15. September 2016
Gewinnerzielungsabsicht Link
TMC – Technology, Media & Communications

Vorsicht bei Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht

Wer Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht setzt, muss verlinkte Inhalte auf Urheberrechtsverletzungen prüfen. Ausnahmen bestehen für Privatpersonen.

Das Setzen eines Links kann eine Urheberrechtsverletzung darstellen. Das hat der Europäische Gerichtshof in einem stark differenzierenden Urteil entschieden (Urt. v. 08.09.2016, Az. C-160/15).

Hintergrund des Verfahrens ist eine Klage des niederländischen „Playboy″-Verlages Sanoma gegen den Blog „geenstijl“ der GS Media BV. Sanoma hatte Nacktfotos für das Magazin erstellen lassen. Noch bevor die Playboy-Ausgabe mit den Bildern erschien, waren die Bilder im Internet auf einer australischen Website ohne Einverständnis von Sanoma abrufbar. Die GS Media verlinkte auf diese Webseite und entfernte den Link auch auf Aufforderung nicht. Im Gegenteil: Nachdem der australische Webseiteninhaber die Fotos löschte, setzte GS Media einen weiteren Hyperlink auf eine andere Webseite, auf der die Fotos ebenfalls zu sehen waren.

Generalanwalt sieht keinen Verstoß bei Linksetzung

Der Streit gelangte schließlich vor den niederländischen Kassationshof, der dem EuGH die Frage vorlegte, ob das Setzen eines Hyperlinks einen Akt der öffentlichen Wiedergabe im Sinne der europäischen Richtlinie 2001/29/EG (InfoSoc) darstelle. Der Kassationshof wies in seiner Vorlage insbesondere darauf hin, dass die Fotos vor der Verlinkung durch GS Media zwar auch, aber nicht so leicht auffindbar gewesen seien.

Der Generalanwalt am EuGH Melchior Wathelet hatte in seinen Schlussanträgen die Auffassung vertreten, die Verlinkung auf Webseiten mit rechtswidrig eingestellten Fotos sei keine öffentliche Wiedergabe im Sinne der InfoSoc-Richtlinie.

Kernfrage: die öffentliche Wiedergabe

Der EuGH wich von der Einschätzung des Generalanwalts ab und nahm eine Differenzierung inklusive Risikoverteilung vor:

Nach Ansicht des Gerichtes liege keine öffentliche Wiedergabe vor, wenn die Links ohne Gewinnerzielungsabsicht durch jemanden, der die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung der Werke auf der anderen Website nicht kannte oder vernünftigerweise nicht kennen konnte, bereitgestellt wurden. Der Linksetzende weiß nicht und kann vernünftigerweise nicht wissen, dass auf der verlinkten Seite gegebenenfalls Werke im Internet ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers veröffentlicht wurden. Erst wenn der Verlinkende wusste oder hätte wissen müssen, dass der verlinkte Inhalt ohne Zustimmung des Urhebers eingestellt worden war, liegt eine öffentliche Wiedergabe vor.

Demgegenüber kann eine öffentliche Wiedergabe vorliegen, wenn die Links mit Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurden. Für diesen Fall wird widerlegbar vermutet, dass der Linksetzer in Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung auf der anderen Website handelte.

Der EuGH begründete seine Entscheidung mit der besonderen Bedeutung von Hyperlinks für die Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit im Internet. Verlinken Einzelpersonen auf Websites, so das Gericht, ist es für diese mitunter schwierig zu entscheiden, ob diese Zugang zu geschützten Werken geben und ob die erforderliche Erlaubnis des Urhebers vorliegt.

Gewinnerzielungsabsicht: Vermutung der Kenntnis

Handelt der Linksetzer mit einer Gewinnerzielungsabsicht, könne von ihm erwartet werden, dass er erforderliche Nachprüfungen vornimmt und sich vergewissert, dass die verlinkten Werke nicht unbefugt veröffentlicht worden waren.

Der EuGH betonte, dass bei Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht zu vermuten ist, dass das Setzen des Hyperlinks in voller Kenntnis der Geschütztheit des auf der verlinkten Seite vorgehaltenen Werkes sowie der gegebenenfalls fehlenden Erlaubnis des Urhebers zu dieser Veröffentlichung auf der externen Seite erfolgt ist. Gelingt es dem Linksetzer nicht, diese Vermutung zu entkräften, liegt mit dem Setzen eines Hyperlinks auf unbefugt im Internet veröffentlichte Werke eine öffentliche Wiedergabe vor.

Für den entschiedenen Fall bedeuteten die von den Richtern aufgestellten Grundsätze das Folgende: Da die GS Media die Links zu den Fotos zu Erwerbszwecken bereitgestellt und Sanoma die Veröffentlichung der Fotos nicht gestattet hatte, griff die Vermutung, dass das Setzen der Links durch die GS Media in Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung erfolgte. Vorbehaltlich der noch vom niederländischen Kassationshofs vorzunehmenden Prüfung war, so die Richter, daher davon auszugehen, dass die GS Media mit dem Setzen der Links eine öffentliche Wiedergabe vorgenommen hat.

Linkhaftung bei kommerziellen Websites in Deutschland

Die Entscheidung des EuGH liegt auf einer Linie mit der deutschen Rechtsprechung zur Linkhaftung bei kommerziellen Webseiten. Die Rechtsprechung in Deutschland zur Haftung für Hyperlinks ist für den Laien teilweise unübersichtlich, weil die Linkhaftung – wie im europäischen Recht – nicht gesetzlich geregelt und nur Ausfluss des Richterrechts ist.

Seit der sog. Paperboy-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 17.07.2003, Az. I ZR 259/00) gilt der Grundsatz, dass die Verlinkung auf Webseiten, die urheberrechtlich geschützte Werke wie Fotos, Text oder Musikdateien vorhalten – unabhängig davon, ob auf die Hauptseite (einfacher Link) oder direkt auf die Unterseite (Deep-Link) verlinkt wird – grundsätzlich keine Urheberrechtsverletzung darstellt.

Dieser Grundsatz erfährt jedoch Ausnahmen, wenn die unter dem Link abrufbaren Inhalte nicht rechtmäßig eingestellt wurden. So besteht eine täterschaftliche Haftung für Links vor allem dann, wenn sich der Linksetzende den Inhalt der Webseite zu Eigen macht. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Link Teil des eigenen Geschäftsmodells ist oder wenn unter dem Link für die Produkte des Linksetzers geworben wird (BGH, Urt. v. 18.06.2015, Az. I ZR 74/14). Gleiches gilt bei inhaltlicher Auseinandersetzung mit den unter dem Link stehenden Inhalten auf eine Weise, dass sie für Dritte als Ausdruck auch der eigenen Meinung des Verlinkenden erscheint.

Linksetzer kann auch Störer sein

Scheidet eine täterschaftliche Verantwortung aus, kann der Verlinkende immer noch als Störer haften. Das Setzen des Links erhöht faktisch die Gefahr der Verbreitung rechtswidriger Inhalte. Hieraus folgt die Pflicht des Linksetzers, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen.

Allerdings besteht keine proaktive Überwachungspflicht. Der Verlinkende haftet also erst, wenn der rechtsverletzende Inhalt der verlinkten Internetseite deutlich erkennbar ist oder wenn er Kenntnis von der Rechtswidrigkeit, zum Beispiel durch eine Abmahnung, erlangt.

Anders als bei Internet-Marktplätzen oder File-Hosting-Diensten, bei denen eine Haftung nur bei klarer Rechtsverletzung besteht, muss der Verlinkende bei sonstigen kommerziellen Websites die Inhalte auch dann prüfen und den Link gegebenenfalls entfernen, wenn es sich nicht um eine auf den ersten Blick eindeutige Rechtsverletzung handelt.

Diese Rechtsprechung hat dem BGH Kritik eingebracht. In der Tat sind die Anforderungen an den Linksetzer erheblich. Dieser wird oft keine juristischen Vorkenntnisse haben; gleichwohl trifft ihn die volle Pflicht zur – häufig schwierigen – rechtlichen Beurteilung darüber, ob ein beanstandeter Inhalt auf dem durch den Link erreichbaren Internetauftritt tatsächlich rechtswidrig ist oder nicht.

Der EuGH geht aber noch einen Schritt weiter und sieht den Verlinkenden nicht als Störer sondern als unmittelbaren Täter der öffentlichen Wiedergabe an, wenn er den Link mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt hat.

Die Rechtsprechung des BGH und EuGH führt zwangsläufig dazu, dass der Verlinkende in der Regel schon auf bloßen Zuruf der angeblichen Rechtsverletzung den Link löschen oder gar nicht erst setzen wird, will er sich nicht dem Risiko der falschen rechtlichen Bewertung aussetzen.

Fazit: Risiken für Linksetzer

Weniger Links bedeuten aber weniger Meinungsvielfalt – das Problem erkennt auch der EuGH. Es ist allerdings auch erfreulich, dass der EuGH den Linksetzer nicht in jedem Fall aus seiner Haftung entlässt und die Meinungsvielfalt nicht über die ebenso wichtigen Interessen und Rechte der Urheber stellt.

Wer einen Link mit erkennbar rechtswidrigem oder unerlaubt eingestelltem Inhalt, wie im Fall der niederländischen GS Media, nicht nur auf Aufforderung nicht löscht, sondern auch noch weitere Links mit dem Inhalt setzt, der begründet unmittelbar die Gefahr der weiteren Verbreitung rechtswidriger Inhalte. Es ist daher nur folgerichtig, dass der EuGH Linksetzern wie der GS Media klare Grenzen setzt.

In gleicher Weise ist die vom EuGH herausgearbeitete Vermutungswirkung bei Linksetzern mit Gewinnerziehungsabsicht geeignet, die Rechtsdurchsetzung der Urheber zu erleichtern.

Die Entscheidung bürdet dem Linksetzer aber auch Risiken auf: Er muss prüfen, ob die von ihm verlinkten Inhalte rechtswidrig sind, was gerade bei rechtlich unklaren Fällen nicht einfach ist. Andernfalls könnte ihm nach der Entscheidung der Vorwurf gemacht werden, dass er die Rechtsverletzung hätte kennen müssen. Der Verlinkende wird aus Sorge vor falschen rechtlichen Einschätzungen den Link im Zweifel löschen oder gar nicht erst setzen. Dies bedeutet wiederum weniger Meinungs- und Informationsfreiheit im Internet – die Kehrseite der Entscheidung.

Der Beitrag basiert auf einem Artikel der Autoren aus der LTO v. 08. September 2016.

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