15. Mai 2025
Disquotale Einlagen in Kapitalgesellschaften
Steuerrecht

Disquotale Einlagen in Kapitalgesellschaften

Disquotale Einlagen in Kapitalgesellschaften werfen in der Praxis eine Reihe komplexer steuerrechtlicher Fragen auf. 

Während bei einer quotalen Einlage die Gesellschaftereinlagen entsprechend ihrem Beteiligungsverhältnis an der Gesellschaft geleistet werden, erfolgen bei einer disquotalen Einlage die Gesellschaftereinlagen inkongruent bzw. disproportional zum Beteiligungsverhältnis.

Gesetzgeber hat mit Einführung des § 7 Abs. 8 ErbStG eine Besteuerungslücke geschlossen

Mit Wirkung ab dem 14. Dezember 2011 hat der Gesetzgeber mit dem Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BeitrRLUmsG) die Vorschriften des § 7 Abs. 8 ErbStG in das Erbschaftsteuergesetz eingefügt und damit einen neuen Besteuerungstatbestand geschaffen.

Dieser soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine Besteuerungslücke bei disquotalen Einlagen in Kapitalgesellschaften schließen, die sich insbesondere aufgrund des BFH-Urteils vom 9. Dezember 2009 ergab.

Hintergrund der Gesetzesänderung

Im Rahmen von disquotalen Einlagen in Kapitalgesellschaften urteilte der BFH bis vor Einführung der Norm des § 7 Abs. 8 ErbStG wie folgt:

  • Keine Schenkung des einbringenden Gesellschafters an die Mitgesellschafter: Im Verhältnis zwischen dem einbringenden Gesellschafter zu den anderen Gesellschaftern liegt keine freigebige Zuwendung vor. Für die Frage, wer an einer freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG beteiligt ist, kommt es ausschließlich auf die Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise Vermögen oder Einkommen zuzurechnen ist. Aufgrund der rechtlichen Eigenständigkeit des Gesellschaftsvermögens der Kapitalgesellschaft fehlt es an einer zivilrechtlichen Vermögensverschiebung zwischen den Gesellschaftern. Die Erhöhung des Werts der Beteiligung des Mitgesellschafters als reflexartige Wertsteigerung des Geschäftsanteils ist bloße Folge der Erhöhung des Gesellschaftsvermögens und daher kein geeigneter Zuwendungsgegenstand bzw. stellt keine substantielle Vermögensverschiebung dar.
  • Keine Schenkung des einbringenden Gesellschafters an die Kapitalgesellschaft: Im Verhältnis zwischen dem einbringenden Gesellschafter zur (empfangenden) Kapitalgesellschaft liegt ebenfalls keine freigebige Zuwendung (in Höhe des überproportionalen Teils) vor. Diese Leistungen bzw. Zuwendungen dienen zumeist dem Gesellschaftszweck (causa societatis) und haben damit ihren Rechtsgrund in der allgemeinen mitgliedschaftlichen Zweckförderungspflicht bzw. im Gemeinschaftsverhältnis, womit eine Unentgeltlichkeit bzw. Freigebigkeit an die Kapitalgesellschaft in der Regel ausgeschlossen wird.

Damit bestand eine Gesetzeslücke, denn eine direkte Zuwendung des einbringenden Gesellschafters an den bzw. die Mitgesellschafter würde grundsätzlich eine freigebige Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellen und der Schenkungsteuer unterliegen. 

Schenkung nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG

Als Schenkung gilt gem. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt.

Kein subjektiver Tatbestand notwendig

Im Gegensatz zur freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG setzt die Norm kein subjektives Element voraus, d.h. eine objektive Unentgeltlichkeit der Leistung des Zuwendenden ist keine Tatbestandsvoraussetzung.

Werterhöhung der Anteile als Tatbestand

Eine Werterhöhung von Anteilen an der Kapitalgesellschaft liegt nur dann vor, wenn der gemeine Wert des Anteils des Bedachten nach der Leistung des Zuwendenden an die Gesellschaft den gemeinen Wert des Anteils vor der Leistung übersteigt. 

Hierbei sind die Erkenntnismöglichkeiten und Wertvorstellungen der Gesellschafter im Zeitpunkt der Leistungsbewirkung maßgeblich. Sind die Parteien (bei wechselseitigen Leistungen) in nachvollziehbarer Weise und unter fremdüblichen Bedingungen übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Leistungen insgesamt ausgeglichen sind, liegt eine Steuerbarkeit nach § 7 Absatz 8 Satz 1 ErbStG grundsätzlich auch dann nicht vor, wenn sich dies anhand später gewonnener besserer Erkenntnisse als unzutreffend erweist. Die Finanzverwaltung geht von einem offensichtlichen Missverhältnis bei einer Wertdifferenz von mindestens 20 Prozent aus.

Die Bereicherung richtet sich nach der Erhöhung des gemeinen Werts der Anteile an der Kapitalgesellschaft und nicht nach dem Wert der Leistung des Zuwendenden, wobei laut Finanzverwaltung (im Regelfall) davon auszugehen ist, dass die Werterhöhung des gemeinen Werts der Anteile dem gemeinen Wert der Leistung des Zuwendenden entspricht.

Einschränkungen aufgrund des überschießenden Charakters des Tatbestands

Aufgrund des weiten Wortlauts der Norm des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG und seinem überschießenden Charakter kommt es bei ihrer Anwendung zu folgenden Einschränkungen:

  • An einer steuerbaren Leistung fehlt es, sofern auch die anderen Gesellschafter in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang Leistungen an die Kapitalgesellschaft erbringen, die insgesamt zu einer den Beteiligungsverhältnissen entsprechenden Werterhöhung der Gesellschaftsanteile aller Gesellschafter führen, bspw. bei kongruenten Einlagen, die zeitversetzt erbracht werden. Erforderlich soll hierbei im Rahmen einer Gesamtbetrachtung eine Abrede i.S. eines Gesamtplans sein, in dem im Zeitpunkt der Leistungserbringung die jeweiligen Leistungen bereits festgelegt wurden.
  • Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sind nicht nur Leistungen der anderen Gesellschafter an die Kapitalgesellschaft zu berücksichtigen, sondern auch Leistungen der Gesellschafter untereinander, durch die die Werterhöhung ausgeglichen wird.
  • Leistungen einzelner Gesellschafter führen auch dann zu keiner steuerbaren Werterhöhung der Gesellschaftsanteile von Mitgesellschaftern, soweit der Leistende als Gegenleistung zusätzliche Rechte in der Gesellschaft erlangt, bspw. die Verbesserung eines Gewinnanteils, zusätzliche Gesellschaftsanteile oder eine von den Geschäftsanteilen abweichende Liquidationsabrede.

Keine Steuerbegünstigung für Werterhöhung der Anteile

Es kommen keine Steuerbegünstigungen nach §§ 13a i.V.m. 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG in Betracht, denn steuerlich begünstigt sind dem Wortlaut der Norm nach Anteile an einer Kapitalgesellschaft, nicht aber die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft.

Vermeidung der Besteuerung durch gesellschafterbezogene Rücklagen

Um in Fällen einer disquotalen Einlage in Kapitalgesellschaften Schenkungsteuer zu vermeiden, wird die Errichtung einer schuldrechtlich gebundenen, gesellschafterbezogenen Rücklage bei der Kapitalgesellschaft, die spätestens bei Liquidation der Kapitalgesellschaft an den entsprechenden Gesellschafter zurückfließt, also zu keiner endgültigen Vermögensverschiebung führt, vorgeschlagen.

Selbst die Finanzverwaltung regelt in den Erbschaftsteuerrichtlinien, dass Leistungen einzelner Gesellschafter zu keiner nach § 7 Absatz 8 Satz 1 ErbStG steuerbaren Werterhöhung der Anteile von Mitgesellschaftern führen, soweit Zusatzabreden bestehen, die eine endgültige Vermögensverschiebung zugunsten der Mitgesellschafter verhindern. 

Weiterhin führt die Finanzverwaltung aus, dass Gleiches bei gesellschaftsvertraglich von den Beteiligungsverhältnissen abweichender Verteilung des Vermögens bei späterer Liquidation gilt sowie auch, soweit die Leistung als schuldrechtlich zugunsten des leistenden Gesellschafters gebundene Kapitalrücklage verbucht wird.

Bei gesellschafterbezogenen Rücklagen gilt es, weitere steuerliche Aspekte zu beachten

Zwar kann durch gesellschafterbezogene Rücklagen die Schenkungsteuer bei disquotalen Einlagen vermieden werden, allerdings gilt es im weiteren Verlauf, ungewollte steuerliche Aspekte und Auswirkungen zu bedenken und zu beachten, insbesondere:

  • Ertragsteuer (Thema: Nachträgliche Anschaffungskosten)
  • Ertragsteuer (Thema: Einlagenrückgewähr)
  • Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer (Thema: Bewertung)

Der Liquiditätsbedarf eines Unternehmens wird in der Praxis oftmals über disquotale Einlagen gedeckt, bei der es allerdings weitere steuerliche Aspekte zu beachten gilt  

Die Vorschriften des § 7 Abs. 8 ErbStG sollen nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere eine Besteuerungslücke bei disquotalen Einlagen in Kapitalgesellschaften schließen. 

Aufgrund der Weite des Tatbestands der Regelungen ergeben sich jedoch zahlreiche komplexe Fallgestaltungen und Fragen. 

Sofern Unternehmen Liquiditätsbedarf haben, jedoch nicht alle Gesellschafter (quotal) Einlagen leisten möchten und/oder können, besteht in der Praxis bei disquotalen Einlagen häufig die Sorge vor schenkungsteuerlichen Konsequenzen.

Um schenkungsteuerliche Folgen zu vermeiden, bieten sich insbesondere gesellschafterbezogene Rücklagen an. Allerdings sind hierbei im Fortgang weitere steuerliche Aspekte und Auswirkungen zu beachten.

Mehr zum Thema disquotale Einlagen in Kapitalgesellschaften im aktuellen Themen-Special NWB Erben und Vermögen „Schenkungsteuerliche Behandlung von disquotalen Einlagen″.

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