18. Juli 2011
Fährt man mit Planwirtschaft besser?
Vergaberecht

Ausschreiben ohne Geld

Ein eingeleitetes Vergabeverfahren kann nicht ohne Weiteres aufgehoben werden. Hat sich der öffentliche Auftraggeber entschieden, ein Verfahren einzuleiten, muss er dies grundsätzlich ordnungsgemäß bis zum bitteren Ende führen. Das OLG Düsseldorf (Beschl. v. 08.06.2011, VII – Verg 55/10) hatte sich in einer Entscheidung zur Aufhebung eines Verfahrens über die Vergabe eines PPP-Projekts mit einer Reihe interessanter und grundlegender Fragen in diesem Zusammenhang zu befassen.

Die Vergabestelle hatte den Abschluss eines Vertrags zur Durchführung eines PPP-Projekts über die Erhaltung von Landesstraßen im Wege des Verhandlungsverfahrens ausgeschrieben. In der Bekanntmachung war vorgesehen, dass sich die Vergabestelle vorbehält, den Zuschlag nicht zu erteilen, wenn nach dem finalen Wirtschaftlichkeitsvergleich (PSC) die Eigenrealisierung sich als die wirtschaftlichere Variante erweist. Nach dem in den Vergabeunterlagen vorgeschriebenen Verfahren hatte die Antragstellerin ein indikatives Angebot und nach den Vertragsverhandlungen ein finales Angebot (BAFO – Best and Final Offer) abgegeben. Nach Prüfung der eingereichten Angebote kam die Vergabestelle zu dem Ergebnis, dass das wirtschaftlichste Angebot 1,84 % unwirtschaftlicher war als eine Eigenrealisierung. Aus diesem Grund wurde das Verfahren aufgehoben und kein Zuschlag erteilt. Darüber hinaus stützte die Vergabestelle die Aufhebung auf die nicht ausreichend im Haushalt vorgesehenen Haushaltsmittel, die auf Basis einer Machbarkeitsstudie eingestellt worden waren.

Gegen diese Verfahrensaufhebung wandte sich der Bieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot – allerdings ohne Erfolg. Das OLG Düsseldorf gab der Vergabestelle Recht. Sie durfte das Vergabeverfahren wegen fehlender Haushaltsmittel aufheben. Dabei hat das OLG insbesondere folgende Feststellung getroffen:

 

  • Die Zulässigkeit der Aufhebung des Verfahrens ist von der Frage der Rechtmäßigkeit der Aufhebung zu unterscheiden. Ein öffentlicher Auftraggeber kann das Verfahren aufheben, wenn ein sachlicher Grund vorliegt und es sich nicht lediglich um eine Scheinaufhebung handelt. Eine Scheinaufhebung liegt nicht vor, wenn ein Beschaffungsbedarf zwar dem Grunde nach besteht, die Vergabestelle aber nunmehr beabsichtigt, diesen auf andere Weise zu befriedigen.
  • Selbst wenn die Aufhebung zulässig ist, kann sie rechtswidrig sein. Dies kann den Bieter, der das wirtschaftlichste Angebot eingereicht hatte, zu Schadenersatz berechtigen. Für Verhandlungsverfahren von Bedeutung ist die Feststellung des OLG, dass auch § 26 VOB/A 2006 (nunmehr § 17 VOB/A 2009) auf diese Verfahrensart Anwendung findet, obwohl die Vorschrift (anders als § 17 VOL/A und § 20EG VOL/A) ihrem Wortlaut nach nicht für sämtliche Vergabeverfahren, sondern nur für – öffentliche und beschränkte – Ausschreibungen gilt. Angesichts des eindeutigen Wortlauts ist diese, vom OLG auch nicht begründete Auffassung fraglich. Im Ergebnis dürfte dem allerdings für den konkreten Fall zuzustimmen sein, da das Vergabeverfahren so strukturiert war, dass nach den Verhandlungen die Bieter zu einem finalen Angebot aufgefordert wurden. Im Rahmen einer solchen Struktur entspricht dieses Verfahrensstadium der Situation bei einer Ausschreibung und legt eine analoge Anwendung dieser Anforderungen nahe.

 

  • Ein schwerwiegender Grund, der danach eine Aufhebung rechtfertigt, liegt insbesondere vor, wenn ausreichende Haushaltsmittel fehlen, also wenn die im Haushalt für die Beschaffung ausgewiesenen Mittel und Verpflichtungsermächtigungen nicht ausreichen. Es ist Sache des Haushaltsaufstellers, also des Landtags, zu entscheiden, ob und in welchem Umfang Haushaltsmittel für ein Projekt bereitgestellt werden. Reichen die im Haushalt ausgewiesenen Mittel nicht, ist es allein die Entscheidung des Landtags, ob und in welchem Umfang weitere Mittel bereitgestellt werden. Die Haushaltskompetenz des Parlaments ist auch im Vergabeverfahren zu beachten. Das gilt allerdings dann nicht, wenn der Auftraggeber den Kostenbedarf für den Haushaltsansatz nicht mit der gebotenen Sorgfalt ermittelt hat. Da die Vergabestelle die Haushaltsmittel hier auf Basis einer Machbarkeitsstudie eingestellt hatte und Erfahrungen mit solchen Projekten fehlten, konnte sie sich auf den in der Studie ermittelten Mittelbedarf verlassen.

 

  • Für das Verfahren war es daher nicht von Relevanz, ob allein der Vorbehalt einer Aufhebung in der Vergabebekanntmachung eine Aufhebung des Verfahrens rechtfertigte und ob die Vergabestelle ordnungsgemäß von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht hat. Das OLG merkt allerdings an, dass es Zweifel daran habe ob das Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt worden sei. Angesichts des geringen Umfangs der Unwirtschaftlichkeit hätte seitens der Vergabestelle damit gerechnet werden können, dass dieses Hindernis in einer – transparent angeordneten – weiteren Verhandlungsrunde beseitigt werden konnte; das Nachverhandlungsverbot der VOB/A gelte im Verhandlungsverfahren nicht. Es bestehen aber erhebliche Zweifel, ob das so zutreffend ist. Das Vergabeverfahren war nach den Vergabeunterlagen verbindlich so strukturiert, dass sämtliche Bieter zur Abgabe eines finalen Angebots aufgefordert worden waren, so dass das Verfahren in diesem Stadium einer Ausschreibung gleicht, bei der Nachverhandlungen verboten sind. Es spricht daher viel dafür, dass das Nachverhandlungsverbot, was grundsätzlich nicht für ein Verhandlungsverfahren gilt, in diesem Verfahrensstadium analog anzuwenden ist, jedenfalls der Auftraggeber sein Ermessen so ausüben kann, dass er weitere Verhandlungen nicht mehr zulässt. Bei einer Zulassung weiterer Verhandlungen würde sich zudem die Frage stellen, ob hierzu dann nicht auch der zweitplatzierte Bieter eingeladen werden müsste.

Der Entscheidung der OLG Düsseldorf kann größtenteils zugestimmt werden. Einzelne Annahmen des Gerichts sind kritisch zu hinterfragen. Für die Praxis bedeutet die Entscheidung insbesondere, dass der öffentliche Auftraggeber bei der Ermittlung der Haushaltsansätze sorgfältig den Kostenbedarf ermittelt. Viel spricht dafür, dass der bei der Vergabe von PPP-Projekten übliche PSC-Vorbehalt nach der Rechtsprechung grundsätzlich zulässig ist. Bei dessen Formulierung und Ausübung ist allerdings besondere Vorsicht geboten. Zu der Frage, wie weit die Transparenz bei dem Wirtschaftlichkeitsvergleich gehen muss, lässt sich dem Beschluss leider nichts entnehmen.

Tags: Aufhebung BAFO Einstellung fehlende Haushaltsmittel Haushalt Landesstraßen Machbarkeitsstudie Nachverhandlungsverbot Oberlandesgerichte ÖPP PPP PSC Vergabe VII - Verg 55/10 VOB/A Wirtschaftlichkeitsprüfung Wirtschaftlichkeitsvergleich