Die Bedeutung von Nutzerbewertungen für Online-Käufe ist immens. Nun nimmt sich das Bundeskartellamt die Portale vor.
Onlinebewertungen von Produkten stehen seit Jahren im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung und besitzen eine überragende Bedeutung für Verbraucher beim Online-Kauf oder der Buchung von Dienstleistungen. Ein Dorn im Auge von Mitbewerbern, Verbraucherzentralen und immer mehr auch von Gerichten sind dabei gefälschte und anderweitig manipulierte Bewertungen.
Das Bundeskartellamt hat nunmehr seinen Bericht zu einer Sektoruntersuchung bezüglich dieses Themenkomplexes veröffentlicht, dort konkrete Maßnahmen für die Eindämmung der steigenden Zahlen von gefälschten Bewertungen vorgeschlagen und ein schärferes Vorgehen gegen Plattformbetreiber gefordert.
Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts zum Thema Nutzerbewertungen
Mit dem Ziel, Verbraucher, Politik und Unternehmen über die Hintergründe und Zusammenhänge in Bezug auf das Thema Nutzerbewertungen zu informieren und dadurch den Verbraucherschutz zu verbessern, hat das Bundeskartellamt im Mai 2019 eine Sektoruntersuchung eingeleitet.
Hierbei hat das Bundeskartellamt Studien und Rechtsprechung ausgewertet und insgesamt 66 Marktteilnehmer schriftlich um Auskunft gebeten. Das Bundeskartellamt kommt in der Untersuchung zu dem Ergebnis, dass bei Nutzerbewertungen systembedingt Probleme bestehen, die einen optimalen Informationsaustausch zwischen Verbrauchern behindern.
Problem: Zu wenig authentische Bewertungen auf Portalen
Ein Problem sei, dass es zu wenig authentische Bewertungen von Verbrauchern gebe. Diese seien nur selten bereit, ohne eine Gegenleistung einen Kauf zu bewerten.
Hier seien die Plattformen in der Pflicht, Anreize zu schaffen. Kleine Belohnungen wie Gutscheine oder Gewinnspiele seien geeignet, zusätzliche Bewertungen zu generieren, wobei in vielen Fällen eine Aufklärung der Verbraucher über die Art der zusätzlich geschaffenen Bewertungen notwendig sei. Anderenfalls drohe eine Irreführung der Verbraucher (§ 5 Abs. 1 UWG).
Wann eine Kennzeichnungspflicht bestehe, bestimme sich grundsätzlich nach der Höhe des geschaffenen Anreizes. Bei branchenüblichen „Anstupsern″ bestehe keine Notwendigkeit der Kennzeichnung, weil die Praxis den Verbrauchern bekannt sei.
Bundeskartellamt will Portale in die Pflicht nehmen, gegen Fake-Bewertungen vorzugehen
Ein anderes Problem seien nicht-authentischen Bewertungen, also solche, in denen der Verfasser das zu bewertende Produkt überhaupt nicht selbst genutzt habe oder gar keine natürliche Person sei. Hierbei handele es sich um irreführende geschäftliche Handlungen im Sinne der §§ 5 Abs. 1 Nr. 1 und 5a Abs. 6 UWG. Die Untersuchung habe gezeigt, dass derartige Bewertungen insbesondere im Bereich von Dienstleistungen, wie im Gastronomie- und Hotelbereich sowie bei der Bewertung von Reisen und Ärzten, eine größere Rolle spielen.
Hier gelte es, die Portale stärker in die Pflicht zu nehmen. Derartige Bewertungen müssten auf den Seiten identifiziert und entfernt werden. Insbesondere seien offene Bewertungssysteme und fehlende Filter zur Überprüfung der Authentizität einer Bewertung ein Versäumnis auf Seiten der Portale.
Das Bundeskartellamt appelliert an dieser Stelle an die Verbraucherschutzorganisationen, gegen die untätigen Portale gerichtlich vorzugehen. Solange Versäumnisse auf Seiten der Portale nicht offengelegt würden und ein entsprechender Imageschaden entstehe, würden bei den Portalen offenbar keine Anreize existieren, in die Aufdeckung nicht-authentischer Bewertungen zu investieren.
Auch europäischer Gesetzgeber will Portale stärker in die Pflicht nehmen, gegen Fake-Bewertungen vorzugehen
Das Bundeskartellamt fokussiert seine Überlegungen zur Bekämpfung irreführender Nutzerbewertungen auf die Plattformbetreiber. Diese müssen ohnehin aktiv werden.
Auch der europäische Gesetzgeber zielt mit der neuen Fassung des Anhang I zu der UGP-Richtlinie, die Teil der Richtlinie 2019/2161 zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union war, auf eine stärkere Inanspruchnahme der Portale. Nummer 23b von Anhang I nennt als irreführende Geschäftspraktik nunmehr
die Behauptung, dass Bewertungen eines Produkts von Verbrauchern stammen, die das Produkt tatsächlich verwendet oder erworben haben, ohne dass angemessene und verhältnismäßige Schritte unternommen wurden, um zu prüfen, ob die Bewertungen wirklich von solchen Verbrauchern stammen.
Die Regelung muss bis zum 28. November 2021 in nationales Recht umgesetzt und ab dem 28. Mai 2022 angewandt werden.
Aus Sicht der Portale ist Vorsicht geboten
Betreiber von Bewertungsportalen müssen sich also darüber bewusst sein, dass nicht nur einzelne Fake-Bewertungen, sondern auch das Fehlen von geeigneten Filtern oder das Anbieten eines offenen Bewertungssystems ohne Schutzmaßnahmen eine Haftung begründet. Die Schutzmechanismen müssen geeignet sein, Fake-Bewertungen zu erkennen. Die Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts ist in diesem Zusammenhang lesenswert, weil sie Empfehlungen an die Hand gibt, wie Systeme zulässig gestaltet werden können.
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