Neue Stoffverbote machen Kosmetikprodukte in der EU sicherer und erfordern Reaktionen von Herstellern und Händlern.
Wenn neue Verbote von Inhaltsstoffen für kosmetische Mittel in Kraft treten, stellt sich die Frage, welche Pflichten die verantwortlichen Personen*, also regelmäßig Hersteller oder Importeure, und die Händler treffen.
Am Beispiel des ab heute, dem 1. März 2022, geltenden Verbots des weit verbreiteten Duftstoffes Lilial beleuchten wir die möglichen Folgen solcher Stoffverbote.
Aktuelle Verbote von CMR-Stoffen
In regelmäßigen Abständen erweitert die Europäische Kommission die Liste der in kosmetischen Mitteln verbotenen sog. CMR-Stoffe, d.h. von Stoffen, die karzinogen, mutagen oder reproduktionstoxisch sind. Die jüngste Ergänzung erfolgte durch die Verordnung (EU) 2021/1902 der Kommission vom 29. Oktober 2021 zur Änderung der Anhänge II, III und V der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009, auch 4. CMR-Omnibus-Verordnung genannt. Diese Verordnung ergänzt die Anhänge der EU-KosmetikVO um 23 Inhaltsstoffe und gilt ab dem 1. März 2022. Die daraus folgenden Klassifizierungen bringen unterschiedliche Einschränkungen mit sich.
Die in der Praxis wohl relevanteste Neueinordnung ist die des Inhaltsstoffes Lilial (auch: 2-(4-tert-Butylbenzyl)propionaldehyd bzw. Butylphenyl Methylpropional) in den Anhang II der EU-KosmetikVO. Damit darf Lilial ab März nicht mehr in kosmetischen Mitteln enthalten sein (Art. 14 Abs. 1b EU-KosmetikVO).
Kosmetikprodukte mit dem Inhaltsstoff Lilial dürfen nicht mehr auf dem Gemeinschaftsmarkt bereitgestellt werden
Was genau die Neubewertung von Lilial für verantwortliche Personen und Händler bedeutet, führt in der Praxis allerdings zu einigen Fragezeichen.
Unstreitig dürfte wohl sein, dass kosmetische Mittel mit dem Inhaltsstoff ab März 2022 nicht mehr auf dem Gemeinschaftsmarkt bereitgestellt werden dürfen. Verantwortliche Personen dürfen lilialhaltige Produkte also nicht an ihre Handelspartner abgeben. Händlern ist die entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe nicht mehr erlaubt, weder zum Vertrieb, zum Verbrauch noch zur Verwendung. Diese Folgen sind abhängig von der jeweiligen Änderungsverordnung, die auch eine längere Umstellungszeit oder ein zeitliches Auseinanderfallen von Inverkehrbringungs- und Bereitstellungsverbot vorsehen kann.
Marktteilnehmer können weitergehende Pflichten treffen
Weniger offensichtlich ist allerdings, welche Pflichten die verantwortliche Person und die Händler darüber hinaus treffen.
Einerseits müssen die Händler, wenn sie Grund zur Annahme haben, dass ein kosmetisches Mittel nicht den Anforderungen der EU-KosmetikVO genügt, ihrerseits die erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Ist ein Inhaltsstoff verboten, steht das Produkt in Konflikt mit der EU-KosmetikVO und genügt nicht ihren Anforderungen. Neben die Pflicht, lilialhaltige Produkte ab dem 1. März 2022 nicht mehr abzugeben, können – bspw. wenn zu befürchten steht, dass Produkte trotz des Verbots abgegeben wurden – weitere Pflichten treten.
Andererseits spricht die umfassende Produktverantwortung der verantwortlichen Person für das kosmetische Mittel während seines gesamten Lebenszyklus dafür, dass diese auch nach dem Inverkehrbringen noch eine Verantwortung für die Sicherheit des Produktes trifft. Dies können in erster Linie Informationspflichten gegenüber den Händlern und Rücknahmemaßnahmen sein.
Allein kosmetikrechtliche Vorgaben sind der maßgebliche Bewertungsmaßstab
Wichtig ist es, bei der Prüfung der kosmetikrechtlichen Pflichten den richtigen Bewertungsmaßstab im Blick zu behalten: Allzu leicht werden kaufrechtliche Erwägungen bei der Beurteilung mit eingestellt. Tatsächlich ist für diese Prüfung aber allein der Maßstab des Kosmetikrechts anzulegen.
Punkte wie das Vorliegen eines Mangels, ob und wann der Gefahrübergang erfolgt ist oder welche vertraglichen Vereinbarungen im Innenverhältnis zwischen verantwortlicher Person und Händler getroffen wurden, sind für die kosmetikrechtlichen Pflichten nicht entscheidend. Denn bei diesen handelt es sich um öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, die der Gefahrenabwehr dienen.
Ob vertragliche Ansprüche im Verhältnis zwischen der verantwortlichen Person und dem Händler bestehen, steht auf einem anderen Blatt.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.