25. April 2023
Tierhaltungskennzeichnung
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Startschuss für verbindliche Tierhaltungskennzeichnung gefallen – Update #1

Nach Billigung des Gesetzesentwurfs für ein verbindliches Tierhaltungskennzeichen durch das Kabinett empfiehlt der Bundesrat zahlreiche Änderungen.

Nachdem die Ampelregierung sich bereits mit dem Koalitionsvertrag auf eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung verständigt hatte, hat das Bundeskabinett am 12. Oktober 2022 den Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zur Tierhaltungskennzeichnung beschlossen. Damit ist die nächste Hürde auf dem Weg zu einer verbindlichen Tierhaltungskennzeichnung genommen. 

Am 25. November 2022 hat der Bundesrat den Gesetzesentwurf in einer ersten Stellungnahme befürwortet.

Verbindliche Tierhaltungskennzeichnung hat eine beschränkte Reichweite

Um Einschränkungen im europäischen Binnenmarkt und eine Benachteiligung von Produkten aus anderen Mitgliedstaaten zu vermeiden, sehen die derzeitigen Gesetzespläne die verpflichtende Kennzeichnung ausschließlich für inländische Erzeugnisse, d.h. Haltung der Tiere in Deutschland und Verkauf an Endverbraucherinnen und -verbraucher in Deutschland, vor. Produkte aus EU-Mitgliedstaaten und Drittländern unterliegen damit keiner Kennzeichnungspflicht, können aber auf freiwilliger Basis gekennzeichnet werden. 

Für die Kennzeichnung ausländischer Erzeugnisse ist hierbei ein Genehmigungserfordernis vorgesehen, während die Kennzeichnung von in Deutschland produzierten Erzeugnissen ohne Genehmigung erfolgen können soll. Die Kontrolle der freiwilligen Kennzeichnung ausländischer Erzeugnisse soll der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) obliegen. 

Der Entwurf des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes (TierHaltKennzG) sieht fünf Haltungskategorien vor:

  • Stall, 
  • Stall+Platz,
  • Frischluftstall,
  • Auslauf/Freiland und 
  • Bio. 

Während die Mast in der Haltungskategorie Stall den gesetzlichen Mindestanforderungen entspricht, sollen sich die weiteren Kategorien jeweils durch die Einhaltung von über diese Mindeststandards hinausgehenden Anforderungen auszeichnen. Anders als bei der Tierhaltung sieht der Gesetzesentwurf für die Transport- und Schlachtbedingungen keine Kennzeichnung vor. 

Update: Die Regierungs-Fraktionen haben sich zwischenzeitlich im Hinblick auf die Konkretisierung der Haltungskategorien weiter geeinigt. So soll die bisher als „Auslauf/Freiland“ titulierte zweithöchste Haltungsform in „Auslauf/Weide“ umbenannt werden und die Haltungsstufe zwei, „Stall + Platz“, sich abweichend vom ursprünglichen Vorschlag der Grünen nicht durch 20 Prozent, sondern leidglich 12,5 Prozent mehr Platz auszeichnen. 

Die Kennzeichnungspflicht soll in einem ersten Schritt ausschließlich für unverarbeitetes Fleisch von Mastschweinen gelten, und zwar für frisches, gekühltes, tiefgefrorenes, vorverpacktes und nicht vorverpacktes Schweinefleisch und die Vertriebswege Lebensmitteleinzel- und -großhandel, Bedientheke, Fachgeschäft und Onlinehandel. Die Haltung von Ferkeln und Sauen sowie anderweitiger Nutztiere, verarbeitete Produkte (Fleischzubereitungen) und die Gastronomie wären damit vorerst von der Kennzeichnungspflicht ausgenommen. Eine Erweiterung auf andere Tierarten, die Gastronomie und verarbeitete Produkte soll laut BMEL perspektivisch aber folgen.

Anforderungen an die Tierhaltungskennzeichnung werden genau vorgegeben

Der Gesetzesentwurf sieht einige ausdrückliche Anforderungen an die Gestaltung der Kennzeichnung vor. Die Kennzeichnung besteht aus einem schwarz umrandeten Rechteck, in dem die fünf Haltungsformen angegeben sind und die für das Erzeugnis zutreffende Form kenntlich gemacht werden soll. Zudem soll die Kennzeichnung der Haltungsform für die Endverbraucherinnen und Endverbraucher leicht zugänglich, deutlich, gut sichtbar und gut lesbar in deutscher Sprache auf den kennzeichnungspflichtigen Lebensmitteln angebracht werden. Sie soll insbesondere nicht durch andere Angaben, Bildzeichen oder sonstiges eingefügtes Material verdeckt, undeutlich gemacht oder getrennt werden dürfen.

Bei vorverpackten Lebensmitteln sieht der Gesetzesentwurf daher bspw. vor, dass die Kennzeichnung im Hauptsichtfeld auf der Verpackung oder auf einem an diesem befestigten Etikett anzubringen ist. Bei nicht vorverpackten Lebensmitteln soll die Kennzeichnung in der Nähe des Lebensmittels so bereitgestellt werden, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher sie vor dem Kauf zur Kenntnis nehmen können und klar erkennbar ist, auf welches Lebensmittel sich die Kennzeichnung bezieht. Im Fernabsatz, so etwa im Onlinehandel, wiederum soll die Kennzeichnung auf dem Trägermaterial des Fernabsatzgeschäfts erscheinen oder durch andere geeignete Mittel vor Geschäftsabschluss bereitgestellt werden. 

Die geplante Tierhaltungskennzeichnung und das Wettbewerbsrecht

Angesichts dieser klaren Vorgaben kommen bei Einführung der verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung bei missverständlicher, den geschilderten Vorgaben nicht entsprechender sowie unwahrer oder unterbliebener Kennzeichnung lauterkeitsrechtliche Konsequenzen, allem voran infolge von Verstößen gegen die §§ 5, 5a UWG und vor dem Hintergrund des Rechtsbruchtatbestandes des § 3a UWG, in Betracht. Insoweit ist daher bei Nichteinhaltung der Regelungen mit Abmahnungen und dabei insbesondere mit Unterlassungsforderungen (die auch den Rückruf beinhalten können) zu rechnen.

Der parallele Einsatz privater Labels soll zwar zulässig bleiben, dürfte aber nach Einführung der geplanten gesetzlichen Kennzeichnungspflicht mit einem besonderen Irreführungspotenzial einhergehen. Bei einem fortgesetzten parallelen Einsatz freiwilliger Kennzeichnungen wird daher in besonderem Maße darauf zu achten sein, dass den Verbraucherinnen und Verbrauchern durch deren Einsatz kein zum verpflichtenden Haltungskennzeichen in Widerspruch stehender Eindruck vermittelt wird. Mit Einführung der verbindlichen Tierhaltungskennzeichnung sollte außerdem auch ein besonderes Augenmerk auf die Kongruenz zwischen der Kennzeichnung und der auf die Haltungsform anspielenden sonstigen Produktgestaltung gelegt werden. 

Verstöße gegen die geplante Tierhaltungskennzeichnung können zudem Ansprüche aus dem Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) nach sich ziehen.

Bußgelder bei Verstößen

Schließlich sollen Verstöße gegen die Regelungen des TierHaltKennzG auch Ordnungswidrigkeiten darstellen und daher je nach Verstoß mit Bußgeldern von bis zu EUR 30.000,00 geahndet werden können. Daneben werden bei Verstößen gegen die Kennzeichnungspflicht möglicherweise auch empfindliche Freiheitsstrafen, Bußgelder und Geldstrafen nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch sowie der Lebensmittel-Informationsverordnung in Betracht kommen.

Die Kontrolle der Einhaltung der verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung soll den Behörden der Länder im Rahmen einer amtlichen Überwachung obliegen. 

Kritik seitens der Ausschüsse – erste Befürwortung durch den Bundesrat, aber: zahlreiche Änderungsempfehlungen 

Mit Empfehlung vom 11. November 2022 haben der federführende Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) dem Bundesrat empfohlen, den Gesetzesentwurf abzulehnen. Sie begründen die vorgeschlagene Ablehnung damit, dass der Gesetzesentwurf zu kurz greife und ein Gesamtkonzept zum Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland vermissen lasse. Zudem führe der derzeitige Entwurf zu Unsicherheiten, da er „vorgezogene und unvollständige Regelungen“ enthalte. Die Beschränkung auf frisches Fleisch von Mastschweinen führe dazu, dass nur 20 % der insgesamt erzeugten Menge an Schweinefleisch vom Gesetz erfasst würden. Zudem sei eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung auf EU-Ebene unverzichtbar.

In einer ersten Stellungnahme am 25. November 2022 hat der Bundesrat den Gesetzesentwurf im Allgemeinen befürwortet. Er betont aber insbesondere, dass die Bundesregierung sicherstellen solle, dass eine verbindliche Kennzeichnung für inländische und ausländische Waren angestrebt werde, damit Tierschutz auch effektiv durchgesetzt werden könne und keine Abwanderung der Produktion in das Ausland erfolge. Dies solle die Bundesregierung auf EU-Ebene erreichen. Um Nachteile für inländische Betriebe zu vermeiden, sieht der Bundesrat es für notwendig an, dass auch tierische Produkte, die außerhalb Deutschlands produziert, aber in Deutschland verkauft werden, in die Kennzeichnung miteinbezogen werden. Die freiwillige Kennzeichnung für ausländische Ware werde begrüßt, es müssten aber hinreichend Anreize geschaffen werden. Auch solle die Kennzeichnungspflicht auf weitere Tier- und Produktarten ausgedehnt werden.

Der Gesetzesentwurf geht nunmehr zurück in den Bundestag zur weiteren parlamentarischen Abstimmung. 

Zweck des Gesetzes für eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung ist Transparenz

Die Analyse des Gesetzesentwurfs zeigt deutlich, dass es sich bei dem geplanten Tierhaltungskennzeichen nicht um ein Tierwohllabel, sondern lediglich um eine Kennzeichnungspflicht handelt, die den Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr Transparenz und damit besser informierte Konsumentscheidungen ermöglichen soll. Es bleibt zu hoffen, dass diese Transparenz auch zu Anreizen bei den Landwirtinnen und Landwirten führt, ihre Tierhaltung zu verbessern. Das BMEL plant zudem, dass Landwirtinnen und -wirte finanziell gefördert werden sollen, die ihren Tieren besonders tiergerechte Haltungsbedingungen schaffen und die Ställe dementsprechend umbauen.

Wer Verstöße mit potenziellen Bußgeldern und/oder wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen vermeiden möchte, sollte diesen Gesetzeszweck zukünftig bei der Gestaltung und Bewerbung betroffener Produkte im Hinterkopf behalten. Zudem gilt es die weiteren Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen. Denn nachdem jedenfalls Teile der Koalition eine rasche Ausweitung der Kennzeichnungspflicht anstreben, könnte der Anwendungsbereich der Kennzeichnungspflicht zeitnah weiter ausgedehnt werden.  

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