Die Digitalisierung macht Arbeiten 4.0 möglich. Wir zeigen auf, mit welchen Herausforderungen Arbeitgeber und -nehmer konfrontiert werden.
Mit dem Laptop am Strand liegen und Kundenanfragen beantworten? Oder dienstags mit dem Sohn zum Fußball gehen und dafür samstags im Home Office arbeiten? Die Technik macht es möglich, dass Dienstleistungen zeitlich und örtlich flexibel erbracht werden.
Das Bundesarbeitsministerium hat dieses Jahr den sog. Dialog „Arbeiten 4.0″ gestartet und damit – unter anderem – eine Diskussion darüber angeregt, wie wir in Zukunft arbeiten möchten. Da der digitale Fortschritt den Beschäftigten mehr Flexibilität in zeitlicher und örtlicher Hinsicht ermöglicht, ist ein wichtiger Aspekt der aktuellen Diskussion die sog. „zeitliche und örtliche Entgrenzung″ der Arbeitsleistung. Der vorliegende Beitrag untersucht die Frage, ob die aktuellen Pläne und Visionen mit dem derzeit geltenden Arbeitsrecht vereinbar sind.
Arbeiten 4.0 – was ist das?
Der Begriff „Arbeiten 4.0″ ist angelehnt an den bereits seit längerem diskutierten Begriff „Industrie 4.0„, der die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung der Fertigungstechnik beschreibt. Im Rahmen der Diskussion über die neuen Möglichkeiten eines „Arbeiten 4.0″ richtet sich der Blick nun speziell auf die digitalisierte Arbeitswelt von heute, morgen und übermorgen. Diese ist – so ist man sich einig – insbesondere geprägt durch ein „zeitlich und örtlich entgrenztes″ Arbeiten.
Vor- und Nachteile der Arbeitsvertragsparteien
Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung der Arbeitswelt werden Smartphones mit integriertem E-Mail- und Internetzugang, Tablet-PCs und Laptops längst nicht mehr nur von Vorständen, Geschäftsführern und oberen Führungskräften genutzt. Vielmehr stellen Unternehmen diese Arbeitsmittel auch „normalen″ Mitarbeitern zunehmend zur Verfügung. Die mit der Nutzung dieser modernen Kommunikationsmittel verbundene dauerhafte Erreichbarkeit wird von Arbeitnehmern häufig als belastend empfunden. Andererseits schätzen viele Mitarbeiter das „Arbeiten 4.0“ und damit neu gewonnene Flexibilität. Sie nutzen diese, um zum Beispiel außerhalb des Berufsverkehrs zur Arbeit zu fahren und morgens zunächst vom Home Office aus tätig zu sein. Eltern verlassen immer häufiger nachmittags das Büro, um Zeit mit der Familie zu verbringen, und nutzen dann noch einmal ihren Heimarbeitsplatz, sobald die Kinder im Bett sind. Arbeitgeber wiederum wissen es zu schätzen, dass Aufgaben mit Hilfe der digitalen Arbeitsmittel schneller und flexibler erledigt und Reisezeiten effizienter genutzt werden können.
„Arbeiten 4.0“ erfordert Einvernehmen
Ein Arbeitnehmer kann selbstverständlich nicht alleine entscheiden, wann und wo er arbeitet. Vielmehr setzt die Tätigkeit vom Home oder Mobile Office aus – ggf. außerhalb der klassischen Arbeitszeiten – das Einverständnis des Arbeitgebers voraus. Die Arbeitsvertragsparteien müssen sich daher vor Beginn des Arbeitsverhältnisses stets gut überlegen, welche Regelungen sie zum „Arbeiten 4.0“ treffen möchten.
Das Arbeitszeitgesetz – nicht mehr mit der modernen Arbeitswelt vereinbar
Das Arbeitszeitgesetz in seiner aktuellen Fassung verhindert derzeit allerdings, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer die mit der Digitalisierung der Arbeitswelt verbundenen Flexibilisierungschancen im Sinne des „Arbeiten 4.0“ effektiv und in vollem Umfang nutzen können. Reformbedürftig sind insbesondere folgende Regelungen:
- Die obligatorischen Ruhezeiten: Das Arbeitszeitgesetz verlangt, dass Arbeitnehmer nach ihrem Arbeitstag mindestens 11 Stunden pausieren müssen. Arbeitnehmer, die zum Beispiel nachmittags das Büro verlassen und sich um 21 Uhr nochmal für zwei Stunden zuhause an den Laptop setzen, dürfen die Arbeit am nächsten Morgen – streng genommen – nicht vor 10 Uhr wieder aufnehmen. Dabei hatte der Arbeitnehmer bereits nachmittags bzw. am frühen Abend eine Ruhepause und braucht nicht zwangsweise eine weitere 11-stündige Pause.
- Die strenge Sonn- und Feiertagsruhe: Arbeitnehmer dürfen an Sonn- und Feiertagen (von einigen Beschäftigungsbereichen, wie z. B. Rettungs- oder Pflegedienste, abgesehen) überhaupt nicht arbeiten. Insofern lässt das Arbeitszeitgesetz ein „Arbeiten 4.0“ nicht zu. Der Arbeitnehmer soll sonntags gerade „vorarbeiten″, um dafür z. B. dienstagnachmittags mit dem Kind zum Fußballtraining zu gehen.
- Der klassische 8-Stunden-Tag: Die tägliche Arbeitszeit darf acht Stunden grundsätzlich nicht (bzw. nicht regelmäßig) überschreiten. 12 oder 14 Stunden en bloc dürfen daher auch nicht im Home Office gearbeitet werden. Dabei können beispielsweise Eltern, die Teilzeit arbeiten, ein erhebliches Eigeninteresse daran haben, möglichst viel Arbeit an einem Tag zu erledigen, um an den anderen Tagen z. B. Zeit mit den Kindern verbringen zu können.
Gerade im Zusammenhang mit einer auch örtlich entgrenzten Arbeit kann man die Sinnhaftigkeit dieser aktuellen Regelungslage in Frage stellen. Der historische Gesetzgeber ging offensichtlich von einer „klassischen″, heute nicht mehr zeitgemäßen Arbeitswoche in den zeitlichen und räumlichen Grenzen der jeweiligen Betriebsorganisation aus. Eine Gesetzesreform ist hier überfällig.
Datenschutz gilt auch im Home und Mobile Office
Mit dem „Arbeiten 4.0“ gehen jedoch nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten einher. Arbeitgeber haben auch im Home oder Mobile Office die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die notwendige Datensicherheit zu gewährleisten. Insofern müssen die Daten auch bei zeitlich und örtlich entgrenztem Arbeiten etwa gegen Verlust geschützt werden. Arbeitgeber sollten daher ihre Mitarbeiter verpflichten, auch im Home und Mobile Office sorgfältig mit Kennwörtern u. ä. umzugehen
Arbeitsschutz im Home und Mobile Office
Schließlich ist zu beachten, dass auch das Arbeitsschutzrecht gleichermaßen außerhalb der Büroräume des Arbeitgebers gilt. Insofern sollten Arbeitgeber im Rahmen des „Arbeiten 4.0“ ggf. darauf achten, sich bei der Gewährung eines Home Offices ein Zugangsrecht zur Wohnung des Arbeitnehmers einräumen zu lassen, um die Wahrung der Vorschriften des Arbeitsschutzes überprüfen zu können. Selbstverständlich bedeutet dies nicht, dass der Arbeitgeber zu jeder Tages- und Nachtzeit das Home Office betreten darf. Und auch ein spontaner Besuch ist nicht zulässig. Nach vorheriger Abstimmung muss er die Wohnung des Arbeitnehmers aber betreten dürfen.
Die aktuelle Rechtslage steht dem „Arbeiten 4.0“ noch im Weg
Die im Zusammenhang mit dem Schlagwort „Arbeiten 4.0″ aufgezeigten Möglichkeiten einer räumlichen und zeitlichen Flexibilisierung der Arbeit sind rechtlich nicht unproblematisch. Viele Gestaltungsoptionen sind mit der aktuellen Rechtslage nicht vereinbar. Insofern ist eine Anpassung der Gesetze (etwa des Arbeitszeitgesetzes) an die heutigen gesellschaftlichen Bedürfnisse und technischen Rahmenbedingungen erforderlich. Der Gesetzgeber könnte damit eine zu begrüßende Antwort auf die Frage geben, „wie wir zukünftig arbeiten wollen″.
Dieser Beitrag entstand im Rahmen der Blog-Parade „Zukunft der Arbeit“ der Bitkom KnowTech.