29. Juli 2021
Abmahnung Nebentätigkeit Einwilligung
Arbeitsrecht

Abmahnung des „Ran an den Speck“-Redakteurs bestätigt

Abmahnung eines Redakteurs rechtmäßig, welche ihm gegenüber nach der Veröffentlichung bei einer Konkurrenzzeitung ohne vorherige Einwilligung seines Arbeitgebers ausgesprochen wurde.

Grundsätzlich ist es üblich, dass Arbeits- oder Tarifverträge die Anzeige von geplanten Nebentätigkeiten vorsehen. Bei gravierenden Verstößen hiergegen kann eine Abmahnung oder gar eine Kündigung gerechtfertigt sein. 

In einem aktuellen Urteil des BAG vom 15. Juni 2021 (9 AZR 413/19) befasste sich das Gericht mit genau einer solchen Konstellation. Hintergrund der Entscheidung war eine von seinem Verlag (Arbeitgeber) ausgesprochene Abmahnung gegenüber einem Redakteur, welche ihm aufgrund einer nicht gestatteten Nebentätigkeit in Form der Veröffentlichung eines Beitrags in einem Konkurrenzblatt erteilt wurde. Was war passiert? 

Redaktion streicht Passage 

Der klagende Redakteur einer deutschen Zeitung nahm im Rahmen einer Dienstreise an der Standorteröffnung eines deutschen Unternehmens in den USA teil. Hierüber sollte er für die beklagte Zeitung berichten. In seinem Artikel schilderte der Redakteur unter anderem eine eher pikante Situation mit der Unternehmerin im Rahmen der Standorteröffnung. Diese solle ihm in den Hüftspeck gekniffen haben, nachdem er Fingerfood mit der Bemerkung ablehnte, er habe „zu viel Speck über‘m Gürtel“.

Diese Passage wurde durch die Redaktion im Artikel des Redakteurs ersatzlos gestrichen. Auch die erneute Nachfrage des Redakteurs, ob die Passage nicht im Rahmen der „#MeToo-Debatte“ veröffentlicht werden könnte, verneinte der Chefredakteur. Auf die Aussage des Redakteurs, er könne den Artikel auch bei einer anderen Zeitung veröffentlichen, erinnerte der Chefredakteur ihn an das der Veröffentlichung entgegenstehende Konkurrenzverbot in seinem Arbeitsvertrag. 

Abmahnung erteilt nach anderweitiger Veröffentlichung 

Ohne weitere Absprache erschien der Beitrag des Redakteurs unter dem Titel „Ran an den Speck″ in einem Konkurrenzblatt. Als Reaktion hierauf mahnte der Zeitungsverlag den Redakteur ab. Begründet wurde die Abmahnung mit einem Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Verpflichtung, vor einer Veröffentlichung in einem Konkurrenzblatt die schriftliche Einwilligung des Chefredakteurs einzuholen. 

Verstoß gegen Pflicht zur Anzeige der Nebentätigkeit

Auf das Arbeitsverhältnis zwischen Redakteur und Verlag findet der Manteltarifvertrag für Redakteurinnen/Redakteure an Zeitschriften i.d.F. vom 4. November 2011 (MTV) Anwendung. In diesem ist gem. § 13 Ziffer 3 MTV vorgesehen, dass Redakteurinnen/Redakteure, bevor sie während ihrer Tätigkeit bekannt gewordene Nachrichten veröffentlichen, die schriftliche Einwilligung des Verlages einholen müssen. Dies wurde im Arbeitsvertrag der Parteien auf die Einholung der Einwilligung der Chefredaktion abgeändert.

Redakteur sah durch den Einwilligungsvorbehalt seine Grundrechte verletzt

Der Redakteur argumentierte, dass dem Einwilligungsvorbehalt insbesondere seine Grundrechte auf Berufsfreiheit, Pressefreiheit sowie die Verletzung von Art. 10 Abs. 1 EMRK entgegenstehen. Eine Einwilligung sei hier nicht erforderlich gewesen, weil die Zeitung eine Veröffentlichung endgültig abgelehnt habe, um die Unternehmerin zu schützen. Daher sei die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.

Abmahnung war rechtmäßig: Nebentätigkeit muss schriftlich bewilligt werden 

Die Richter entschieden auch in letzter Instanz, dass die Pflicht des Redakteurs bestand, sich vorab eine schriftliche Einwilligung einzuholen. Diese solle dem Verlag insbesondere die Möglichkeit verschaffen, vor einer Veröffentlichung zu prüfen, ob seine berechtigten Interessen verletzt werden. Eine Nebentätigkeit ohne vorherige Einwilligung könne deswegen eine Abmahnung rechtfertigen. Dies gilt insbesondere deswegen, weil der Redakteur gegen eine Versagung der Einwilligung hätte gerichtlich vorgehen können. 

Wäre in einem solchen Gerichtsverfahren die beklagte Zeitung zur Erteilung der Einwilligung verurteilt worden? Diese spannende Folgefrage musste im Zuge des Rechtsstreits nicht beantwortet werden. Hier hätten sich Persönlichkeitsrechte des Redakteurs und u.a. das „Recht auf gute Beziehung″ der Zeitung zu Wirtschaftskreisen gegenübergestanden. Vielleicht wäre eine solche gerichtliche Entscheidung gerade unter dem Eindruck der „#MeToo-Debatte“ sogar zugunsten des klagenden Redakteurs ausgegangen.

Urheberrechtliches Rückrufrecht führt zu keinem anderen Ergebnis

Auch unter dem Aspekt des urheberrechtlichen Rückrufrechts ergab sich vorliegend übrigens nichts anderes. Denn der MTV entschärft diese urheberrechtliche Waffe deutlich.

Über § 12 Ziff. 1 Satz 1 MTV räumen Redakteurinnen/Redakteuren ihrem Verlag ein räumlich und inhaltlich unbeschränktes Nutzungsrecht an den Urheberrechten ein, die sie in Erfüllung ihrer vertraglichen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis erworben haben. Übt ein Verlag dieses Nutzungsrecht nicht aus, können Redakteurinnen/Redakteure es gemäß § 12 Ziff. 5 Abs. 2 MTV frühestens nach 12 Monaten zurückrufen. Aber selbst nach erfolgtem Rückruf dürfen Redakteurinnen/Redakteure gemäß § 12 Ziff. 5 Abs. 4 MTV den betroffenen Text nur verwerten, wenn dies den berechtigten Interessen des Verlags nicht abträglich ist.

Vorliegend war zum einen die Frist von 12 Monaten noch nicht abgelaufen. Zum anderen bleibt es aber auch nach diesem Fristablauf bei dem Einwilligungsvorbehalt nach § 13 Ziffer 3 MTV. Unter dem MTV geht daher bei einer beabsichtigten Verwertung von Texten in Konkurrenzblättern für Redakteurinnen/Redakteure kein Weg an ihrer jeweiligen Chefredaktion oder dem Verlag vorbei.

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