Nutzerbasierte Lizenzmodelle büßen an Attraktivität ein. Softwareanbieter setzen daher vermehrt auf nutzungsbasierte Modelle. Was Anwender beachten müssen!
Klassische Software-Lizenzmodelle knüpfen für die Berechnung der Lizenzgebühren häufig an die Anzahl Nutzer, die bei einem Anwender auf eine bestimmte Software zugreifen oder diese gleichzeitig nutzen können, oder die Anzahl Arbeitsplätze, an denen die Software zum Einsatz kommt, an.
Die Softwarenutzung durch menschliche Nutzer verliert jedoch durch das Aufkommen des „Internet der Dinge″ und durch die zunehmende Automatisierung an Bedeutung. Geräte, Anwendungen und ganze IT-Systeme sind immer stärker vernetzt und interagieren miteinander. Bei den Softwareanbietern kann daher ein Wechsel von nutzerbasierten auf nutzungsbasierte Lizenzmodelle beobachtet werden.
Die Höhe der Vergütung in diesen Software-Lizenzmodellen bestimmt sich nicht mehr nach der Anzahl (menschlicher) Nutzer, sondern nach Nutzungsmetriken, die sich aus verschiedenen Nutzungsparametern zusammensetzen können (z.B. bestimmte Geschäftsvorgänge oder Dokumente). Das Abstellen auf einer Nutzungsmetrik erlaubt bei der vertraglichen Ausgestaltung die unterschiedlichsten Modelle, die zuweilen durchaus komplex sein können. Hier gilt es, bei der Vertragsverhandlung die Definitionen der Nutzungsparameter und die Funktionsweise der darauf basierenden Vergütungsberechnung zu verstehen und gegebenenfalls Klarstellungen oder unternehmensspezifische Besonderheiten in Zusatzvereinbarungen zu berücksichtigen, um eine böse Überraschung beim nächsten Lizenzaudit zu vermeiden.
Lizenzaudits – hohe Kosten drohen
Softwarelizenz- und Wartungsverträge enthalten regelmäßig Bestimmungen, die dem Softwareanbieter das Recht zur Durchführung von Lizenzaudits verleihen. Lizenzaudits dienen der Überprüfung der tatsächlichen Nutzung der lizenzierten Software durch den Lizenznehmer, gemessen an dem vertraglich vereinbarten Nutzungsumfang sowie der vertraglich vereinbarten Nutzungsintensität. Führt ein Lizenzaudit zu dem Ergebnis, dass die lizenzierte Software stärker genutzt wurde, als vertraglich vereinbart (sog. Übernutzung bzw. Unterlizenzierung), drohen insbesondere – unter Umständen erhebliche – Kosten für eine Nachlizenzierung im Umfang der festgestellten Differenz zwischen tatsächlicher und vereinbarter Nutzung sowie für Wartungsdienstleistungen, die ebenfalls rückwirkend für den Zeitraum des Bestehens der Unterlizenzierung anfallen.
Der Wechsel zu nutzungsbasierten Software-Lizenzmodellen bei einer gleichzeitigen Verschiebung von „on premise″- zu Cloud-Lösungen führt dazu, dass ein von der vereinbarten Nutzung abweichendes Verhalten leichter identifiziert werden kann. Zum einen kann ein Softwareanbieter bei einem Lizenzaudit die Daten der relevanten Nutzungsparameter ohne nennenswerten Aufwand auslesen; eine aufwendige Vor-Ort-Prüfung erübrigt sich in den meisten Fällen. Zum anderen wird das relevante Nutzungsverhalten im Hintergrund ständig automatisch gemessen. Während es beispielsweise kaum möglich ist, zu überprüfen, ob die gleichen personalisierten Login-Daten vereinbarungswidrig von mehreren Nutzern verwendet werden, führen die automatisiert „gezählten″ Nutzungsparameter zu vollkommener Transparenz für den Softwareanbieter.
So vermeiden Unternehmen eine Unterlizenzierung
Um ein Lizenzaudit erfolgreich bestehen zu können, ist es bei einem nutzungsbasierten Software-Lizenzmodell für das lizenznehmende Unternehmen entscheidend, dass die relevanten Nutzungsparameter im Vertrag klar definiert sind und deren Zusammenspiel in der vereinbarten Nutzungsmetrik bzw. die Funktionsweise dieser Nutzungsmetrik nachvollziehbar festgelegt und verstanden wurde. Nur auf dieser Basis kann in der Folge während der Dauer der Lizenznutzung ein funktionierendes Lizenzmanagement betrieben werden, mit dem die jeweiligen Nutzungsparameter laufend überprüft und gegebenenfalls rechtzeitig zusätzliche Lizenzen erworben werden können.
Herrscht hingegen Unklarheit darüber, wie aufgrund der vereinbarten Nutzungsmetrik die Vergütung berechnet wird, oder besteht kein übereinstimmendes Begriffsverständnis zwischen Softwareanbieter und Lizenznehmer hinsichtlich der relevanten Nutzungsparameter, ist Ärger vorprogrammiert. Für das betreffende lizenznehmende Unternehmen ist nicht nur ungewiss, wie das Ergebnis eines möglichen Lizenzaudits ausfallen könnte, es drohen auch langwierige Streitigkeiten zur Auslegung der Definitionen von Nutzungsparametern und zu den jeweils von diesen erfassten kostenpflichtigen Vorgängen.
Ein gutes Lizenzmanagement beginnt daher bereits bei der Vertragsverhandlung und verhindert, dass ein Unternehmen unbeabsichtigt in eine Unterlizenzierung hineinrutscht.
Stolperfalle indirekte Nutzung
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn die Lizenzbestimmungen auch eine sog. indirekte Nutzung in die Vergütungsberechnung mit einfließen lassen. Darunter ist der indirekte Zugriff von Geräten, Anwendungen oder IT-Systemen auf eine bestimmte lizenzierte Software zu verstehen. Durch die eingangs beschriebene wachsende Vernetzung verschiedenster Geräte, Anwendungen und IT-Systeme durch das Internet der Dinge sowie durch Automatisierung tritt eine indirekte Nutzung immer häufiger auf. Die Interoperabilität zwischen Geräten, Anwendungen und IT-Systemen gewinnt an Bedeutung, denn jede Vernetzung schafft eine zusätzliche Schnittstelle, die es zu überwinden gilt. Als Beispiel für eine indirekte Nutzung in diesem Kontext ist etwa an ein automatisiertes Lagersystem zu denken, bei dem eine den Bestand überwachende Anwendung bei Bedarf direkt auf eine Bestellsoftware zugreift und einen Bestellvorgang auslöst. Durch die Berücksichtigung indirekter Nutzung bei der Berechnung der Lizenzgebühren kann sich die relevante Nutzungsintensität sprunghaft erhöhen, womit bei einer entsprechenden Nachlizenzierung hohe Mehrkosten verbunden sind. Das Konfliktpotential liegt auf der Hand.
Ein indirekte Nutzung berücksichtigendes Software-Lizenzmodell führte in der Vergangenheit namentlich zu einem Rechtsstreit in Großbritannien zwischen der SAP UK Limited (SAP) und der DIAGEO Great Britain Limited (DIAGEO), bei dem es um Lizenznachforderungen in der Höhe von ca. GBP 55 Mio. ging, die SAP mit einer indirekten Nutzung seiner Software und einer damit verbundenen Unterlizenzierung begründete. Der High Court of Justice – Technology and Construction Court – hatte zunächst mit Urteil vom 16. Februar 2017 ([2017] EWHC 189 (TCC), Case No.: HT-2015-000340) zu Gunsten von SAP entschieden, unterdessen haben SAP und DIAGEO den Rechtsstreit jedoch außergerichtlich beigelegt.
Auch in Deutschland gibt es Gegenwehr gegen das eine indirekte Nutzung bei der Vergütungsberechnung miteinbeziehende Software-Lizenzmodell von SAP: VOICE – Bundesverband der IT-Anwender hält das entsprechende Software-Lizenzmodell in dieser Hinsicht für rechtswidrig und reichte im Oktober 2018 Beschwerde beim Bundeskartellamt ein. Aktuell ist noch offen, ob und inwieweit das Bundeskartellamt dieser Beschwerde nachgehen wird. Darüber hinaus stand VOICE im direkten Kontakt mit SAP. VOICE erklärte jedoch die Gespräche für gescheitert, angesichts fehlender Bereitschaft, auf die Forderungen angemessen einzugehen.