Das Kreuzworträtsel der Zeit denkt seit vielen Jahren um die Ecke, aktuell in der 2192. Folge. Bevor der Arbeitgeber einen unbedachten Schritt tut, sollte er ähnliche Überlegungen anstellen, wie das Bundesarbeitsgericht wieder eindrucksvoll belegt hat. Hier der praktische Fall:
Wenn der kündigende Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr sehen will, dann stellt er ihn frei.
Was aber mit dem Urlaub? Den will er nicht auch noch gewähren oder abgelten müssen. Also wird der Arbeitgeber die Freistellung als unwiderrufliche aussprechen und Urlaub ausdrücklich auf die Freistellung anrechnen. So die gängige Praxis.
Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner gestern veröffentlichten Pressemitteilung zum Aktenzeichen 9 AZR 189/10 erneut gezeigt, was sich alles aus einer solchen Freistellungserklärung herauslesen oder auch nicht herauslesen lässt, wenn man nur lange genug „um die Ecke″ denkt:
Der Arbeitgeber hatte schon Mitte November 2006 zum 31.03. des Folgejahres gekündigt und den Arbeitnehmer bis dahin für viereinhalb Monate unter Anrechnung auf den Urlaub freigestellt – genug für einen durchschnittlichen Jahresurlaub, möchte man meinen. Die Kündigung war jedoch unwirksam, und so verlangte der Arbeitnehmer später auch noch den „restlichen Urlaub″ für das Jahr 2007.
Aber war dieser nicht durch die Freistellung aufgebraucht?
Immerhin hatte der Arbeitnehmer während der Freistellung nicht arbeiten müssen und doch sein Gehalt bekommen?
Der Geistesblitz des findigen Rechtsanwenders: § 5 Bundesurlaubsgesetz sieht die Zwölftelung des Jahresurlaubs vor, wenn der Arbeitnehmer in der ersten Jahreshälfte ausscheidet. Der gekündigte Arbeitnehmer hatte demnach nur einen Urlaubsanspruch für drei Monate, bei 30 Urlaubstagen im Jahr, also 7,5 Tage, die nach § 5 Abs. 2 BUrlG sogar auf 8 Tage aufzurunden waren.
Wie aber sollte der Arbeitnehmer aus der Freistellungserklärung nun ablesen können, dass der Arbeitgeber nicht nur diese 8 Tage sondern volle 30 Tage Urlaub anrechnen lassen wollte?
Zumal der Arbeitgeber doch davon ausging, dass seine Kündigung zum 31.03. wirksam war?
Und da die Freistellungserklärung aus Sicht des Arbeitnehmers als Empfänger auszulegen war, gehen Zweifel zu Lasten des Erklärenden.
„Im Streitfall konnte der Kläger der Freistellungserklärung der Beklagten nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, ob die Beklagte u.a. den vollen Urlaubsanspruch für das Jahr 2007 oder lediglich den auf den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. März 2007 entfallenden Teilurlaubsanspruch erfüllten wollte„.
Da hätte der Arbeitgeber auch selbst drauf kommen können!
In Zukunft sollte die Freistellungserklärung also klarstellen, welcher Urlaub ( z.B. „unter Anrechnung des ungekürzten Jahresurlaubs für das Jahr 2011„) angerechnet werden soll – bis zur nächsten Folge von „um die Ecke gedacht″.