kopiert werden. Vom Beklagten könne zwar nicht verlangt werden, dass er die Löschung solcher Drittveröffentlichungen bewirke. Es bestehe aber ein Anspruch darauf, dass der Beklagte bei den Drittverbreitern im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren auf eine Löschung hinwirke (Urteil vom 28.07.2015, Az. VI ZR 340/14).
Was genau hier hätte getan werden müssen, muss nun die Vorinstanz klären, an die die Sache zurückgewiesen worden ist.
Kein grenzenloser Löschungsanspruch
Bei oberflächlichem Lesen der Entscheidung des BGH kann der Eindruck entstehen, dass der Erstverbreiter einer rechtsverletzenden Äußerung zu einer nahezu grenzenlosen Bereinigung des Internets verpflichtet sei.
Dem ist aber nicht so. Grenzen des Löschungsanspruchs ergeben sich zunächst daraus, dass der BGH ihn aus dem sogenannten Beseitigungsanspruch abgeleitet hat. Dieser ist auf unwahre Tatsachenbehauptungen beschränkt und setzt zudem eine fortdauernde Rufbeeinträchtigung voraus. Die Löschung kann danach nur bei der Verbreitung von gewichtigen Unwahrheiten verlangt werden. Dabei liegt die Beweislast für die Unwahrheit beim Betroffenen.
Zudem entsteht der Löschungsanspruch erst, wenn der Betroffene den Erstverbreiter auf bestimmte Angebote Dritter, die die beanstandete Unwahrheit weiterverbreitet haben, hingewiesen und zum Tätigwerden aufgefordert hat. Und schließlich wird vom Erstverbreiter ein Zugehen auf die Drittanbieter nur im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren verlangt. Auch dies setzt dem Anspruch Grenzen, die allerdings erst noch näher definiert werden müssen.
Umfang des Löschungsanspruchs noch nicht eindeutig bestimmbar
Die Vorinstanz hat nach Zurückweisung der Sache nun Gelegenheit, die Grenzen des Anspruchs genauer zu bestimmen. Erst wenn deren Entscheidung und auch weitere Entscheidungen der Instanzgerichte zu ähnlichen Fällen vorliegen, kann der Umgang des Löschungsanspruchs besser abgeschätzt werden. Insbesondere auch, ob sich dieser Anspruch zukünftig als wirksames zusätzliches Mittel gegen die Verbreitung geschäftsschädigender Äußerungen im Internet bewähren wird.
In jedem Fall steht dem Betroffenen nach einer Rechtsverletzung der Unterlassungsanspruch zu. Mit diesem Anspruch kann nicht nur erreicht werden, dass der Erstverbreiter die eigenen Äußerungen aus dem Netz nimmt. Er muss dies auch von Dritten verlangen, zu denen er tatsächliche oder rechtliche Verbindungen hat.
Anders als der Löschungsanspruch ist der Unterlassungsanspruch nicht auf unwahre Tatsachenbehauptungen mit einer bestimmten Eingriffsschwere beschränkt. Überdies kann er auch schnell per einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden. Er bleibt damit bis auf weiteres das Mittel der Wahl.