Nordrhein-Westfalen muss dem SC Paderborn 07 wegen einer zweiwöchigen Quarantäne anteilig das Gehalt eines Fußballprofis erstatten. Ein Urteil mit Folgen?
Gemäß § 56 Abs. 1 S. 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) erhält ein Arbeitnehmer eine Entschädigung, wenn er aufgrund einer Quarantäneanordnung gem. § 28 Abs. 1 i.V.m. § 30 IfSG an der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit gehindert war. Diese Entschädigung kann sich der Arbeitgeber, der die Entschädigung zunächst zahlen muss, erstatten lassen.
Aber gilt das auch für Fußballclubs und Fußballprofis inklusive der regelmäßig hohen Gehälter? „Ja″, entschied das Landgericht Münster. Denn seit langem ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch Fußballprofis „Arbeitnehmer″ im Sinne diverser gesetzlicher Regelungen sind. Und so könnte das Urteil für weitere betroffene Vereine den Anlass bieten, ebenfalls tätig zu werden und etwaige Ansprüche geltend zu machen.
SC Paderborn 07 fordert Erstattung von Gehaltszahlungen während Quarantäne
Anlass für den Rechtsstreit war der positive Corona-Test des Fußballprofis Luca Kilian vor rund einem Jahr. Daraufhin war für einige Spieler des Clubs eine zweiwöchige Quarantäne angeordnet worden, obwohl die Spieler selbst nicht erkrankt waren.
Der SC Paderborn forderte auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes eine Erstattung des in dieser Zeit weiter gezahlten Gehalts an einen von der Quarantäne betroffenen Spieler. Die Ostwestfalen zielten aber nicht bloß auf die Erstattung des Gehalts für einen einzelnen Spieler ab. Vielmehr nutzte der Sportclub den Prozess vor dem Landgericht Münster als Musterprozess, um für alle von der Quarantäneanordnung betroffenen Spieler Ansprüche auf Erstattung geltend machen zu können.
Voraussetzung für eine Erstattung ist eine Quarantäneanordnung nach dem IfSG
Arbeitnehmer, die infolge einer Krankheit arbeitsunfähig sind und daher ihre Arbeitsleistung nicht erbringen können, erhalten für die Dauer von sechs Wochen Entgeltfortzahlung, sofern den Arbeitnehmer an der Arbeitsunfähigkeit kein Verschulden trifft. Für erkrankte Arbeitnehmer müssen Arbeitgeber das Gehalt daher gemäß § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) fortzahlen.
Im Fall einer Quarantäneanordnung ist der Arbeitnehmer – je nach Tätigkeit des Arbeitnehmers – unter Umständen ebenfalls gehindert, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 3 EFZG hat er in diesem Fall jedoch nicht – jedenfalls nicht, solange er nicht erkrankt ist. Diesen Fall deckt § 56 Abs. 1 S. 2 IfSG ab und sieht einen Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers vor, wenn er aufgrund einer Quarantäneanordnung an der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit gehindert war.
Für den Arbeitnehmer selbst macht es keinen Unterschied, ob er aufgrund der Erkrankung nach § 3 EFZG oder aufgrund der Quarantäneanordnung nach dem IfSG weiterbezahlt wird.
Für den Arbeitgeber hingegen ist die Rechtsgrundlage entscheidend, da der Arbeitgeber die mögliche Entschädigung seines Arbeitnehmers nach dem Infektionsschutzgesetz gemäß § 56 Abs. 5 IfSG geltend machen kann. Danach zahlt der Arbeitgeber die Entschädigung zwar zunächst aus, kann sich diese auf Antrag von der zuständigen Behörde jedoch erstatten lassen. Bei einer Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist eine solche Erstattung gesetzlich nicht vorgesehen.
Höhe der Entschädigung gemäß IfSG nach oben hin nicht begrenzt
Gemäß § 56 Abs. 2 IfSG bemisst sich die Höhe der Entschädigung nach dem Verdienstausfall, also nach dem üblicherweise im Zeitraum der Quarantäneanordnung gezahlten Gehalt. Grundlage ist das Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer üblicherweise zusteht, vermindert um Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung (§ 56 Abs. 3 S. 1 IfSG). Ein finanzielles Limit sieht das Gesetz grundsätzlich nicht vor bzw. erst bei Überschreiten eines Zeitraums von sechs Wochen (§ 56 Abs. 2 S. 3 IfSG).
Gerade bei gut bezahlten Profifußballern sehen sich die Bundesländer daher gegebenenfalls hohen Forderungen ausgesetzt. In dem entschiedenen Fall ging es laut Presseberichten um Gehaltszahlungen eines einzelnen Spielers von knapp EUR 10.000 – für einen zweiwöchigen Zeitraum.
Vor allem das Land Berlin könnte das Urteil des Landgerichts Münster mit Sorge zur Kenntnis genommen haben. Denn die Spieler und Trainer des dort beheimateten Vereins Hertha BSC wurden erst kürzlich vollständig für zwei Wochen in Quarantäne geschickt, nachdem dort mehrere Spieler und Trainer positiv auf das Corona-Virus getestet wurden.
Besonderheiten bei Profifußballern im Rahmen des § 56 IfSG
Die Streitfrage in dem Verfahren vor dem Landgericht Münster drehte sich insbesondere darum, ob die Spieler des SC Paderborn tatsächlich aufgrund der Quarantäneanordnung nicht in der Lage waren, ihre Tätigkeit für den Arbeitgeber auszuüben. Denn ein Arbeitnehmer erleidet keinen Verdienstausfall, wenn er trotz der Quarantäne durch arbeitsorganisatorische Umstellungen, also beispielsweise einer Tätigkeit im Homeoffice, seiner Erwerbstätigkeit weiterhin nachgehen kann.
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe als Vertreter des Landes Nordrhein-Westfalen vertrat den Standpunkt, die Spieler wären in einer Art Homeoffice tätig gewesen. Sie seien somit nicht berechtigt, eine Entschädigung für Verdienstausfall geltend zu machen. Der Landschaftsverband argumentierte insbesondere dahingehend, den Spielern sei es trotz Quarantäneanordnung möglich gewesen, auf Laufbändern oder mit Fitnessübungen zu trainieren und insoweit die Arbeitsleistung zu erbringen.
Home-Office bei Profifußballern keine adäquate Arbeitsleistung
Der Argumentation, für Fußballer stelle ein Laufband oder Fitnessübungen einen adäquaten Ersatz für die berufliche Tätigkeit dar, folgte das Landgericht Münster letztlich nicht.
Für die Ansicht des Verbandes lässt sich anführen, dass die Fitness eines Spielers die Grundlage seiner sportlichen Leistungsfähigkeit und damit den Kern seiner Tätigkeit darstellt. In der Quarantäne war es den Spielern mithilfe von zur Verfügung gestellten Fitnessgeräten möglich, an ebendieser Fitness zu arbeiten. Zudem sind Team-Besprechungen oder die Kommunikation zwischen Trainern und Spieler auch mittels Video-Calls möglich. Auch die zuletzt durch ebenfalls von Quarantäneanordnungen betroffenen Vereine erzielten Ergebnisse belegen, dass die sportliche Leistungsfähigkeit nicht unter der Quarantäne leiden muss.
Zugleich beinhaltet ein Fußballtraining jedoch auch zahlreiche außerhalb von reinen Fitnesstrainings liegende Facetten wie beispielsweise Schnelligkeit, Taktik oder Technik. Argumentativ lässt sich daher auch anführen, dass ein reines Konditionstraining von einem fußballspezifischen Konditionstraining zu unterscheiden ist. So konstatierten mehrere Profis bei Aufnahme des Spielbetriebs nach der ersten Welle des Virus im Sommer 2020, trotz Konditionstrainings auf Laufbändern oder Fahrrädern derartige Belastungen nicht mehr gewohnt zu sein.
Das Landgericht Münster war der Ansicht, dass das Training der Profis daheim nicht als Home-Office und somit adäquate Arbeitsleistung zu werten ist. Es sei kein geordnetes Training möglich. Die Spieler haben weder Sprintübungen noch das übliche Training in Kleingruppen absolvieren können. Außerdem habe der Arbeitgeber keine Möglichkeit gehabt, das Trainingspensum zu kontrollieren.
Auch andere Vereine könnten Ansprüche auf Entschädigungen nach dem IfSG geltend machen
Das IfSG ist dem Wortlaut nach bezüglich des Verdienstausfalls von Arbeitnehmern dem Grunde als auch der Höhe nach eindeutig. Dass dieser Anspruch zudem für Profisportler und vor allem in voller Höhe des Gehalts gegeben sein kann, hat das Landgericht Münster entgegen der Auffassung des Landschaftsverbandes entschieden. Durch das Urteil könnte sich somit für einige Sportvereine ebenfalls die Möglichkeit ergeben, Ansprüche geltend zu machen.
Der bekannteste dieser Vereine ist derzeit Hertha BSC Berlin. Auch waren mehrere Zweitligisten wie beispielsweise Holstein Kiel und der Karlsruher SC jüngst von Quarantäneanordnungen betroffen. Die Gehälter bei den Beteiligten von Hertha BSC dürften dabei deutlich über denen der Spieler des SC Paderborn liegen.
Eine Besonderheit kann sich ergeben, wenn auch gegenüber dem Trainer eine Quarantäneanordnung ergeht. Dessen Tätigkeit im Home-Office wäre denkbar. Die Arbeit eines Trainers findet zu großen Teilen außerhalb des Trainingsplatzes durch Gespräche, Analysen sowie Planung und Gestaltung von Trainings- und Spielplänen -oder Taktiken statt. Auch bei der Arbeit eines Fitnesstrainers ist ein Home-Office mittels Video-Calls zu den Spielern vorstellbar.
Besonderheiten des Profifußballs auch in Zukunft zu berücksichtigen
Es ist also mit Spannung zu erwarten, ob und in welchem Ausmaß weitere Vereine eine Erstattung beim Land geltend machen werden und ob diesbezüglich weitere Entscheidungen ergehen. Die Besonderheiten des Profifußballs werden auch bei zukünftigen Entscheidungen maßgeblich zu berücksichtigen sein.
Die Frist zur Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs gegenüber der zuständigen Behörde beträgt gemäß § 56 Abs. 11 S. 1 IfSG zwei Jahre ab Beendigung der Quarantäne. Für weitere Verfahren werden jedoch aufgrund der mit Wirkung zum 19. November 2020 eingetretenen Gesetzesänderung nunmehr die Verwaltungsgerichte zuständig sein (vgl. § 68 Abs. 1 IfSG).