16. September 2019
AU Bescheinigung Meldepflicht
Arbeitsrecht

AU-Bescheinigung adé?

Das Bundeswirtschaftsministerium will die Meldepflicht der Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit ändern. Wir informieren über die geplanten Vorschriften.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat sein seit längerem angekündigtes drittes Bürokratieentlastungsgesetz (BEG III) vorgelegt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier stellte es am 10. September 2019 vor. Ziel des Gesetzes ist der Abbau „überbordender Bürokratie″, die die Wirtschaft belaste.

Eine der Änderungen betrifft § 5 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG), der die Meldepflicht der Beschäftigten* im Fall der Arbeitsunfähigkeit betrifft.

Meldepflicht und AU-Bescheinigung

Wir erinnern uns: Der Mensch wird krank. Eine Krankheit kann sogar dazu führen, dass man unfähig ist, zu arbeiten (Arbeitsunfähigkeit). In diesem Fall sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach § 5 EFZG verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit unverzüglich mitzuteilen.

  1. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Diese ärztliche Bescheinigung hat ihre Tücken. Zuletzt war das Verfahren Anfang des Jahres 2016 durch geänderte Formulare angepasst und vereinfacht worden.

Neue Vorschriften im EFZG und SGB IV geplant

Die AU-Bescheinigung, nach wie vor gerne „gelber Zettel″ genannt, soll nun in bestimmten Fällen überflüssig werden. Hierfür sieht das Bürokratieentlastungsgesetz in § 5 EFZG einen neuen Absatz 1a vor, der lauten soll:

Absatz 1 Satz 2 bis 5 gilt nicht für Arbeitnehmer, die Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sind. Diese sind verpflichtet, zu den in Abs. 1 Satz 2 bis 4 genannten Zeitpunkten das Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer feststellen und sich eine ärztliche Bescheinigung nach Abs. 1 Satz 2 oder 4 aushändigen zu lassen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für geringfügige Beschäftigung in Privathaushalten (§ 8a viertes Buch SGB) oder bei Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt.

Parallel dazu sind Änderungen im vierten Sozialgesetzbuch (SGB IV), das die Krankenversicherung regelt, vorgesehen. § 109 SGB IV über die „Meldung der Arbeitsunfähigkeit und Vorerkrankungszeiten an die Arbeitgeber″ soll folgendermaßen aussehen:

  1. Die Krankenkasse hat nach Eingang der Daten nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Fünften Buches eine Meldung zum Abruf für den Arbeitgeber zu erstellen, die die Daten über den Namen des Beschäftigten, den Beginn und das Ende der Arbeitsunfähigkeit, das Ausstelldatum und die Kennzeichnung als Erst- oder Folgemeldung enthält. In den Fällen, in denen die Krankenkasse die Daten nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Fünften Buches für ein geringfügig beschäftigtes Mitglied erhält, hat sie diese Daten nach Satz 1 am Tag des Eingangs an die zuständige Einzugsstelle bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zur Bereitstellung zum Abruf für den Arbeitgeber zu übermitteln. Unberührt bleibt die Verpflichtung des behandelnden Arztes, dem Versicherten eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit nach § 73 Absatz 2 Satz 1 Nummer 9 des Fünften Buches in Verbindung mit § 5 Absatz 1a Satz 2 Entgeltfortzahlungsgesetz auszuhändigen.

  2. Im Falle einer Mehrfachbeschäftigung können Beschäftigte bis zum Abruf durch den Arbeitgeber gegenüber der Krankenkasse die Sperrung des Abrufes für einen oder mehrere Arbeitgeber verlangen.

  3. Stellt die Krankenkasse auf Grundlage der Angaben zur Diagnose in den Meldungen nach § 295 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Fünften Buches und weiteren ihr vorliegenden Daten fest, dass die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wegen anrechenbarer Vorerkrankungszeiten für einen Arbeitgeber ausläuft, übermittelt sie dem betroffenen Arbeitgeber eine Meldung mit den Angaben über die für ihn relevanten Vorerkrankungszeiten. Satz 1 gilt nicht für geringfügige Beschäftigte.

  4. Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Beschäftigte nach § 12.

  5. Das Nähere zu den Angaben und zum Verfahren regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in Grundsätzen. Die Grundsätze bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft; die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände ist vorher anzuhören.

Versicherte sollen weitestgehend von Vorlagepflicht der AU-Bescheinigung befreit werden

Nach den Vorstellungen des Ministeriums soll also die Krankenkasse gesetzlich krankenversicherter Arbeitnehmer dem jeweiligen Arbeitgeber zahlreiche Daten „in elektronischer Form als Meldung zum Abruf″ bereitstellen, sobald sie die Arbeitsunfähigkeitsmeldung des Arztes erhält. Dazu gehören der Name, Beginn und Ende der AU, das Ausstellungsdatum und die Kennzeichnung, ob es sich um eine Ersterkrankung oder eine Folgemeldung handelt.

Gleichzeitig soll die Pflicht des Arbeitnehmers entfallen, dem Arbeitgeber die AU-Bescheinigung vorzulegen. Dies gilt nicht für diejenigen Beschäftigten, die nicht gesetzlich krankenversichert sind oder bei denen die elektronische Meldung nicht greift. Das wiederum sind geringfügig Beschäftigte in Privathaushalten oder die Fälle, in denen die Arbeitsunfähigkeit nicht durch einen Arzt erfolgt, der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt.

Meldepflicht für Arbeitnehmer bleibt bestehen

Die Krankenkassen werden im Ergebnis die Übermittler der Arbeitsunfähigkeit, wenn das Gesetz so in Kraft tritt. Allerdings ist die Information für den Arbeitgeber als „Meldung zum Abruf″ vorgesehen. Der Arbeitgeber muss bei der Krankenkasse abrufen, ob AU-Bescheinigungen für ihn vorliegen.

Bescheid sagen, dass er nicht arbeiten kann, muss der Arbeitnehmer auch weiterhin: Denn § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG bleibt unberührt. Von der Papierbescheinigung für den Arbeitnehmer sieht der Entwurf ebenso nicht ab. Der Arbeitnehmer solle weiterhin ein Beweismittel erhalten, mit dem von der Rechtsprechung zugebilligten hohen Beweiswert für Störfälle. Hierunter versteht das Ministerium die „fehlgeschlagene Übermittlung im elektronischen Verfahren„.

AU-Bescheinigung auf Abruf – Eine Änderung zum Besseren?

Richtig: Durch die Änderungen wird die Versendung der AU-Bescheinigung gespart. Aber in wie vielen Fällen reichen Beschäftigte die Bescheinigung überhaupt noch per Briefumschlag mit Briefmarke ein?

Und ja: in den Personalabteilungen werden zukünftig nicht mehr die Daten aus AU-Bescheinigungen in Systeme eingegeben. Aber der so gesparte Aufwand wird möglicherweise durch den neuen Aufwand für den Abruf solcher Meldungen ersetzt.

Es bleibt zu hoffen, dass die Krankenkassen eine schnelle Weiterleitung der bei Ihnen eingehenden ärztlichen Meldungen für die Arbeitgeber ermöglichen.

Gleiches gilt für den nach § 109 Abs. 3 SGB IV vorgesehenen Hinweis der Krankenkasse, dass die Entgeltfortzahlung wegen anrechenbarer Vorerkrankungszeiten ausläuft. Hier müssen die Arbeitgeber auf eine schnelle eine Meldung mit den Angaben über die für ihn relevanten Vorerkrankungszeiten hoffen. Der Vorschlag spricht hier davon die Krankenkasse „übermittelt […] dem betroffenen Arbeitgeber eine Meldung„. Soll hier also kein Abruf durch den Arbeitgeber erfolgen, sondern er bekommt eine Nachricht der Krankenkasse? Wir hoffen, sie kommt nicht mit der Post.

Hilfreich wären auch elektronische Systeme, die ein einfaches „Überspielen″ der zur Verfügung gestellten Daten in die Personalverarbeitungssysteme der Unternehmen ermöglichen.

Was mit der neuen Regelung wegfiele, ist die Erkenntnis über den die Bescheinigung ausstellenden Arzt oder die ausstellende Ärztin. Und was bleibt, ist das Stück Papier, das der Arbeitnehmer ausgehändigt bekommt, um es hoffentlich für Zweifelsfälle aufzubewahren.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: AU-Bescheinigung Krankenkasse Meldepflicht Vorlagepflicht