24. Februar 2022
Erstattung Fußball Quarantäne
Arbeitsrecht

OLG Hamm: Keine Erstattungsansprüche für Fußballclub bei Quarantäneanordnung gegen Profifußballer

Das Land NRW muss dem SC Paderborn 07 das anteilige Gehalt eines Fußballprofis während der Quarantäne nicht erstatten.

Nachdem das Landgericht (LG) Münster in seinem Urteil vom 15. April 2021 (Az. 8 O 345/20) dem SC Paderborn einen Erstattungsanspruch gegen das Land Nordrhein-Westfalen zuerkannt hatte, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Hamm am 29. Oktober 2021 (Az. U 60/21) nun gegenteilig. Aus Sicht des OLG habe der Fußballclub keine „Entschädigung für einen Verdienstausfall“ des Fußballprofis geleistet, sondern lediglich dessen bestehenden Vergütungsanspruch erfüllt. Ein Erstattungsanspruch des Fußballclubs auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IFSG) scheide daher von vornherein aus.

Anlass für den Rechtsstreit war der positive Corona-Test eines Fußballprofis

Der Fußballprofi Luca Kilian wurde Anfang des Jahres 2020 positiv auf das Corona-Virus getestet. Daraufhin war für einige Spieler des Clubs eine zweiwöchige Quarantäne angeordnet worden, obwohl die Spieler selbst nicht erkrankt waren. 

Der SC Paderborn forderte auf Grundlage des IfSG eine Erstattung der in dieser Zeit gezahlten Entschädigung (in Höhe des Gehalts) an einen von der Quarantäne betroffenen Spieler. Der Fußballclub stellte sich dabei auf den Standpunkt, der Spieler habe im Zeitraum der Absonderungsverfügung keine Arbeitsleistung erbracht, sodass dieser nach dem Grundsatz „Kein Lohn ohne Arbeit“ seinen Vergütungsanspruch verloren habe. Die nach Ansicht des Clubs anstelle des Gehalts gezahlte „Entschädigung“ machte dieser auf Grundlage des IfSG im Wege eines Entschädigungsanspruchs gegenüber dem Land NRW geltend.

Voraussetzung für den Anspruch des Fußballclubs ist ein Verdienstausfall des Spielers 

Gem. § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG erhält ein Arbeitnehmer* eine Entschädigung, wenn er aufgrund einer Quarantäneanordnung gem. § 28 Abs. 1 i.V.m. § 30 IfSG an der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit gehindert war. Diese Entschädigung kann sich der Arbeitgeber, der die Entschädigung zunächst zahlen muss, erstatten lassen (§ 56 Abs. 5 S. 3 IfSG).

Voraussetzung für diesen Erstattungsanspruch ist, dass die Leistungen, die der Arbeitgeber an seinen Arbeitnehmer erbracht hat, eine „Entschädigung“ i.S.d. § 56 Abs. 1 IfSG darstellen. Dem betroffenen Arbeitnehmer muss also ein Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG zugestanden haben. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn dem Arbeitnehmer infolge der behördlich angeordneten Quarantäne ein Verdienstausfall entstanden wäre. Ein solcher liegt hingegen nicht vor, wenn dem Spieler für den fraglichen Zeitraum ein vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch auf Fortzahlung seines Gehalts gegen den Arbeitgeber zusteht.

Nach dem Grundsatz „Kein Lohn ohne Arbeit“ entfällt der Lohnanspruch eines Spielers grundsätzlich, wenn er seine Arbeitsleistung während der Quarantäne nicht erbringt. Von diesem Grundsatz ist eine Ausnahme zu machen, wenn die Voraussetzungen einer sog. „Lohnerhaltungsvorschrift“ erfüllt sind. Dazu zählen insbesondere § 615 BGB sowie § 616 BGB. Nach § 615 BGB kann der Spieler die Vergütung trotz fehlender Tätigkeit verlangen, wenn sich der Arbeitgeber in Annahmeverzug befindet, weil dieser das Risiko für den Ausfall zu tragen hat. Nach § 616 BGB bleibt der Vergütungsanspruch bestehen, wenn der Spieler unverschuldet aus einem in seiner Person liegenden Grund lediglich „für eine nicht erhebliche Zeit“ an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert ist.

Im vorliegenden Fall verneint das OLG Hamm einen Verdienstausfall und bejaht den Vergütungsanspruch des Profis während der Quarantäne: Zunächst geht das OLG bereits davon aus, dass die Arbeitsleistung während der Quarantäne im Home-Office abgeleistet wurde. Selbst bei Qualifizierung des Trainings im Home-Office als nicht ordnungsgemäße Arbeitsleistung sei der Vergütungsanspruch gem. § 615 BGB oder gem. § 616 BGB erhalten geblieben. Folglich habe der Fußballprofi bereits keine Entschädigung i.S.d. IfSG, sondern sein vertragliches Gehalt erhalten, sodass ein Erstattungsanspruch des Clubs von vornherein ausscheide.

Fußballprofis können Arbeitsleistung im Home-Office adäquat ableisten

Im Gegensatz zum LG Münster geht das OLG Hamm davon aus, dass dem Spieler auch für die Zeit der Quarantäneanordnung sein vertraglich vereinbarter Vergütungsanspruch zustand, weil er während der Quarantäne die von ihm vertraglich geschuldete Arbeitsleistung (im Home-Office) erbracht habe. 

Die Arbeitsleistung bestand nach Auffassung des OLG in der Ableistung des individuellen Trainingsplans, den der SC Paderborn für Spieler in häuslicher Quarantäne aufgestellt hatte. Die Überlassung individueller Trainingspläne und verschiedener Trainingsgeräte (wie Spinning-Bike, Ball oder Bänder) sah das OLG dabei als arbeitsrechtliche Weisung gem. §§ 611a BGB i.V.m. 106 GewO an. Mit dieser habe der Club die von den Spielern zu erbringende Arbeitsleistung konkretisiert und damit die Erwartung des Clubs zur Einhaltung der Pläne zum Ausdruck gebracht.

Der Umstand, dass der Spieler während der Quarantäne eine Vielzahl von einzelnen Arbeitstätigkeiten nicht mehr erbringen konnte, sei nicht relevant. Der abzuleistende Trainingsplan bleibe nach Feststellung des Gerichts auch in zeitlicher Hinsicht nicht in erheblicher Weise hinter den unter normalen Umständen zu erbringenden Tätigkeiten eines Profis zurück. Auch der Umstand, dass die Einhaltung nicht überprüfbar gewesen sei, ändere an der Qualifizierung als arbeitsrechtliche Weisung nichts, da auch anderen Arbeitgebern eine derartige Kontrolle bei einer Tätigkeit der Mitarbeitenden im Home-Office nicht immer möglich sei. Zuletzt führe auch der Umstand, dass der Spieler während der Quarantäne nicht am regulären Spielbetrieb teilnehmen konnte, nach Ansicht des OLG nicht zu einem (teilweisen) Entfall seines Vergütungsanspruchs. Auch unter normalen Spiel- und Trainingsbedingungen gäbe es Situationen, in denen ein Spiel abgesagt und die Spieler stattdessen z.B. ein Training zu absolvieren hätten.

Im Übrigen konnten auch die Spieler außerhalb der häuslichen Quarantäne nach der damals von der DFL beschlossenen vorübergehenden Einstellung des regulären Spielbetriebs die von ihnen nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung „Teilnahme an Bundesligaspielen“ nicht mehr erbringen.

Quarantäne als Betriebsstörung, § 615 S. 3 BGB

Hilfsweise bejaht das OLG auch einen Anspruch gem. § 615 BGB. Nach der genannten Vorschrift bleibt der Lohnanspruch des Spielers bestehen, wenn die Arbeit ausfällt und sich der Arbeitgeber in Annahmeverzug befindet, weil er das Risiko des Arbeitsausfalls zu tragen hat. Dabei sieht das OLG die Voraussetzung, dass der Club das Risiko für den Ausfall eines Spielers wegen einer Quarantäneanordnung tragen muss, als erfüllt an. Die Absonderungsverfügung sei allein aus im Betrieb des Clubs liegenden Gründen ergangen, weil der maßgebliche Kontakt des Spielers zu seinem positiv auf das Corona-Virus getesteten Mitspieler im Rahmen eines gemeinsamen Spiel- oder Trainingsbetriebes erfolgt sei. Für diesen Spiel- und Trainingsbetrieb trage aber der Club die Verantwortung und mithin auch das Risiko. 

Unter Berücksichtigung der Argumentation des OLG wäre der Sachverhalt im Hinblick auf § 615 BGB daher anders zu beurteilen, wenn der Spieler den maßgeblichen Kontakt zu einer infizierten Person im Rahmen seines privaten Umfeldes gehabt hätte. In einer solchen Situation ist es nicht vertretbar, das entsprechende Risiko eines Ausfalls allein dem Club aufzuerlegen. 

14-tägige Quarantäne als „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ i.S.d. § 616 S. 1 BGB

Als letzte gesetzliche Regelung zur Erhaltung des Lohnanspruchs führt das Gericht hilfsweise § 616 S. 1 BGB an. Danach behält der Spieler seinen Vergütungsanspruch, wenn er durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden für eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ verhindert wird. Nach Ansicht des OLG stelle die gegen den Spieler ergangene Absonderungsverfügung dabei einen in der Person des Spielers liegenden Grund dar, weil sich mit der Anordnung von Quarantänemaßnahmen ein personenbezogener Gefahrenverdacht verwirkliche. 

Der Zeitraum von 14 Tagen sei nach Ansicht des OLG dabei als „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ zu qualifizieren. Zur Begründung beruft sich das OLG darauf, dass es sich bei dem zweiwöchigen Ausfall lediglich um einen „Bruchteil der allgemein für Erkrankungen geltenden Sechs-Wochen-Frist“ handele.

Fazit: Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls maßgeblich 

Für die Durchsetzung von Erstattungsansprüchen nach dem IFSG müssen Clubs „drei Hürden überspringen“: § 56 IfSG, § 615 BGB sowie § 616 BGB. Nach Auffassung des OLG Hamm ist es dem Verein im vorliegenden Fall nicht gelungen, nur eine dieser Hürden zu überspringen.

Die gegensätzlichen Entscheidungen von LG und OLG zeigen aber auch, dass die Bewertung der konkreten Umstände des Einzelfalls von besonderer Bedeutung ist und zu erheblich abweichenden Ergebnissen führen kann. Auch das Urteil des OLG ist daher nicht geeignet, Erstattungsansprüche von Fußballclubs auf Grundlage von § 56 IfSG grundsätzlich zu verneinen. Maßgeblich ist insbesondere die Frage, ob die während der Quarantäne ausgeübte Tätigkeit von Fußballprofis im Home-Office einen adäquaten Ersatz der „normalen“ Tätigkeit eines Fußballers darstellt. Jedenfalls dann, wenn die Clubs ihren Spielern individuelle Trainingspläne und zusätzliche Geräte zur Verfügung gestellt haben, ist davon auszugehen, dass auch weitere Gerichte von einer adäquaten Tätigkeit ausgehen werden. Auch dieser Umstand führt aber nicht dazu, dass ein Erstattungsanspruch der Clubs generell ausscheidet. Die konkreten Umstände des Trainings bleiben weiterhin maßgeblich. Diesbezüglich hat das OLG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Trainingsmöglichkeiten während der Quarantäne in einem solchen Maße von dem regulären Trainingsbetrieb abweichen können, dass der betroffene Spieler zumindest anteilig an der Erbringung der von ihm eigentlich geschuldeten Arbeitsleistung gehindert sein kann (hierzu hatte der Club jedoch nichts konkret vorgetragen).

Für die Frage, ob die Lohnerhaltungsvorschrift nach § 615 BGB einschlägig ist, kommt es aus unserer Sicht maßgeblich darauf an, ob der für die Quarantäneanordnung maßgebliche Kontakt im privaten oder beruflichen Umfeld stattgefunden hat. Im Fall eines Kontaktes im privaten Umfeld ist es aus unserer Sicht nicht vertretbar, das entsprechende Risiko eines Ausfalls allein dem Club aufzuerlegen.

Die abschließende Argumentation des OLG im Hinblick auf § 616 BGB überzeugt nicht. Die pauschale Qualifizierung eines 14-tägigen Zeitraums als „nicht erhebliche Zeit“ erscheint insbesondere unter Berücksichtigung der Befristungssituation im Profisport sowie des vorgegebenen Spielplans nicht angemessen. Die vom OLG angeführte sechswöchige Frist hat die Rechtsprechung lediglich in einem Ausnahmefall anerkannt (BGH, Urteil v. 30. November 1978 – III ZR 43/77), sodass es verfehlt scheint, von einer allgemein für Erkrankungen geltenden Frist zu sprechen. Insoweit unterscheidet sich eine Quarantäne erheblich von den Fällen, die üblicherweise von der Regelung gem. § 616 BGB erfasst werden (z.B. Arztbesuche, ein Todesfall in der Familie, Ladung als Schöffe) und bei denen es zu einer deutlich kürzeren Verhinderung kommt. 

Soweit sich das OLG zudem auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere auf die Risikoverteilung zulasten des Clubs, bezieht, lässt sich daraus keine Allgemeingültigkeit ableiten. Unabhängig davon ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Quarantäneanordnung „ohne Verschulden“ des Arbeitnehmers ergangen ist.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Arbeitsrecht Coronavirus Erstattung Fußball Qurantäne Sportrecht Verdienstausfall verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit