9. April 2014
Arbeitsrecht

Arbeitsrechtliche Vorhaben der Großen Koalition

Arbeitgeber beziehungsweise HR-Abteilungen sollten die relevanten Eckpunkte des Koalitionsvertrags kennen, um in den nächsten Monaten nicht überrascht zu werden. Von Mindestlohn über Teilzeit bis hin zu Werkverträgen – hier ein Überblick darüber, was CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vom 27. November 2013 im Bereich Arbeitsrecht vereinbart haben und welche Umsetzungsschritte bereits eingeleitet wurden.

Zeitarbeit

Die Zeitarbeit als echte Alternative zum Ersatz der Stammbelegschaft wird es nach den Plänen der Koalition künftig nicht mehr geben. Dies deshalb, weil die Überlassungshöchstdauer auf 18 Monate beschränkt und bereits nach 9 Monaten der Equal-Pay-Grundsatz gelten soll. Das entsprechende Gesetz stellt hoffentlich klar, ob die zeitliche Begrenzung arbeitnehmer- oder arbeitsplatzbezogen zu ermitteln ist und welche Folgen eine Überschreitung der Höchstdauer haben wird.

Auch andere bislang gewohnte Vorzüge der Zeitarbeit werden eingeschränkt. So dürfen Zeitarbeitnehmer künftig nicht mehr als Streikbrecher eingesetzt werden und zählen im Kundenbetrieb bei den Schwellenwerten des BetrVG mit. Ob dies dann auch für die Schwellenwerte bei der unternehmerischen Mitbestimmung (MitbestG/DrittelbG) oder bei Massenentlassungen (§17 KSchG) der Fall sein wird, ist nach dem Koalitionsvertrag offen und bleibt abzuwarten.

Werkverträge

In Anknüpfung an den SPD-Gesetzesentwurf zur Bekämpfung von Werkverträgen vom 28. Oktober 2013 legt der Koalitionsvertrag fest, künftig rechtswidrige Vertragskonstruktionen zu Lasten der Arbeitnehmer zu verhindern. Gemeint sind Scheinwerkverträge, die in Wahrheit Arbeitnehmerüberlassung zum Inhalt haben.

Hier bietet eine (vorsorglich eingeholte) Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis als „Rettungsschirm″ künftig keine Sicherheit mehr: Wer Scheinwerkverträge abschließt, soll wie derjenige behandelt werden, der unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung betreibt.

Gesetzlicher Mindestlohn und tarifliche Mindestlöhne

Zum 1. Januar 2015 wird flächendeckend ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Zeitstunde eingeführt. Bis Ende 2016 sollen tarifliche Abweichungen, also niedrigere Mindestlöhne, noch möglich sein, danach nicht mehr.

Das Bundeskabinett hat am 2. April 2014 über den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie beschlossen. Dieser enthält nur wenige Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn, etwa für „Pflichtpraktikanten″, Langzeitarbeitslose, Auszubildende und ehrenamtlich Tätige. Die Beratungen im Bundestag sollen noch vor der Sommerpause abgeschlossen werden. Die Beschlussfassung im Bundesrat ist für September 2014 geplant, so dass das Gesetz pünktlich zum 1. Januar 2015 in Kraft treten kann.

Um auch tariflichen Mindestlöhnen künftig mehr Geltung zu verschaffen, soll der Anwendungsbereich des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG) für alle Branchen geöffnet werden. Die Ausweitung tariflicher Mindestlöhne kann dann durch Rechtsverordnung erfolgen und auch solche Arbeitgeber erfassen, die nicht tarifgebunden sind.

Tarifeinheit

Nach dem Willen der Koalition soll der Grundsatz „Ein Betrieb, ein Tarifvertrag“ gesetzlich festgeschrieben werden. Damit soll die gegenwärtige Zersplitterung des Tarifsystems in Unternehmen beendet werden.

Bei einer solchen Gesetzgebung darf allerdings die grundrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmern nicht außer Acht gelassen werden; vor diesem Hintergrund wird dieses Ziel der Großen Koalition in der Fachwelt überwiegend kritisch gesehen.

Teilzeitbeschäftigung

Teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern sollen mehr Rechte eingeräumt werden, um gegenwärtige Nachteile der Teilzeittätigkeit auszugleichen. Exemplarisch wird im Koalitionsvertrag angeführt, dass es künftig einen Anspruch auf befristete Teilzeit (derzeit sind nur unbefristete Teilzeitanträge zulässig!) mit Rückkehrrecht zur früheren Arbeitszeit gibt.

Welche weiteren Maßnahmen zur Beseitigung von Nachteilen ergriffen werden sollen, sagt der Koalitionsvertrag nicht. Diskutiert wird etwa die Angleichung der Ablehnungsgründe an die Maßstäbe des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG).

Lebenslaufbezogenes Arbeiten

Insbesondere aufgrund des bereits vorhandenen Fachkräftemangels, aber auch zum Schutz und zur Weitergabe von Know-how an jüngere Arbeitnehmer will die Große Koalition die Beschäftigung von älteren Arbeitnehmern unterstützen. Der Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand soll flexibel gestaltbar und dadurch ein lebenslaufbezogenes Arbeiten ermöglicht werden.

Welche Maßnahmen hierzu ergriffen werden sollen, bleibt offen. Wünschenswert wären etwa erleichterte Befristungsmöglichkeiten.

Sonstige Ziele

Einige weitere Themen des Koalitionsvertrags sind eine Frauenquote in Aufsichtsräten sowie im obersten Management, die Vergütung von Vorständen, Entgeltgleichheit von Männern und Frauen, ElterngeldPlus und die Verlängerung der Elternzeit. Die sogenannte Mütterrente und die abschlagsfreie Rente für langjährig Beschäftigte ab Vollendung des 63. Lebensjahres sollen bereits ab dem 1. Juli 2014 in Kraft treten.

Mit welcher Geschwindigkeit und welchem Inhalt die einzelnen Vorhaben der Großen Koalition auf den Weg gebracht werden, bleibt – soweit noch nicht absehbar – abzuwarten. Arbeitgeber sollten die Entwicklungen und Auswirkungen auf ihre betriebliche Praxis jedenfalls aufmerksam verfolgen.

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